# taz.de -- Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch? | |
> Rügenwalder will Erbsen verwursten. Mario Barth filmt vorm Trump Tower. | |
> Wuppertal wird umbenannt. Und: Was ist „postfaktisch“? | |
Bild: Kann man bald nicht mehr unterscheiden: Gemüse und Wurst | |
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? | |
Friedrich Küppersbusch: Die Iren behaupten einfach, Obama sei einer der | |
Ihren. | |
Und was wird besser in dieser? | |
Die Umbenennung von Wuppertal-Oberbarmen. | |
Puh, Steinmeier wird’s. Ist er der Richtige für das Amt des | |
Bundespräsidenten? | |
Mooooment. Vorab: Wieso finden eigentlich Schachweltmeisterschaften statt, | |
wenn Großmeister Sigi soeben vorgeführt hat, wie ein Bauer die Dame | |
mattsetzt? Diese Mischung aus Timing, Selbstbewusstsein und Glück war eines | |
großen Parteivorsitzenden würdig. Gabriel sollte das unbedingt bleiben! Und | |
Martin Schulz das Außenamt als Qualifying für die Kanzlerkandidatur geben. | |
Das ist extrem kurzfristig und wird womöglich an der Angst der Sozis vor | |
sich selbst scheitern. | |
Doch: Mit dem erfolgreichen Wahlkämpfer Schulz, dem uneigennützigen Helden | |
Gabriel und dem mild obwaltenden Staatsoberhaupt Steinmeier hätten die | |
Sozis fast aus dem Nichts eine Dominanz, von der die Union träumt. Dass die | |
überhaupt noch Zähne hat, merkt man nur noch am Knirschen. Und: Nachdem die | |
AfD einen verbitterten Greis aufbietet, der 42 Jahre in der CDU kaum mehr | |
hinbekam als ein massives Finanzproblem im Frankfurter Stadtetat, ist sogar | |
Steinmeier im Vergleich zu unseren Populisten ungeheuer populär. | |
Der englische Begriff „post-truth“, „postfaktisch“, wurde von der Redak… | |
des Oxford Dictionary zum internationalen Wort des Jahres gekürt. Eine gute | |
Wahl? | |
Nur falsche Eitelkeit könnte den deutschen „Wort des Jahres“-Juroren nun | |
noch einen „Gruselclown“ ins Ohr setzen: Denn im Deutschen hat | |
„postfaktisch“ noch mehr Wumms, Wucht und regionale Beibedeutung. „Fakt“ | |
ist ein rhetorisches Ampelmännchen, der einsilbige Broiler, kurz ein | |
verbaler Tumormarker für Ostbiografie. Die ARD nannte ihr Ostmagazin | |
„Fakt“, die gesprächsweise Wendung „Fakt ist …“ wies Sprecher als Os… | |
aus. Das ist DDR-DNA, deren Sozialismus „wissenschaftlich“ war – was | |
lästigen Meinungsstreit bürgerlich-gestrig erscheinen lassen sollte. | |
Meisterin darin ist die Kanzlerin, die den Wort-Antagonisten | |
„alternativlos“ stiftete. Das „Alternativlos“ ist ein als Wissenschaftl… | |
verkleidetes „Basta“, sein weißer Kittel aus eitel „Fakten“ gewoben. S… | |
für Merkel zeitweise Atomenergie „alternativlos“, wie sie später den | |
Atomausstieg als „alternativlos“ erkannte. In dieser Sichtachse erscheint | |
„postfaktisch“ als Fluch der zweifelhaften Tat langjähriger wohlmeinender | |
Bevormundung. Die aggressive Militarisierung der Außenpolitik, das | |
dröhnende Desinteresse an den sozialen Verwerfungen der Agendapolitik: Da | |
waren und sind ganze Bundesregierungen „postfaktisch“ unterwegs. | |
Man ignorierte die Fakten und Warnungen in der Hoffnung, der Schwanz werde | |
den Hund schon durch die nächste Wahl wackeln. Deswegen: Es reicht nicht, | |
besonders wissenschaftlich recht zu haben oder besonders gefühlsecht | |
unrecht. Politik ist Sinn mit Gefühl. Oder eben: „Postfaktisch“ ist | |
Zwilling von „alternativlos“. Beides Gruselclowns. | |
Die Rügenwalder Mühle will bald Erbsen statt Fleisch zu Wurst verarbeiten | |
und in etwa zwanzig Jahren überhaupt kein Fleisch mehr verkaufen. Trauen | |
Sie der Erbse auch so viel zu? | |
Rügenwalder hatte mit dem flugfähigen Claim von der „Wurst als Zigarette | |
der Zukunft“ 2015 die Wurstbranche geschockt. Der eben noch in Blut und | |
Gedärm stapfende Schlachteverwerter brachte binnen einem Jahr 20 Prozent | |
„Veggie“-Produkte an die Kundschaft. Die allerdings ist zwar veggie, aber | |
nicht doof und moserte bald los: „Was ist veggie an Schinkenspickern, die | |
kein Fleisch, jedoch 70 Prozent Eiweiß aus Hühnerzucht enthalten?“ | |
Natürlich nichts, weswegen der Konzern nun aus einem Wald von Rügen wankt | |
und unter jeder Wurst wirklich nur noch eine Erbse verstecken will. Mal | |
sehen, welche Prinzessin dann wieder losnörgelt. Bis dahin meinen | |
schaudernden Respekt: Eher verkauft ein Schlachter ein Butterbrot mit | |
Blütenaufstrich als ein Autokonzern ein Fahrzeug ohne Sprit. Wäre | |
Rügenwalder ein US-Konzern, dächten sie auch über führerlose Knackwurst | |
nach. | |
Mario Barth hat leere Straßen vor dem Trump Tower in New York gefilmt und | |
wollte damit beweisen, dass niemand gegen Trump protestiert. Dafür bekam er | |
viel Lob in den sozialen Netzwerken. Ist Mario Barth der bessere | |
Journalist? | |
Eindeutig. Als Nächstes meldet er sich morgens um vier aus dem | |
Westfalenstadion und beweist, dass es die Bundesliga nie gegeben hat. | |
Und was machen die Borussen? | |
Alle Menschen lauteren Herzens sehr, sehr glücklich. | |
FRAGEN: JSR, CAS | |
20 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Friedrich Küppersbusch | |
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