# taz.de -- Schwerpunkt Rechtspopulismus: Sie sind da – und jetzt? | |
> Die AfD ist in den Parlamenten angekommen, Wegwünschen hilft nicht. Doch | |
> wie geht es weiter? Soll man die neuen Rechten isolieren?Mit ihnen | |
> streiten? | |
Bild: Vor der Wahl: Funktionäre und Anhänger der AfD in Schwerin | |
Der Rechtspopulismus ist unter uns, und er ist nicht über Nacht gekommen. | |
Und, schlimmer noch: er wird über Nacht nicht wieder verschwinden. Ihn zu | |
ignorieren, wird nichts besser machen, ihn abzuqualifizieren, wird auch | |
nichts helfen. Erforderlich ist ein souveräner Umgang mit Rechtspopulisten, | |
ohne ihnen auf den Leim zu gehen. Es geht um Demaskierung. | |
Wer Rechtspopulisten wie die AfD und ihre WählerInnen als Menschen | |
begreift, denen die moderne Welt schlicht zu kompliziert geworden ist, | |
denkt zu kurz. Zwar sind Populisten, auch linke, stets große Vereinfacher, | |
die simple und allersimpelste Antworten auf komplexe Fragen geben. Im Kern | |
aber fühlen sie sich hilflos gegenüber scheinbar kaum noch zu begreifenden | |
und zu beschreibenden abstrakten Mächten. Das kann die Globalisierung sein, | |
das Fremdartige oder die „Altparteien“, gern auch alles zusammen, und es | |
ist zumeist garniert mit einer kruden Mischung aus Ängsten und | |
Erlösungssehnsucht. | |
Letztlich erwächst das aus vermeintlichen Sachzwängen, aus behaupteter | |
Alternativlosigkeit, aus der „Basta“-Mentalität, mit denen fortschritts- | |
und technikgäubige PolitikerInnen ihre Sichtweisen ohne lästige Debatten | |
durchzudrücken suchen. Während Technokraten hochnäsig erklären, es gebe | |
eben nur eine vernünftige Lösung, geriert der Populist sich als Inkarnation | |
des wahren Volkswillens. Im Grunde sind beide Antipluralisten, denen der | |
demokratische Diskurs ein Graus ist. Zusammen sind sie die Mühlsteine, die | |
die Demokratie zerreiben. | |
Wer sich dagegen wehren will, muss den beschwerlichen Weg der Aufklärung | |
gehen statt den billigen der Dämonisierung. WählerInnen | |
rechtspopulistischer Parteien als vorurteilsbeladene Kretins zu schmähen, | |
beschreibt den Irrweg, dass es sich nicht lohne, sich mit ihren Positionen | |
überhaupt zu beschäftigen. Eben diese ausgrenzende und abwertende Haltung | |
befördert genau jenes – von den Populisten meist nur behauptete, von ihrer | |
Gefolgschaft aber vermutlich in der überwiegenden Mehrzahl so empfundene – | |
diffuse Gefühl des Ausgegrenztwerdens, des Unterdrücktwerdens, der | |
Hilflosigkeit gegenüber „denen da oben“, das es zu bekämpfen, zu | |
entschärfen, zu widerlegen gilt. | |
Dazu gehört aber auch die eigene Auseinandersetzung zum Beispiel mit dem | |
Phänomen, dass bei den jüngsten Landtagswahlen in den ostdeutschen | |
Bundesländern scharenweise Wählerinnen der Linken zur AfD überliefen. | |
Vollzieht sich der Wechsel vom Internationalisten zum Nationalisten | |
wirklich so rasch und schmerzlos? Warum haben dort zugleich mehr Arbeiter | |
und Arbeitslose AfD als SPD gewählt? | |
Und warum sind 2001 – ein fast schon historisch zu nennender Rückblick – | |
eine große Zahl sozialdemokratischer Stammtische in Hamburg zum | |
Rechtspopulisten Schill übergelaufen, bloß um zweieinhalb Jahre später mit | |
fliegenden Fahnen Strahlemann Ole von Beust die absolute Mehrheit zu | |
bescheren und nach schwarz-grüner Verwirrung wieder beim nächsten starken | |
Mann Olaf Scholz zu landen? | |
Allesamt eher Gründe für Zweifel am Sinn des allgemeinen Wahlrechts, | |
allesamt keine Belege für glasklare politische Analysen. Sondern in erster | |
Linie Anzeichen dafür, dass politische Entscheidungen zunehmend nach | |
kurzfristigen Reiz-Reaktions-Schemata getroffen werden. Und eben das führt | |
zu der Erkenntnis, dass mit scharfsinnigen akademischen Debatten der Kampf, | |
und das ist er, mit dem Populismus nicht zu gewinnen ist. | |
Die Entkleidung, die Entzauberung, die Demaskierung der Rechtspopulisten | |
kann nur gelingen über die Debatte mit ihnen und über sie gleichermaßen. | |
Das ist, zugegeben, der mühsame Weg, mit verständlich formulierten Fakten | |
und Sachargumenten zum Erfolg kommen zu wollen. Entscheidend dabei ist es, | |
den Adressaten nicht aus dem Sinn zu verlieren: Nicht der Populist ist zu | |
bekehren, sondern seine Gefolgschaft eines Besseren zu belehren. Die gilt | |
es zurückzugewinnen, um den ewiggestrigen Schwadroneur zu isolieren und | |
seiner Basis zu berauben, wenn er selbst denn nicht zu läutern ist. | |
Wichtig ist dabei, Positionen selbstbewusst zu bewahren. Jede Annäherung an | |
die Rechtsaußen bestärkt diese und ihre WählerInnen in der Vermutung, sie | |
hätten ja doch Recht gehabt. Die Gefahr, dass gemäßigte Positionen sich | |
extremen annähern, liegt vor allem in Fragen der inneren Sicherheit, der | |
Integration und der Zuwanderungsgesellschaft auf der Hand. Wer | |
„Obergrenzen“ für diskutabel erklärt, wie Seehofer es tut und Gabriel es | |
tat, besorgt das Geschäft der Populisten. Jedes Aufweichen liberaler und | |
toleranter Positionen aber ist ein Sieg der Rechtsaußen. Gewählt wird stets | |
das Original, nie die Kopie. | |
Mit Populisten und über sie muss man reden, weil sie die Weigerung als | |
Beweis nehmen würden, ausgegrenzt und unterdrückt zu werden. Aber man darf | |
nicht wie Populisten reden. | |
13 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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