# taz.de -- Klimaschutzplan der Bundesregierung: Von der Kohle-Lobby gestoppt | |
> SPD-Chef Sigmar Gabriel blockiert in letzter Minute einen Erfolg von | |
> Umweltministerin Hendricks. Die steht mit leeren Händen da. | |
Bild: Wenn der Klimaschutz ein Boxer wäre … | |
Eigentlich war schon alles in trockenen Tüchern. Den ganzen Dienstag über | |
hatten die Staatssekretäre aller Beteiligten noch an den Details des | |
„Klimaschutzplans 2050“ gefeilt – und schließlich eine Einigung erreicht. | |
Die Unions-Fraktion im Bundestag, aus der es im Vorfeld viel Kritik gab, | |
hatte den Plan abgenickt, SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks sprach am | |
Abend von einem „Durchbruch“, viele Verbände und auch einige Zeitungen | |
veröffentlichten bereits Kommentare zum Kompromiss. | |
Doch sie alle hatten die Rechnung ohne SPD-Chef Sigmar Gabriel gemacht. Der | |
hatte sich vorbehalten, zusammen mit der Kanzlerin am Abend beim | |
Koalitionsgipfel noch auf das Ergebnis zu schauen. Und von dort hieß es am | |
späten Dienstagabend: Es gibt keine Einigung, der Plan kommt Mittwoch nicht | |
ins Kabinett. | |
Hendricks, deren Ministerium beim abschließenden Gespräch nicht vertreten | |
war, wurde von der Nachricht völlig überrascht. „Man kann sich vorstellen, | |
dass sie keine Luftsprünge gemacht hat“, sagt ihr Sprecher Michael | |
Schroeren. Bei diesem Stand müsse die Umweltministerin am nächsten Montag | |
zur UN-Klimakonferenz in Marrakesch fahren, ohne einen Plan in der Tasche | |
zu haben, wie Deutschland die Ziele des Paris-Abkommens erfüllen wird. | |
Eine direkte Schuldzuweisung an Gabriel vermied die Ministerin. „Wir haben | |
zwar gestern die Ressortabstimmung abschließen können, allerdings sind | |
danach weitere Vorbehalte thematisiert worden, die vor einer | |
Kabinettsbefassung geklärt werden müssen“, schrieb sie – im Passiv, also | |
ohne einen Akteur zu nennen. Das Wirtschaftsministerium weist eine | |
Alleinverantwortung Gabriels zurück; es habe sich um eine „gemeinsame | |
Entscheidung“ mit der Kanzlerin gehandelt. | |
## Gabriel mit „Tiefschlag gegen den Klimaschutz“ | |
Offiziell äußert sich das Wirtschaftsministerium nicht zu den Gründen des | |
Scheiterns. Zugleich macht Gabriel aber klar, dass ihn der massive Druck | |
nicht unbeeindruckt gelassen hat, den die Kohlelobby im Vorfeld der | |
Entscheidung aufgebaut hatte. Die Absage an neue Kraftwerke und Tagebaue, | |
die zwischenzeitlich im Plan stand, war bereits gestrichen worden. | |
Am Mittwoch kritisierte der Wirtschaftsminister auch die von Hendricks | |
geplante Kommission die sich – neben anderen Fragen – mit dem | |
Ausstiegsfahrplan für die Braunkohle beschäftigen soll. „Mit mir wird es | |
eine solche Kohleausstiegs-Kommission nicht geben“, sagte Gabriel den | |
Zeitungen der Funke-Gruppe. Bevor über einen Kohleausstieg geredet werden | |
könne, müssten für die betroffenen Regionen „realistische Ideen und auch | |
Geld auf den Tisch“. | |
Umweltverbände und Oppositionsparteien übten scharfe Kritik am Veto des | |
SPD-Chefs. „Gabriels Blockade eines Ausstiegs aus der Kohleverstromung ist | |
nicht nur ein Tiefschlag gegen den Klimaschutz, sondern auch gegen eine | |
moderne Wirtschafts- und Energiepolitik“, sagte etwa BUND-Chef Hubert | |
Weiger. | |
## Endgültig ist das Scheitern noch nicht | |
Widersprüchlich äußerten sich die Grünen: Nachdem Fraktionsvize Oliver | |
Krischer am Dienstag noch kritisiert hatte, mit dem „unambitionierten | |
Klimaschutzplan“ werde sich Deutschland auf internationaler Bühne | |
blamieren, sagte Klima-Expertin Annalena Baerbock am Mittwoch, mit der | |
„erneuten Blockade“ ebenjenes Planes schiebe die Regierung „die | |
Energiewende endgültig aufs Abstellgleis“. | |
Endgültig ist das Scheitern indes noch nicht: Bis zum Wochenende soll | |
erneut versucht werden, eine Einigung über die strittigen Punkte zu | |
erreichen, erklärten Umwelt- und Wirtschaftsministerium. | |
9 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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