# taz.de -- Betrug beim Jugendamt in Hamburg: Fälle nur erfunden | |
> Ein leitender Mitarbeiter des Jugendamts soll für fiktive Hilfe 500.000 | |
> Euro abgezwackt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt | |
Bild: Vater, Mutter, Kind: ein Mitarbeiter des Jugendamts Mitte soll sich Fäll… | |
HAMBURG taz | Ein leitender Mitarbeiter des Jugendamtes Mitte soll | |
jahrelang immer mal wieder kleinere Fälle erfunden und das ausgezahlte Geld | |
dafür mit einem freien Mitarbeiter, der auf dem Papier die Hilfe anbot, | |
geteilt haben. Am Montag durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Büros. Am | |
Mittwoch trat dann Mitte-Bezirkschef Falko Droßmann (SPD) erschüttert vor | |
die Presse und machte die Sache publik. Wenn alles zuträfe, wie vermutet, | |
habe sich ein Mitarbeiter „mehr als schäbig“ verhalten und in Kauf | |
genommen, den Ruf des Jugendamtes zu schädigen. | |
Von 2004 bis 2015 soll der Betrug stattgefunden haben – in mehr als einem | |
halben Dutzend Fälle. Der Schaden soll 500.000 Euro betragen. Der Mann soll | |
sich Fälle teilweise ganz ausgedacht, teilweise auch erfundene Fälle realen | |
Personen zugeordnet haben. | |
## Angeblich untergetaucht | |
Wie die Hamburger Morgenpostberichtet, soll der Komplize schon gestanden | |
haben, und der Behördenmitarbeiter selbst sei untergetaucht. Die | |
Staatsanwaltschaft äußerte sich nicht. Man sei ganz am Anfang, sagt | |
Sprecherin Nana Frombach. „Wir ermitteln wegen Betrugs und Untreue in | |
besonders schwerem Fall“. Von den Vorwürfen habe man Ende September | |
erfahren. | |
„Da muss jemand laufend manipuliert haben“, sagt der frühere | |
Jugendamts-Mitarbeiter Lothar Knode. Denn bevor eine Hilfe verfügt wird, | |
gebe es viele Schritte. Es müsse ein Bericht geschrieben werden, der im | |
Kollegium beraten wird, dann komme das Hilfeplangespräch mit Eltern, Kind | |
und Träger und schließlich müsse die Abteilung „Wirtschaftliche | |
Jugendhilfe“ das Geld freigeben. | |
„Wir müssen für jede Person eine Anfrage beim Einwohneramt stellen“, | |
berichtet ein noch aktiver Mitarbeiter, dem der Fall ebenfalls ein Rätsel | |
ist. Dies müsse im Datenprogramm JUS- IT hinterlegt werden. Außerdem muss | |
jeder Träger in Hamburg eine Leistungsvereinbarung mit der Behörde für | |
Arbeit, Soziales, Familie und Integration (Basfi) schließen. „Damit sind | |
sie von der Basfi gecheckt“, sagt deren Sprecher Marcel Schweitzer. | |
## Software prüft keine Namen | |
Anders ist dies, wenn in einem Einzelfall spezielle Hilfe nötig ist. Dann | |
kann auch ein Bezirksjugendamt eine Vereinbarung schließen, „ohne Kenntnis | |
der Basfi“, so Schweitzer. Und offenbar kann die 2012 eingeführte | |
JUS-IT-Software die Identität von Personen nicht überprüfen. „Ein | |
automatisierter Zugriff aufs Melderegister ist nicht erlaubt.“ Lediglich | |
falsche Straßennamen würden erkannt. | |
Der FDP-Politiker Daniel Oetzel forderte schnelle Aufklärung. Es drohe ein | |
Vertrauensverlust. Könne ein Mitarbeiter zehn Jahre Mittel veruntreuen, | |
„sagt dies viel über die Qualität der Kontrolle aus“, ergänzt CDU-Politi… | |
Phillipp Heißner. Sollte es stimmen, dass nichts ahnende Personen plötzlich | |
in Jugendamtsakten auftauchten, wären das für ihn die schlimmeren Fälle. Er | |
fordert, in allen Bezirken die Akten zu prüfen. | |
Verglichen mit anderen Bereichen gebe es in der Jugendhilfe „auffallend | |
wenig Fälle von Betrug“, gibt der frühere Abteilungsleiter Wolfgang Hammer | |
zu bedenken. Es sei ein „krimineller Einzelfall“. | |
24 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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