# taz.de -- Umstrittene Inspektion: Jugendgesetz schafft Tatsachen | |
> Der Senat will die umstrittene Jugendhilfe-Inspektion gesetzlich | |
> verankern. Dabei soll eine Kommission gerade erst beginnen, deren Sinn zu | |
> überprüfen | |
Bild: Schal des Schweigens? Die Behörde von Sozialsenatorin Melanie Leonhard (… | |
Noch kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember, soll die Enquete-Kommission zur | |
Überprüfung der Kinder- und Jugendhilfe ihre Arbeit aufnehmen. Nun gibt es | |
Ärger, weil der rot-grüne Senat am Dienstag den Entwurf für ein neues | |
Ausführungsgesetz beschlossen hat, das die umstrittene | |
Jugendhilfe-Inspektion rechtlich verankert – sogar deren Kompetenzen | |
erweitert. So sollen künftig nicht nur Jugendämter, sondern auch freie | |
Träger der Jugendhilfe ihre Dokumente den Inspektoren aushändigen müssen. | |
Die Inspektion wurde 2013 vom damaligen Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) | |
nach dem Tod der elfjährigen Chantal eingesetzt. Sie ist umstritten, weil | |
sie bisher nach tragischen Todesfällen oft der Politik den Rücken frei | |
hielt und der Öffentlichkeit vermeintlich schuldige Mitarbeiter | |
präsentierte. Einer von 17 Untersuchungsaufträgen der von SPD, Grüne, FDP | |
und Linken eingesetzten Kommission lautet deshalb auch: „Kann die | |
Jugendhilfeinspektion der Einhaltung von Standards und Regeln sowie der | |
Etablierung einer förderlichen ‚Fehlerkultur‘ dienlich sein?“ | |
„Der Senat schafft hier Tatsachen, bevor die mit breiter parlamentarischer | |
Mehrheit beschlossene Kommission überhaupt das erste Mal getagt hat“, | |
kritisiert die Vorsitzende der Linksfraktion, Sabine Boeddinghaus. Sie | |
werde bei Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) Beschwerde einlegen. | |
Die Enquete-Kommission ist der Versuch, in der Jugendhilfe bei strittigen | |
Fragen Konsens zu finden. Zum Beispiel soll überprüft werden, ob die | |
Jugenämter zu viele bürokratische Regeln haben, die die Mitarbeiter von der | |
Arbeit mit den Menschen abhalten. In der Kritik steht auch ein von Scheele | |
eingeführtes „Qualitätsmanagement“. Auch das soll nun noch schnell | |
gesetzlich verankert werden. | |
„Das Ausführungsgesetz greift den Ergebnissen der Enquete-Kommission nicht | |
vor“, sagt hingegen Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer. Denn laut | |
Einsetzungsbeschluss erfolge deren Arbeit in „Würdigung“ der Beschlüsse d… | |
beiden Sonderausschüsse zum Tod von Chantal und Yagmur. Und diese sähen | |
eben eine Verankerung der Jugendhilfe-Inspektion vor. Sollte die Enquete, | |
wenn sie 2018 fertig ist, Änderungsbedarf bei der „Ausgestaltung“ der | |
Inspektion sehen, werde die Bürgerschaft „darüber diskutieren“, sagt | |
Schweitzer. | |
Auch die Grünen-Jugendpolitikerin Anna Gallina sagt: „Ich sehe nicht, dass | |
der Untersuchungsauftrag der Enquete-Kommission geschwächt wird.“ Sie | |
verweist auf besagte Empfehlung des Yagmur-Ausschusses zur | |
Jugendhilfe-Inspektion, die mit Stimmen von CDU, SPD, Grüne und FDP | |
verabschiedet wurde. „In der Tat ist das ein Thema, wo die Enquete noch mal | |
drauf gucken soll.“ Doch man könne nicht zwei Jahre warten. Es sei mit | |
allen Fraktionen besprochen, dass es bis zum Ende der Enquete -Kommission | |
keinen jugendpolitischen Stillstand geben solle. | |
Die Jugendhilfe-Inspektion könne arbeiten, „dafür braucht es keine | |
Gesetzesänderung“, hält der frühere Jugendhilfe-Abteilungsleiter Wolfgang | |
Hammer dagegen, der für die Dauer der Enquete als Referent für die | |
Links-Fraktion arbeitet. So aber werde der ergebnisoffene Auftrag der | |
Bürgerschaft „ad absurdum“ geführt. | |
30 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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