# taz.de -- Food-Fotografin über ihre Arbeit: „Abdrücken, wenn der Käse ze… | |
> Daniela Haug lichtet Essen im Stil einer Reportage ab. Ein Gespräch über | |
> weißen Fisch, bunte Teller und die Vorzüge von rohem Fleisch vor | |
> schwarzem Hintergrund. | |
Bild: „Keine Lampen, kein Stativ – Food muss man schnell fotografieren“, … | |
taz.am wochenende: Frau Haug, wie kommt man dazu, Essen zu fotografieren? | |
Daniela Haug: Manchmal ist es Zufall, manchmal Berufung. Ich bin da | |
reingerutscht. Ich habe eine Reportage über ein Porkcamp fotografiert. Da | |
trafen sich Blogger zum Schlachten und Wursten. Das war der Start. Aber | |
eine richtige Food-Fotografin im klassischen Sinn bin ich nicht. | |
Warum nicht? | |
Das ist eines der kompliziertesten Genres innerhalb der Fotografie. Eine | |
Wissenschaft. Da sind Food-Stylisten im Einsatz, da wird gesprüht, gebaut, | |
mit Modellen gearbeitet. Da ist manchmal einiges auf dem Teller gar nicht | |
essbar. Es sind unendlich viele Lampen im Einsatz, um das Essen perfekt ins | |
Licht zu setzen. | |
Ein enormer Aufwand. Nichts wird dem Zufall überlassen, ähnlich wie in der | |
Modefotografie? | |
Teilweise sicher, vor allem in der Werbung. Sagen wir, McDonald’s bringt | |
einen neuen Burger in die Läden. Um das perfekte Bild zu bekommen, werden | |
mehrere hundert Hackfleisch-Pattys gebraten. Am Ende geht es dann noch | |
darum, ob die Mayonnaise-Nase rechts herum oder links herum gebogen zu | |
sehen ist … | |
Sie haben einen anderen Ansatz? | |
Ich mache das im Stil einer Reportage – mir geht es nicht nur um das | |
Ergebnis auf dem Teller, sondern auch um die Situation in der Küche, die | |
Zutaten, darum, wie ein Essen entsteht. | |
Also sozusagen eine Farm-to-Table-Fotografie. | |
Ich bin eine Vertreterin von dem, was gerade stattfindet. Ich fühle mich da | |
Foodbloggern näher, die auch leckere Bilder machen. Aber da ist eben alles | |
natürlich gekocht, nichts gestellt und alles essbar. Es hat nichts | |
Künstliches. | |
Was heißt das konkret? | |
Keine Lampen, kein Stativ. Food muss man schnell fotografieren, denn es | |
kann ganz schnell nicht mehr gut aussehen. Wenn der Käse zerläuft, muss man | |
sofort abdrücken. Gleichzeitig versuche ich die Schokoladenseite eines | |
Tellers zu finden. Als wenn man einen Menschen porträtieren würde. Mir muss | |
selber das Wasser im Mund zusammenlaufen, damit ich abdrücke. | |
Ich habe Kochbücher, die nur ein paar Jahre alt sind. Aber die Teller sehen | |
darauf noch viel älter aus. Warum hat Essen auf Fotos so ein geringes | |
Haltbarkeitsdatum? | |
Ein interessanter Punkt. Unsere Sehgewohnheiten sind ohnehin ständig im | |
Fluss, und ich denke, heutzutage ändern sie sich sogar schneller als | |
früher. Das liegt nicht nur an den Farben auf den Fotos, sondern auch an | |
den Tellern, dem Setting, vor allem an der Art, wie angerichtet wird. | |
Ich denke dabei an Caprese, also Tomaten mit Mozzarella und Basilikum. | |
Lange Zeit wurden die Zutaten gefächert, alles schöne Halbmonde. Heute | |
liegt die Käsekugel aufgerissen in der Mitte des Tellers. | |
Gutes Beispiel. Heute liegt der Fokus auf dem Authentischen. Alles soll so | |
real wie möglich aussehen. Ich sehe mir immer wieder an, wie Essen auf den | |
Verpackungen abgebildet wird. Das ist sehr stilisiert. Aber wenn etwas | |
extrem kunstvoll ist, hat man eine Achtung wie vor einem Kunstwerk. Da wird | |
eine Trennung zum Essen aufgebaut. Ich bin überzeugt, das wollen viele | |
Leute nicht mehr. Das ist so wie die Chipstüte im Werbespot, die mit der | |
Schere aufgeschnitten und gebügelt ist. Man sieht einfach, wie künstlich | |
das ist. | |
Genauso wie bei einem grünen Apfel, einem Golden Delicious? | |
Ganz genau: Stellen Sie sich einen Bauernapfel vor, vielleicht noch mit | |
einem Blatt dran. Da kann man die Rinde des Baumes spüren und die Wiese, | |
auf der er steht. | |
Mir ist aufgefallen, auf Ihren Fotos sind selten weiße Teller zu sehen. | |
Ich hasse weiße Teller. Im Alltag ist er zwar praktisch, aber auf dem Foto | |
ist er mir zu langweilig, zu steril. Wenn man mit Tageslicht fotografiert, | |
dann eignet der sich gar nicht. Weiße Teller haben was von höherer Cuisine. | |
Mit anderen Tellern, auch handwerklich hergestellten, das hat eben auch was | |
Natürlicheres, etwas Archaisches. | |
Ich frage mich, ob Fotografie auch unsere Essgewohnheit beeinflusst. Der | |
Nudelauflauf oder ein englischer Pie sind heute aus der Mode, vielleicht | |
auch, weil sich die Zutaten im Gericht verstecken? | |
Interessante Interpretation. Es stimmt: Dass die Zutaten sichtbar sind, ist | |
bei vielen Gerichten schon sehr wichtig. Bei bestimmten Gerichten wird das | |
dann richtig tricky. | |
Zum Beispiel? | |
Weißer Fisch ist schwer zu fotografieren. Da lässt man am besten die Haut | |
dran. Oder auch Suppen und Eintöpfe. Der Leser soll ja sehen, was sich | |
unter der Oberfläche verbirgt. | |
Geben Sie zu, da haben Sie auch Tricks. | |
Man schöpft ganz viel von der Einlage in den Teller und gießt nur etwas | |
Suppe drüber. Dann schaut einiges oben raus. | |
Rohes Fleisch sieht man nicht oft auf Fotos. | |
Das stimmt, aber ist Ihnen aufgefallen, dass rohe Steaks heute oft vor | |
schwarzem Hintergrund stehen? Das bringt das Rot zum Leuchten. Fleisch muss | |
kraftvoll aussehen. | |
Was halten Sie davon, dass so viele Menschen ihr Essen fotografieren und | |
wie Selfies ins Netz stellen? | |
Es hat sich was verändert im Umgang mit Essen, es gibt eine große | |
Emotionalisierung. Kann sein, dass es auch an der digitalisierten Welt | |
liegt und wir im Alltag in den Büros immer weniger Umgang haben mit | |
natürlichen Dingen. Deswegen sind auch solche Sportarten, die in die Natur | |
führen, wie Wandern und Radfahren, immer beliebter. Ich glaube, es gibt da | |
eine große Sehnsucht. Und Essen ist vielleicht der einfachste Zugang zur | |
Natur. | |
Ich komme selten auf die Idee, mein Essen im Alltag zu fotografieren. Mir | |
käme es vor, als wollte man den Genuss konservieren. | |
Ich gebe Ihnen recht. Viele Dinge haben in ihrer Vergänglichkeit ihre | |
Schönheit. Das gilt ganz besonders für das Essen. | |
6 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Jörn Kabisch | |
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