# taz.de -- Angriff der libyschen Küstenwache: Knüppel gegen Flüchtlingsboot | |
> Bewaffnete Männer enterten Freitagabend vor der Küste Libyens ein | |
> Flüchtlingsboot. Sea Watch spricht von „einer zweistelligen Zahl“ an | |
> Toten. | |
Bild: Das Schiff „Sea Watch 2“ läuft Ende April aus dem Hamburger Hafen aus | |
Berlin taz | Bewaffnete Männer, die sich als libysche Küstenwache zu | |
erkennen gaben, haben in der Nacht zum Freitag ein in Seenot geratenes | |
Flüchtlingsboot geentert. Dabei kam [1][nach Angaben der privaten | |
Rettungsorganisation SeaWatch] eine zweistellige Zahl an Menschen ums | |
Leben. Der Vorfall ereignete sich in internationalen Gewässern, rund 14 | |
Seemeilen nördlich der Küstenstadt Misrata. | |
Die Männer erschienen während eines Rettungseinsatzes des Schiffes „Sea | |
Watch 2“. „Sie haben Pässe verlangt, die Migranten mit Stöcken geschlagen | |
und unsere Crew davon abgehalten, Rettungswesten zu verteilen“, sagte | |
Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer der taz. Dabei zerstörten die Angreifer | |
einen der Schwimmkörper der Schlauchootes. An Bord brach eine Massenpanik | |
aus, alle 150 Insassen seien ins Meer gefallen. | |
Die Sea-Watch-Crew konnte in den folgenden Stunden vier Leichen bergen; | |
vier weitere Menschen seien bewusstlos auf der „Sea-Watch 2“ behandelt | |
worden. Nachdem die Libyer sich zurückzogen, nahm die Sea Watch 2 insgesamt | |
rund 120 Schiffbrüchige an Bord. Unklar ist, zu welcher Einheit die Männer | |
gehörten. „Die EU muss sich die Frage stellen, ob sie bei ihrer | |
Militärmission Sophia mit einer solchen Küstenwache zusammen arbeiten | |
will“, sagte Neugebauer. „Der Vorfall zeigt einmal mehr, dass Abschottung | |
nicht die Lösung sein kann.“ | |
Im Mittelmeer vor Tunesien und Libyen patrouillieren die Boote der | |
EU-Militärmission Sophia, an der auch Deutschland beteiligt ist. Sie sollen | |
gegen kriminelle Schleuser vorgehen. Dabei haben sie bisher aber wenig | |
Erfolge erzielt, da die Mission auf das Seegebiet außerhalb der libyschen | |
Hoheitsgewässer begrenzt ist. Künftig sollen sie aber auch bei der | |
Ausbildung der libyschen Küstenwache helfen und den Waffenschmuggel | |
Richtung Libyen bekämpfen. | |
## Nicht der erste Übergriff | |
Im April wurde die „Sea-Watch 2“ vermutlich von der libyschen Küstenwache | |
aufgebracht. Auch damals kam außerhalb der libyschen Küstengewässer ein | |
Schnellboot mit dem Abzeichen der libyschen Marine auf die Seenotretter zu. | |
Ein junger Mann gab mehrere Schüsse mit einem Schnellfeuergewehr ab. | |
Zunächst verlangten sie von der Crew, ihnen nach Tripolis folgen, dann | |
ließen sie wieder ab. | |
Im August brachten Unbekannte vor Libyen ein Schiff von Flüchtlingsrettern | |
in ihre Gewalt. Die „Bourbon Argos“ der Hilfsorganisation „Ärzte ohne | |
Grenzen“ wurde von Bewaffneten überfallen, die Crew versteckte sich in | |
einem eigens eingerichteten Zufluchtsort im Schiffsinneren. Erst als zu | |
Hilfe gerufene Kriegsschiffe sich näherten, verließen die bewaffneten | |
Männer die „Bourbon Argos“. | |
Die Grünen-Politiker Barbara Lochbihler sagte, der Angriff vom Freitag | |
müsse „umgehend und vollumfänglich untersucht, die Verantwortlichen zur | |
Rechenschaft gezogen werden“. Es sei schlimm genug, dass sich die | |
EU-Mitgliedstaaten auch weiterhin weigern, eine gemeinsame | |
Seenotrettungsmission auf die Beine zu stellen, und diese Aufgabe privaten | |
Initiativen überlassen. Dass deren Arbeit nun auf solch brutale Weise | |
erschwert werde, sei nicht hinnehmbar, so Lochbihler. Der Vorschlag von | |
Kanzlerin Merkel, nach der Türkei sowie Jordanien und Libanon möglichst | |
bald auch ein Flüchtlingsabkommen mit Libyen zu schließen, nannte | |
Lochbihler „einfach nur surreal“. | |
21 Oct 2016 | |
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[1] https://www.facebook.com/seawatchprojekt/photos/a.1579563625595046.10737418… | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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