Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Pressefreiheit in Ungarn: Obdach in der Obdachlosenzeitung
> Mitarbeiter der kürzlich geschlossenen oppositionellen Zeitung
> Népszabadság publizieren Sonderseiten – in einem Blatt für Wohnungslose.
Bild: Verkauf der Sonderausgabe der Obdachlosenzeitung „Fedél Nélkül“ am…
Budapest taz | Sieben Uhr morgens an der Strassenbahnhaltestelle Oktogon in
der ungarischen Hauptstadt Budapest. Melinda, Mitarbeiterin in einem
Ministerium, hat schlechte Laune. Sie muss gleich ins Büro, will heute
jedoch unbedingt ein Exemplar der Obdachlosenzeitung Fedél Nélkül kaufen.
Doch die gibt es erst ab neun Uhr.
„Keine Problem, wir können uns später treffen. Ich werde ein Exemplar für
Sie aufheben“, sagt der Obdachlose Robert Kiss und grinst. Er reibt sich
die Hände. Heute könnte er auf mehr als 10.000 Forint (umgerechnet rund 30
Euro) kommen. „Dieses Geld gebe ich meinen Enkelkindern“, sagt er. Eine
Stunde später wird Robert Kiss von Interessenten regelrecht belagert. Jeder
will eine Zeitung. Jemand zahlt 1.000 Forint für zwei Zeitungen und Róbert
lächelt.
An diesem Donnerstag ist die Ausgabe von Fedél Nélkül, die mit einer
einmaligen Auflage von 12.000 Exemplaren erscheint, anders als sonst:
Journalisten des oppositionellen Blattes Népszabadság haben in der Zeitung
12 Sonderseiten publiziert.
Aber nur freie Mitarbeiter von Népszabadság bekamen mit Themen wie zum
Beispiel Pressefreiheit ein kurzzeitiges Obdach. Die rund 100
Festangesstellten dürfen nicht in anderen Medien publizieren. Sie sind seit
der Schließung von Népszabadság am 8. Oktober bis auf Weiteres beurlaubt.
## Skandalvideo aus dem Parlament
Auch von Péter Új, Chefredakteur des liberalen Portals 444.hu, ist ein
Betrag in der Obdachlosenzeitung zu finden. Vor kurzen hatte 444.hu ein
Video aus dem ungarischen Parlament in Umlauf gebracht. Darin war zu sehen,
unter welch unsäglichen Bedingungen Journalisten in der Volksvertretung
arbeiten – vor allem dann, wenn sie der rechtspopulistischen
Fidesz-Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán nicht genehm sind.
Das Video hatte zur Folge, dass Mitarbeiter von 444.hu auf Anordnung des
Parlamentspräsident und Mitbegründers der Fidesz, László Kövér, das
Parlamentsgebäude nicht mehr betreten dürfen.
Die spezielle Ausgabe der Obdachlosenzeitung hatte die Redaktion
Népszabadság auf Facebook nach Kräften beworben. Sie kann online bestellt
werden. Dabei zahlt jeder, so wie sonst auch für Fedél Nélkül, soviel er
kann und will. Der gesamte Erlös geht an die Obdachlosen, die Druckkosten
trugen die Journalisten.
Derweil kocht die Gerüchteküche, wie es mit Népszabadság weiter geht. Die
Tageszeitung gehört bislang zur Medienholding Mediaworks, die im Besitz der
österreichischen Vienna Capital Partners (VCP) ist. Neuer Eigentümer soll
angeblich Gábor Liszkay werden, dem die“regierungsfreundliche Tageszeitung,
Magyar Idök gehört.
Zum Mediaworks-Verlag gehören 13 Regionalzeitungen sowie auch das populäre
Sportblatt Nemzeti Sport – die Lieblingszeitung von Viktor Orbán. Ob im In-
oder Ausland, wo auch immer Orbán ist, ist auch Nemzeti Sports und das
jeden Tag. Frei nach dem Motto: Jeden Morgen frisch auf den Tisch.
20 Oct 2016
## AUTOREN
Tibor Raćz
## TAGS
Ungarn
Obdachlosigkeit
Viktor Orbán
Fidesz
Ungarn
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Ungarn
Ungarn
Ungarn
Ungarn
Viktor Orbán
Schwerpunkt Flucht
Ungarn
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bildung in Ungarn: Angriff auf die freie Wissenschaft
Eine Bildungsreform könnte für die Central European University das Aus
bedeuten. Das ist auch ein Angriff auf deren Gründer George Soros.
Olympische Sommerspiele: Nolympia für Budapest
266.151 Unterschriften sammelte eine Bürgerin gegen das sportliche
Großereignis. Eine peinliche Niederlage für Ungarns Regierung.
Freie Medien in Ungarn: „Orbán hat immer noch Hunger“
Das Ende der Tageszeitung „Népszabadság“ zog sich über Monate hin. Es st…
stellvertretend für das, was der freien Presse im Land droht.
Fake-Interview mit Viktor Orbán: Ein Inside-Job
Satire oder „Sabotage“? Unbekannte haben ein Orbán-Interview in einer
Lokalzeitung gefälscht. Vier Mitarbeiter wurden entlassen.
Pressefreiheit in Ungarn: Gott, Glück und Viktor Orbán
Die größte Oppositionszeitung ist die „Népszabadság“ wohl die längste …
gewesen. Ab sofort gehört sie einem regierungsfreundlichen Oligarchen.
Pressefreiheit in Ungarn: Plötzliches Aus für „Népszabadság“
In Ungarn ist am Samstag die größte noch unabhängige Tageszeitung
geschlossen worden. Erscheint sie bald neu, aber auf Regierungslinie?
Kommentar Referendum in Ungarn: Über die eigene Schwelle gestolpert
Orbáns Referendum ist an den hohen Hürden gescheitert, die er selbst
eingeführt hat. Für seine Politik war das Ergebnis ohnehin unerheblich.
Roma vor dem Referendum in Ungarn: Nach unten treten
Um das Quorum für das Anti-Flüchtlingsreferendum zu erreichen, setzt Orbáns
Fidesz auch Roma unter Druck. Einige beugen sich.
Rassismus in Ungarn: Proteste gegen verdienten Hetzer
Der rechtsradikale Publizist Zsolt Bayer erhält den Ritterorden. Zahlreiche
Preisträger geben deshalb ihre Auszeichnung zurück.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.