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# taz.de -- „Dschungel“ in Calais: Politik der verbrannten Erde
> Bei der Räumung des „Dschungels“ in Calais fällt auf, wie schnell Hütt…
> und Zelte in Rauch aufgehen. Bulldozer planieren das Gebiet.
Bild: Ein Bild aus besseren Zeiten, die auch nicht gut waren: „Dschungel“ v…
Calais taz | Mit einem massiven Polizeiaufgebot sind am Donnerstag die
Reste des „Dschungels“ geräumt worden. Seit dem frühen Morgen verließen
Migranten mit ihrem Gepäck das Gelände, angetrieben von Beamten der
Sicherheitspolizei CRS in Kampfmontur, die parzellenweise das Lager
durchkämmten. Verlassene Teile wurden von Polizeiketten abgeriegelt,
Migranten und Journalisten der Zutritt verweigert.
Parallel dazu ging die am Dienstag begonnene Zerstörung der Behausungen
voran. Schon vor Sonnenaufgang rückte eine Abrissbrigade mit zwei Baggern
in das Gebiet abseits der Hauptstraße vor, wo nach den stundenlangen
Bränden des Vortags noch immer Schutthaufen vor sich hinrauchten. Die
Trümmer wurden in großen Containern abtransportiert.
Auffällig war, wie viele Bewohner die Nacht im Lager verbracht hatten. Eine
Gruppe von etwa zehn Männern erklärte, sie hätten in Hütten geschlafen, die
vom Feuer verschont geblieben waren. Ihr Ziel sei nun Paris, sagte einer,
wo ebenfalls ein Camp von Transitmigranten existiert. Insgesamt waren es
mehrere Hundert Menschen, die am frühen Vormittag den „Dschungel“
verließen. Die meisten sammelten sich nahe der Autobahnbrücke beim Eingang.
Die Bilder werfen Fragezeichen bezüglich der Informationspolitik der
französischen Behörden auf. Am Mittwochmittag hatte Fabienne Buccio, die
Präfektin des Département Pas de- Calais, verkündet, die Mission sei
erfüllt und der „Dschungel“ „leer“. Dass davon keine Rede sein konnte,
zeigte sich noch am selben Tag. Zahlreiche Bewohner hielten sich weiter im
Lager auf, wo bis zum Abend immer wieder kleine Feuer ausbrachen.
## Was wird aus den minderjährigen Migranten?
Auch einer der Polizisten schien sich über die Formulierung der Präfektin
zu wundern. „Leer? Sie sehen es doch selbst“, sagte er am Donnerstag, eine
Absperrung im Lager bewachend. Deutlich ist, dass die Präfektur offenbar
schnell einen Schlussstrich unter das Kapitel „Dschungel“ ziehen will,
dessen Räumung in Frankreich zum Wahlkampfthema geworden ist.
In der schnellen Abfolge der Ereignisse fiel zudem kaum auf, dass die
Präfektin die Brandstiftungen im Lager mit einer seltsamen Bemerkung
kommentierte. Buccio führte die Gründe auf kulturelle Unterschiede zurück.
„Wenn Afghanen weggehen, legen sie Feuer“, wird sie in diversen Medien
zitiert. Laut Behörden wurden vier Afghanen unter entsprechendem Verdacht
festgenommen.
Unklar ist derweil, wie es mit vielen der minderjährigen Migranten
weitergeht. Ihre Registrierung wurde wegen der kontinuierlichen Brände am
Mittwochmittag ausgesetzt. Wer bereits registriert ist, kann vorübergehend
in einem separaten Containercamp am Rand des Lagers unter kommen. Zuvor war
es Personen vorbehalten, die einen Asylantrag in Frankreich stellten. Die
1.500 Betten dort sind jedoch belegt. Nach Einschätzung von
Hilfsorganisationen mussten darum 60 bis 100 Minderjährige die Nacht im
Freien verbringen.
Valentina Bollenback, Mitarbeiterin der internationalen Organisation Save
The Children, berichtet, ihre Kollegen hätten erst gegen Mitternacht drei
Jugendliche von 13 und 14 Jahren in eine geheime Notunterkunft bringen
können. Sie beschreibt die Räumung und die Unsicherheit als „extrem
traumatisierend“ für junge Flüchtlinge. Als abschreckendes Vorbild verweist
Bollenback auf die Teilräumung im Frühjahr, während der 129 Kinder spurlos
verschwanden.
27 Oct 2016
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
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Calais
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Schwerpunkt Frankreich
Räumung
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