| # taz.de -- Kommentar Räumung des „Dschungels“: Mission erfüllt, Desaster… | |
| > Die Operation ist beendet, das Flüchtlingscamp wurde geräumt. Die | |
| > Behörden feiern ihre logistische Leistung – dazu besteht jedoch keinerlei | |
| > Anlass. | |
| Bild: Einer der Flüchtlinge von Calais bereitet sich für die Nacht auf Freita… | |
| Es war ein geradezu bizarrer Moment als Fabienne Buccio, die zuständige | |
| Präfektin, vor die Kameras trat und diesen haarsträubenden Satz aussprach: | |
| der „Dschungel“ von Calais sei leer, und die Mission seiner Räumung damit | |
| erfüllt. [1][Zahlreiche Agenturen], scheinbar ohne Möglichkeit, die | |
| Situation vor Ort selbst in Augenschein zu nehmen, übernahmen diese | |
| Nachricht, was in den Weltmedien ein enormes Echo fand. Der „Dschungel“ | |
| geräumt, und das in nur drei Tagen. | |
| Nur Stunden zuvor war Buccio selbst noch durch das Lager gestiefelt. | |
| Möglich, dass Rauch und Gestank der permanenten Brände dabei ihre | |
| Wahrnehmung trübten. Falls nicht, muss sie gesehen haben, dass sich dort | |
| noch Hunderte Menschen aufhielten. Vielleicht war aber auch der Wunsch der | |
| Vater ihrer Aussage. Wie dem auch sei: in einem einzigen Satz machte die | |
| Präfektin aus dem Soll- den Ist- Zustand, um sogleich einen Strich unter | |
| das Kapitel zu ziehen. Mission erfüllt. | |
| Die Konsequenzen zeigten sich noch in der Nacht: mindestens 60 | |
| Minderjährige, die keinen Schlafplatz hatten und zwischen „Dschungel“ und | |
| Abfahrtsstelle der Busse im Freien schlafen mussten. Bis nach Mitternacht | |
| waren Hilfsorganisationen damit beschäftigt, Schlafplätze für die | |
| Jugendlichen zu finden. Die deutliche Botschaft: Wenn die Chefin die | |
| Mission für erledigt erklärt, wird auch kein Handschlag mehr getan. | |
| Am nächsten Morgen folgte ein weiterer Akt dieses Desasters: Hunderte | |
| Menschen, die sich nun entschlossen, einen Bus in eines der staatlichen | |
| Zentren zu nehmen, liefen vergeblich zur Abfahrtsstelle. Es gab schlicht | |
| keine Busse mehr. | |
| Über die Räumung des „Dschungels“ kann man geteilter Meinung sein. Das | |
| Zerstören einer Behausung ist eine grobe Verletzung elementarster | |
| Menschenrechte. Auf der anderen Seite gibt es an den Lebensumständen dort | |
| rein gar nichts zu beschönigen, und das Verklären des Camps zu einem | |
| sozialen, gar utopischen Projekt ist bedenklich. Dass die Räumung | |
| allerdings solche drastischen Folgen hat und diese schulterzuckend in Kauf | |
| genommen werden, unterstreicht nur den Zynismus, der aus ihrem offiziellen | |
| Namen spricht: „Operation Bergung“. | |
| Ein Detail macht im Nachhinein stutzig: In den Presseerklärungen der | |
| Behörden wurde zuvor ein sehr konkretes Schema samt Zahl der Busse und | |
| Passagiere genannt, nach dem die Bewohner des Camps abtransportiert werden | |
| sollten. Dieses Kontingent reichte von Montag bis Mittwoch. Es scheint | |
| fast, als hätte man von Anfang an gewusst, wann der „Dschungel“ leer zu | |
| sein hat. Und wer dann immer noch darin ist, kann selbst zusehen, wie es | |
| weitergeht. | |
| 28 Oct 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Müller | |
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