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# taz.de -- Cybergewalt bei Beziehungsende: Wenn Intimes als Waffe dient
> Gewalt in Partnerschaften kann sich in der Androhung von Bloßstellungen
> äußern. Eine Konferenz in Berlin beschäftigte sich mit den Opfern.
Bild: Was hier passiert, sollte nicht zur Diffamierung genutzt werden
Saskia Werner will nicht mehr. Ihr Freund macht ihr Eifersuchtsszenen, wenn
sie sich mit Arbeitskollegen trifft. Wenn sie zum Yoga geht, spioniert er
ihr hinterher. Sie könnte dort ja eine Affäre haben. Er checkt ihr Handy
und ihren Kalender. „Ich fühle mich gestalkt“, sagt die 37-Jährige, die a…
Sicherheitsgründen in der Zeitung ihren richtigen Namen nicht nennen will.
Als die Kostümbildnerin aus Berlin ihrem Freund die Trennung ankündigt,
droht er: Wenn du gehst, stelle ich Nacktfotos von dir ins Netz. Auf
Facebook erzähle ich deinen Freunden, was für eine Schlampe du bist. Ich
veröffentliche deine Adresse und hetze dir die Russenmafia auf den Hals.
Das, was Saskia Werner erlebt, ist eine relativ neue Form von Gewalt gegen
Frauen und Angriffen innerhalb von Partnerschaften: Cybergewalt. „Sie ist
kein abstraktes Internetproblem, sondern stellt die Fortsetzung von Gewalt
im realen Raum mit digitalen Mitteln dar“, sagt Anja Kofbinger. Die Grüne
im Berliner Abgeordnetenhaus engagiert sich seit Jahren gegen Gewalt an
Frauen.
## Ein Drittel der Opfer sind PartnerInnen
Digitale Delikte wie Diffamierung, Beleidigung, Rufschädigung und
Verleumdung werden zwar gleichermaßen von Frauen und Männern begangen.
Härtere Vergehen wie Stalking, Identitätsklau, Passwortdiebstahl und das
Installieren von Spionagesoftware auf Handys und Computern hingegen werden
vor allem von Männern verübt. Studien zufolge sind 80 Prozent der Opfer
Frauen, 80 Prozent der Täter sind Männer. Ein Drittel der von Cybergewalt
Betroffener, die sich beim Brandenburger Kriminologen und Cyberexperten
Thomas-Gabriel Rüdiger melden, sind BeziehungspartnerInnen.
Trotzdem sei Cybergewalt kein breit debattiertes Thema, sagt Jennifer Wörz
vom Frauenberatungszentrum Köln auf der europäischen Konferenz [1][WAVE]
(Women Against Violence Europe). Die Konferenz, die Ende der vergangenen
Woche in Berlin stattfand, ist ein Zusammenschluss europäischer
NGO-Aktivistinnen gegen Gewalt an Frauen und Kindern. Zum 18. WAVE-Treffen
reisten diesmal auch Frauen aus China und Chile an.
## Bedrohte Frauen reagieren mit Rückzug
Im Kölner Beratungszentrum haben „wir regelmäßig mit Cybergewalt zu tun“,
sagt Sozialarbeiterin Wörz: „Aber sie wird eher als Privatangelegenheit und
nicht als gesellschaftliches Problem behandelt.“ Viele Frauen, die von
ihren Partnern und Expartnern digital bedroht werden oder Hasstiraden im
Netz gegen sich lesen, reagieren mit Rückzug: Sie schalten das Handy ab,
stellen den Computer nicht mehr an, lesen keine Facebook-Einträge mehr.
Mit einer fatalen Wirkung: Der Täter gewinnt noch mehr Macht über sein
Opfer, das sich zunehmend isoliert. Darüber hinaus verliert das Opfer den
Überblick, welche Mails, Daten und Passwörter der Täter weiterhin
abschöpft.
Hin und wieder wenden sich Opfer an Beratungsstellen. Diese raten dazu, zur
Polizei zu gehen. Die Anzeigen häufen sich, erlebt auch Kriminologe
Rüdiger. Aber mit den „Kommunikationsdelikten“, wie der Lehrbeauftragte an
der Brandenburgischen Polizeifachhochschule digitale Übergriffe nennt, sind
alle überfordert: Betroffene, Behörden, Juristen. Bei der Cyberkriminalität
werde häufig nur die technische Seite betrachtet, aber kaum die Folgen für
die Opfer.
Cybergewalt ist strafbar. Und man kann sich wehren, lautet die Botschaft
auf der WAVE-Konferenz: SIM-Karten, Telefonnummern und Passwörter wechseln,
Firewalls installieren, ExpertInnen Rechner und Handy nach Spionagesoftware
durchsuchen lassen.
23 Oct 2016
## LINKS
[1] https://www.wave-network.org/
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Cybermobbing
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Gewalt gegen Frauen
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Sexismus
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Heiko Maas
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