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# taz.de -- Kommentar Kretschmann in der „Zeit“: Der Homo als Egoist
> In einem Gastbeitrag bedient sich der Grüne Winfried Kretschmann des
> klassischen Repertoires homophober Propaganda von rechts.
Bild: Brett vorm Kopf, Herr Kretschmann?
Winfried Kretschmann, Grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg, äußert
sich zur Lage der Nation – und macht große Teile seiner Partei damit
wütend. In einem [1][Gastbeitrag für die Zeit] schreibt er dies und das
über den bröckelnden Zusammenhalt der Gesellschaft, über die AfD, über die
Versäumnisse seiner eigenen Partei. Und er fragt sich, wie mit den
Herausforderungen umzugehen sei. Einiges davon ist sinnvoll, einiges
sinnfrei und manches schlicht ätzend.
Bemerkenswert ist besonders ein Absatz, in dem Kretschmann sich über die
Lebensgestaltung von Menschen Gedanken macht. Um die Aussagen zu verstehen,
sei hier ausführlich zitiert:
„Außerdem müssen wir deutlich machen, dass die neuen Freiheiten in der
Lebensgestaltung ein Angebot und keine Vorgabe sind. (…) Es geht darum,
dass jeder nach seiner Fasson leben kann und nicht darum, traditionelle
Lebensformen abzuwerten oder die Individualisierung ins Extrem zu treiben.
Individualismus darf nicht zum Egoismus werden, sonst wird
gesellschaftlicher Zusammenhalt unmöglich. So ist und bleibt die klassische
Ehe die bevorzugte Lebensform der meisten Menschen – und das ist auch gut
so.“
Individualismus darf nicht zum Egoismus werden. Ja, kann man so sehen.
Kretschmann schließt allerdings an mit einem Lob der „klassischen Ehe“,
lässt „bestehend aus Mann und Frau“ freundlicherweise weg – endet jedoch
mit dem Wowereit-Zitat und zeigt damit deutlich, wer gemeint ist. Die
Homos.
In diesen Sätzen schwingt allerlei mit. Ein „Nun ist aber auch mal gut mit
diesem ganzen Homo-Zeugs“. Und ein „Die Ehe besteht aus Mann und Frau“.
Weiter lässt sich daraus lesen, dass Homosexuelle, Transsexuelle, Asexuelle
und alle anderen, die nicht die klassische Ehe bevorzugen, nicht nur
Individualisten sondern gar Egoisten sind. Und dass sie sich frei
entschieden haben, etwa homosexuell zu sein – und so den gesellschaftlichen
Zusammenhalt unmöglich machen.
Kretschmann bedient sich damit dem klassischen Repertoire homophober
Propaganda von rechts. Homos, die die „Verschwulung“ der Gesellschaft
vorantreiben wollen, Egoschweine sind, keine Kinder in die Welt setzen
(sollen). Dutzendfach gehört von Elsässer und Pirincci, von Evangelikalen
in Baden-Württemberg – und von der AfD. Hat nicht nur die Linkspartei
derzeit ein Problem mit der Abgrenzung nach rechts?
Herr Kretschmann, nur nochmal zur Klarstellung: Wir Homosexuelle nehmen
euch nichts weg. Wir werten euch nicht ab. Wir machen niemanden schwul oder
lesbisch. Manche von uns sind egoistisch, viele nicht. Manche sind
individuell, viele Mainstream. Manche wollen heiraten, viele nicht. Und
niemand von uns hat sich seine Homosexualität ausgesucht. Wenn das ginge:
sich frei zur sexuellen Identität zu entscheiden, würden sich viele erneut
dafür entscheiden. Und das ist ziemlich gut so.
Nachtrag: Donnerstagnachmittag veröffentliche Winfried Kretschmann auf
[2][Facebook eine längliche Klarstellung]. Er schreibt darin unter anderem,
dass er es bedauere, „dass eine Passage (…) offenbar für einige Menschen
missverständlich war“ und spricht sich für die Öffnung der Ehe auch für
gleichgeschlechtliche Paare aus. Genau darauf habe er mit dem
Wowereit-Zitat anspielen wollen.
6 Oct 2016
## LINKS
[1] https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/gr…
[2] https://www.facebook.com/WinfriedKretschmann/posts/1146779498694682
## AUTOREN
Paul Wrusch
## TAGS
Grüne
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Homophobie
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