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# taz.de -- Keine Anklage gegen Jan Böhmermann: Das ist Kunst
> Das Verfahren gegen den Satiriker Böhmermann wurde eingestellt. Sein
> Erdoğan-Gedicht „Schmähkritik“ ist durch das Grundgesetz geschützt.
Bild: Kann aufatmen: ZDF-Moderator Jan Böhmermann
Berlin taz | Artikel 5 des Grundgesetzes schlägt die Paragrafen 103 und 185
des Strafgesetzbuches (StGB). So knapp lässt sich die Begründung zur
Einstellung des Verfahrens gegen Jan Böhmermann zusammenfassen.
Doch die Staatsanwaltschaft Mainz macht es nicht knapp: Über 1.375 Wörter
streckt sich [1][die Pressemeldung der Ermittlungsbehörde], in der sie
erklärt, warum Böhmermann für sein Gedicht „Schmähkritik“ nicht zu
bestrafen ist. Allein diese Gründlichkeit zeigt, welche Tragweite der Fall
Böhmermann hat, oder besser: hatte.
Am 31. März hatte Böhmermann in seiner ZDFneo-Sendung „Neo Magazin Royale“
sein Gedicht vorgetragen. Es ging darin um den türkischen Präsidenten Recep
Tayyip Erdoğan, um dessen Klöten, ums „Ziegen ficken“, um „Fellatio mit
hundert Schafen“. Zumindest vordergründig ging es darum.
Denn das eigentliche Anliegen Böhmermanns – und darauf wies er während des
Vortrags immer wieder hin – war, dem türkischen Präsidenten, der sich kurz
zuvor furchtbar über einen Song der „extra3“-Satiriker aufgeregt hatte
(„Erdowie, Erdowo, Erdoğan“), aufzuzeigen, was Satire ist – und was eine
Schmähung. Es war quasi Satire mit Mitteln der Schmähung. „Das kann
bestraft werden und dann können auch Sachen gelöscht werden. Aber erst
hinterher“, sagte Böhmermann beispielsweise.
## Der Plan ging auf
Und so kam es dann auch: Das ZDF löschte, es gingen viele Anzeigen bei der
Staatsanwaltschaft Mainz ein. Unter anderem von Erdoğan persönlich. Der
Vorwurf: Böhmermann habe gegen Paragraf 185 StGB verstoßen. Beleidigung.
Außerdem wurde wegen Paragraf 103 StGB ermittelt: Beleidigung von Organen
und Vertretern ausländischer Staaten. Das wird allerdings nur verfolgt,
wenn „die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt“,
wie es in Paragraf 104a heißt.
Also musste Anfang April Kanzlerin Angela Merkel entscheiden, ob sie diesem
Ansinnen der Türkei nachgibt – und sie gab nach. Schließlich hatte sie das
Gedicht schon zuvor in einem Telefonat mit dem damaligen
Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu thematisiert. Die beiden „stimmten
darin überein, dass es sich dabei um einen bewusst verletzenden Text
handle“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert damals.
Das sah die Staatsanwaltschaft nicht so. Es sei nicht zu belegen, „dass der
Beschuldigte einen ernstlichen Angriff auf den personalen oder sozialen
Achtungs- und Geltungsanspruch des türkischen Staatspräsidenten billigend
in Kauf nahm“.
Das Strafverfahren ist somit erledigt. Trotzdem geht es vor Gericht weiter:
In Hamburg läuft noch ein Zivilprozess. Kläger: Erdoğan. Beklagter:
Böhmermann.
4 Oct 2016
## LINKS
[1] http://www2.mjv.rlp.de/icc/justiz/nav/634/broker.jsp?uMen=634b8385-d698-11d…
## AUTOREN
Jürn Kruse
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