# taz.de -- Autorin Elena Ferrante ist „enttarnt“: Eine gar nicht geniale R… | |
> Keine Begegnung. Keine Homestory. Keine Bilder. Nun wurde der echte Name | |
> von Elena Ferrante bekannt. Gewonnen ist dadurch gar nichts. | |
Bild: Darum geht es: um ein geniales Buch | |
Als der Roman „Meine geniale Freundin“ unter dem Namen Elena Ferrante – v… | |
dem alle wussten, dass es ein Pseudonym ist – kürzlich auf Deutsch | |
erschien, war es einmal anders als sonst. Keine „Begegnung“ mit der Autorin | |
im Restaurant. Keine Homestory. Keine gestellten Autorinnenbilder am Ort | |
der Handlung in Neapel. | |
Aber eigentlich war das mal ganz schön bei so einem Bestseller auf Ansage. | |
Man hatte alles, was man brauchte. Man hatte das Buch. Hintergründe zum | |
Buch hatte man auch. Denn die Autorin gab durchaus Auskünfte. In großen | |
Interviews, etwa in The Paris Review und im Spiegel. | |
Nun wird das alles also nachgeholt werden: all der Promi-Quatsch, mit dem | |
berühmte Autoren medial auf Formate heruntergebrochen werden. Die | |
biografische Lesart: Welche Figur wurde von welchem realen Vorbild | |
beeinflusst? Die Fragen: Wie haben Sie das gemeint, Frau Autorin? Auch die | |
Porträts: was die Autorin für Kleider trägt, was sie trinkt. | |
Das wird die Qualität der Romane nicht schmälern. Und man wäre ja naiv, | |
wenn man es nicht für möglich gehalten hätte, dass längst | |
Journalistenkollegen an so einer Entlarvung sitzen. Aber angesichts dessen, | |
was in der [1][FAS] und weltweit noch in drei anderen Publikationen als | |
„Sensation“ herausgepustet wurde, kann man durchaus eine leise Verachtung | |
des eigenen journalistischen Business empfinden. | |
Es wäre nicht nötig gewesen. Ja, wenn, wie eine Zeit lang das Gerücht ging, | |
tatsächlich ein Mann hinter dem Pseudonym gestanden hätte! Wenn eine schon | |
prominente Autorin sich getarnt hätte! Okay. Dann hätte man einen Grund | |
gesehen, das alles so hochzuhängen. Aber so? | |
## Billiger Hype | |
Hinter Elena Ferrante steht also offenbar (Bestätigungen gibt es noch | |
nicht, nur viele Indizien) die Übersetzerin Anita Raja. Was ist mit dieser | |
Erkenntnis gewonnen, außer dass man jetzt nicht mehr umständlich die Romane | |
lesen muss, um am Hype teilzuhaben? Ein bisschen ist diese Entlarvung so, | |
wie diese berüchtigten Fragen nach einer Autorenlesung sind: Haben Sie das, | |
was Sie beschreiben, eigentlich alles selbst erlebt? Gespräche über Texte | |
macht man so schnell kaputt. | |
Auf vielen Wegen und zu vielen Gelegenheiten hatte die Autorin darum | |
gebeten, ihr Pseudonym zu wahren. Schade, dass die Kollegen darüber | |
hinweggingen. | |
Richtig ärgerlich ist die Art und Weise, wie sie es taten. Der Journalist | |
Claudio Gatti ist an seine Enthüllung mit großer detektivischer Energie | |
herangegangen. Er hat sich Honorarlisten verschafft und Grundbücher | |
durchgesehen. Als ob es um die Aufdeckung eines Berlusconi-Komplotts ginge, | |
um WikiLeaks oder Mafiamachenschaften! | |
Und die FAS hat die Entlarvung jubelnd hochgezogen und mit Superlativen | |
garniert („Italiens berühmtestes Pseudonym“, die „interessante Person der | |
Literatur“). Als ob sie damit die Fackel der Aufklärung vor sich her | |
tragen! Als ob es nicht wichtiger wäre zu verstehen, warum die Romane der | |
Elena Ferrante so viele Menschen faszinieren. | |
Die ganze Sache macht schlechte Laune. | |
3 Oct 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/bestseller-die-wahre-frau-hin… | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
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