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# taz.de -- Pressefreiheit in der Türkei: Kein kurdischer Sender bleibt mehr
> Die türkische Regierung schließt diverse Radio- und TV-Sender. Laut
> Vize-HDP-Chef gibt es keinen freien Sender in kurdischer Sprache mehr.
Bild: Moderatorin Banu Guven (l.) vom ebenfalls verbotenen linken Sender IMC TV
Istanbul taz | „Es ist ein Drama“, sagte die Vertreterin von Human Rigths
Watch in der Türkei, Emma Sinclair-Webb, gegenüber der taz. „Dass die
Regierung unter Berufung auf den Ausnahmezustand nahezu alle Medien, die
auf Kurdisch senden oder sich für die kurdische Bewegung engagieren,
verboten hat, zerstört eine jahrelange kulturelle Entwicklung.“ Saruhan
Uluç, stellvertretender Vorsitzender der kurdisch-linken HDP bestätigt
diese Einschätzung. „Die Verbote bedeuten, dass ab jetzt keine unabhängigen
Sender in kurdischer Sprache mehr senden dürfen“, sagte er in einer
Erklärung.
Ende letzter Woche hatte die türkische Medienaufsicht RTÜK zunächst zwölf
TV-Stationen vom Turksat-Satelliten, über den alle Sender in der Türkei
ihre Programme ausstrahlen, verbannt. Einen Tag später kam das explizite
Verbot mehrerer TV- und Radio-Stationen.
Ein Sprecher von Van-TV, einem kurdischen Sender in Van, sagte gegenüber
der Deutschen Presse-Agentur, die Polizei habe ihr Gebäude besetzt und alle
Produktionsanlagen beschlagnahmt. IMC TV, ein kritischer linker Sender aus
Istanbul, der schon vor Monaten vom Satelliten geworfen worden war und
seitdem über Hot-Bird und im Internet sendete, wurde ebenfalls verboten.
„Wir rechnen jeden Moment damit, dass die Polizei bei uns vor der Tür
steht“, sagte ein Redakteur des Senders.
Neben den kurdischen Sendern wurde auch ein wichtiger alevitischer
Fernsehkanal, Hayatin Sesi TV, abgeschaltet. Alle diese Sender haben nichts
mit der Fethullah-Gülen-Bewegung zu tun, die angeblich für den
Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich ist, und ihre „Schließung ist ein
Signal, dass die Repressionen gegen alle kritischen Teile der Gesellschaft
zunehmen wird“, sagte Saruhan Uluç. Dazu passt auch, dass das Kabinett für
die Verlängerung des Ausnahmezustandes um weitere drei Monate votierte.
## Angriff auf die kurdische Identität
Die Schließung der kurdischen Sender ist vor allem auch ein dramatischer
kultureller Rückschritt. Denn jenseits der politischen Debatte um ein Ende
des Kampfes mit der PKK hatten sich diese Sender in den letzten 15 Jahren
zu einem Netz innerhalb der kurdischen Gebiete entwickelt, mit dem die
kurdische Identität entscheidend unterstützt wurde. Mit eigenen
Musiksendern bis hin zu kurdischen Kinderprogrammen im Fernsehen hatte sich
so im Südosten der Türkei eine kurdische Normalität im Alltag gebildet, die
nun offenbar zerschlagen werden soll.
Denn konkrete Vergehen werden den Fernseh- und Radioanstalten nicht
vorgeworfen. So wies Saruhan Uluçvon der HDP ausdrücklich darauf hin, dass
keiner der Sender in den jüngsten Medienskandal der Türkei verwickelt war.
In der letzten Woche hatte eine linke, regierungskritische Hackergruppe
„Redhack“ eine ganze Serie von E-Mails ins Internet gestellt, die
insbesondere den vorgeblich immer noch unabhängigen Dogan-Medienkonzern mit
Hürriyet als Flaggschiff in große Verlegenheit brachte. Die Mails stammen
vom iPad und vom iPhone des Energieministers Berat Albayrak und zeigen
angeblich unter anderem dessen Korrespondenz mit dem Chef der
Dogan-Mediengruppe (Hürriyet, CNN-Türk und Kanal-D) Mehmet Ali Yalcindag.
Wenn es denn stimmt, was Yalcindag bestreitet (die Mails seien ihm
untergeschoben worden und nicht von seinem Computer), haben sich da die
beiden Schwiegersöhne der beiden mächtigsten Männer der Türkei
zusammengetan. Berat Albayrak ist der Schwiegersohn von Präsident Erdoğan,
Mehmet Ali Yalcindag der Schwiegersohn des Patriarchen des Dogan-Konzerns,
Aydin Dogan. Yalcindag wurde vor eineinhalb Jahren als Chef der
Dogan-Mediengruppe, an der auch die Axel Springer AG beteiligt ist,
eingesetzt, um das Verhältnis zur Regierung zu verbessern.
Der Dogan-Konzern wird seit Jahren von Erdoğan stark unter Druck gesetzt.
Yalcindag hatte daraufhin in Mails an Albayrak nicht nur betont, wie sehr
er Erdoğan und sein Präsidialsystem unterstütze, sondern auch seine
Schwägerin Muzlat Dogan-Sabance angeschwärzt, die Hürriyet als
Geschäftsführerin leitet. Sie verhindere, so Yalcindag, dass Hürriyet einen
eher der AKP gewogenen Chefredakteur bekomme. Mehmet Ali Yalcindag trat am
Wochenende von seinem Posten zurück.
3 Oct 2016
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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