# taz.de -- Jenna Behrends über Sexismus und Politik: „Das ist nicht nur in … | |
> Die Berliner CDU-Bezirksverordnete Jenna Behrends prangert den | |
> alltäglichen Sexismus in ihrer Partei an. Dafür erntet sie Kritik – und | |
> Zuspruch. | |
Bild: Weil es 2016 ist. Frauen als „süße Mäuse“ zu bezeichnen geht nun w… | |
taz: Frau Behrends, „Oh, eine kleine süße Maus“, hat beim CDU-Parteitag d… | |
Berliner Innensenator Frank Henkel Ihre Tochter begrüßt. Und dann, an Sie | |
gerichtet: „Und eine große süße Maus.“ Wie haben Sie reagiert? | |
Jenna Behrends: Leider gar nicht. Auf so was ist man ja nicht vorbereitet. | |
Besser wäre natürlich gewesen, wenn ich Herrn Henkel offen damit | |
konfrontiert hätte. Dann hätte ich ihn gefragt, ob es tatsächlich das war, | |
was er gerade sagen wollte. | |
Sie haben Ihre Erlebnisse in der Berliner CDU im Netz veröffentlicht. | |
Überschrift: „Warum ich nicht mehr über den Sexismus in meiner Partei | |
schweigen will“. Nach allem, was Sie da beschreiben: Haben Sie sich nie | |
gefragt, ob Sie in dieser Partei überhaupt richtig sind? | |
Ich habe auf gar keinen Fall vor, hier CDU-Bashing zu betreiben. Im | |
Gegenteil, es gibt da richtig viele gute Leute. Ich habe Unterstützung | |
erfahren, ich habe einen guten Listenplatz bekommen. In meinem Ortsverband | |
haben viele Leute an mich geglaubt. Insofern möchte ich nicht über die | |
Partei als solche herziehen, auch wenn mein offener Brief an die „Liebe | |
Partei“ adressiert ist. Meine Kritik richtet sich an eine bestimmte Gruppe | |
in der Partei, die nach wie vor ziemlich dominant ist. | |
Von einem Kollegen aus dem Abgeordnetenhaus heißt es, Frank Henkel habe ihn | |
gefragt: „Fickst du die?“. Noch mal: Was stimmt nicht mit Ihrer Partei? | |
Das ist ja nicht nur er. Das sind auch die Leute, die genüsslich Gerüchte | |
über mich verbreitet haben. Von wegen, die hat was mit ihrem | |
Ortsvorsitzenden, sonst hätte der Ortsverband sie ja nie vorgeschlagen. | |
Dabei ist das eine Gremienentscheidung. Das sind die Leute, die sich | |
benachteiligt fühlen, weil sie selber nicht zum Zuge gekommen sind. | |
Sehen wir hier den schmerzhaften Vollzug eines Generationswechsels? | |
In der Berliner Landes-CDU wird vieles anders gesehen als in der | |
Bundespartei. Für meine Kritiker symbolisiere ich als junge | |
alleinerziehende Frau genau dieses andere, Modernere. | |
Hätten Sie Ihren Text auch veröffentlicht, wenn die Berliner CDU die Wahl | |
gewonnen hätte? | |
Ja, genauso. Ich habe extra bis nach der Wahl gewartet, weil ich mir nicht | |
vorwerfen lassen wollte, ich würde meiner Partei schaden. Im Gegenteil, ich | |
denke, die CDU würde sich schaden, wenn wir diese Debatte nicht führen. Ich | |
sage, wir müssen was ändern. | |
Denn ich wünsche mir, dass viel mehr Frauen bei uns mittun. Daher finde | |
ich, dass der Zeitpunkt genau richtig ist. Jetzt nach der Wahl führen wir | |
ja die inhaltlichen und personellen Debatten für die kommenden fünf Jahre. | |
In Ihrem Text schreiben Sie, Ihre Wahl auf einen aussichtsreichen | |
Listenplatz sei „auch Frauenquote“ gewesen. Wie fühlt es sich denn an als | |
Quoten-Frau? | |
Ich war eigentlich immer gegen die Quote. Ich habe gedacht, das muss nicht | |
sein, gute Frauen setzen sich schon durch. Aber jetzt habe ich erkannt, | |
dass die Quote sein muss. Weil nämlich sonst niemand auf die Idee käme, | |
wenigstens darüber nachzudenken, welche Frauen überhaupt infrage kämen. | |
Durch die Quote ging die Suche nach geeigneten Kandidatinnen überhaupt erst | |
los. Wir brauchen dringend noch ’ne Frau, so in der Art. | |
Gerade ist Kulturstaatssekretärin Monika Grütters im Gespräch als neue | |
CDU-Landeschefin. Meinen Sie, das würde etwas ändern? | |
Ich wünsche es mir sehr. Ich halte viel von ihr. Aber ich kann auch | |
verstehen, wenn sie sich nicht entschließen kann, den Job zu machen. Sie | |
kennt ja auch ihre Leute. | |
Dass man sich in der Partei hochgeschlafen habe, diese Unterstellung hört | |
man immer mal wieder auch aus queeren CDU-Zusammenhängen. Was sagt das über | |
Ihre Partei? | |
Ach kommen Sie, das ist doch nicht nur in der CDU so. Mein Handy vibriert | |
hier die ganze Zeit, ich bekomme Nachrichten von den Grünen, aus der SPD, | |
aus der FDP. Politikerinnen aus der allerhöchsten Bundesebene bedanken sich | |
bei mir für den Brief. Mitglieder sagen, sie sehen das Problem genauso auch | |
in ihrer Partei. Von daher wäre es mir lieb, wenn wir die Debatte über | |
Frauen in der Politik generell führen würden und nicht nur als CDU-Problem. | |
Was wird jetzt aus Ihnen und den Berliner Christdemokraten? Man sieht sich | |
ja immer zweimal im Leben. | |
Ich habe den Brief nicht geschrieben, um zu sagen, das war’s jetzt mit mir | |
und der Politik. Löst eure Probleme alleine. Ich bleibe natürlich weiterhin | |
Mitglied. Und ich nehme mein Mandat wahr. | |
Hat sich bei Ihnen jemand aus dem Ortsverband gemeldet und gesagt: Danke, | |
Jenna, dafür haben wir im Wahlkampf nicht Plakate geklebt und uns auf der | |
Straße anpöbeln lassen. | |
Klar. Denen sage ich, dass ich die Debatte dermaßen wichtig finde, dass ich | |
froh bin, dass sie endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die sie haben | |
sollte. Parteiintern habe ich das Sexismus-Problem schon oft angesprochen. | |
Da hat sich gar nichts bewegt. Im Gegenteil, das wurde abgetan: „So sind | |
wir halt“. Oder: „Wenn du das schon nicht aushältst, dann wird das mit dir | |
und der Politik nichts.“ Ich weiß, dass das nicht nur mir so geht, viele | |
Frauen erleben das ebenso in anderen Orts- und Kreisverbänden. | |
Die Zentrale der Christdemokraten hat der Partei schon vor Längerem eine | |
Reform verordnet. Mehr Junge, mehr Zuwanderer, mehr Frauen. Durchlässigere | |
Strukturen, leichtere Kommunikation, Familienfreundlichkeit. In der | |
Berliner CDU scheint das noch nicht angekommen zu sein. Woran liegt das? | |
Im Programm der Bundespartei stehen viele tolle Dinge. Wenn ich mir das | |
durchlese, bin ich stolz auf meine Partei. Es ist leider noch nicht ganz | |
durchgedrungen. Ich habe erst letzte Woche in meinem Ortsverband den Antrag | |
gestellt, zusätzlich zum Sitzungsbeginn auch ein Sitzungsende festzulegen. | |
Das ist wichtig, wenn zu Hause der Babysitter wartet. Man kann Dinge | |
durchaus in anderthalb Stunden besprechen, finde ich. | |
Ihren Brief beenden Sie optimistisch. Darin heißt es: „Lasst Politiker | |
nicht über uns reden, sondern lasst uns Politikerinnen werden.“ Woher | |
nehmen Sie Ihre Zuversicht? | |
Ich habe jetzt so viele positive Rückmeldungen bekommen, das bestärkt mich. | |
Freunde, mit denen ich vorher über den Brief gesprochen habe, haben mich | |
gewarnt: „Jenna, das wird krass. Aber mach’s trotzdem.“ Diesen | |
Freundeskreis habe ich auch innerhalb der Partei. Ich möchte einfach nicht, | |
dass diese Methoden am Ende gewinnen. | |
Sie schreiben: „Die junge Frau, die bereit wäre, sich für ein kommunales | |
Ehrenamt hochzuschlafen, gibt es nur in deiner schmutzigen Fantasie.“ | |
Aber das ist doch einfach so. Ich freue mich, dass ich gewählt wurde, da | |
bin ich stolz und dankbar. Aber letzten Endes, ohne das kleinreden zu | |
wollen: Es ist Kommunalpolitik, ein Ehrenamt! Freunde von mir sagen: | |
Ehrlich, Jenna, das würde ich nicht mal geschenkt haben wollen. Dafür den | |
Vorwurf des Hochschlafens zu bekommen, so was ist einfach hart. | |
Es gibt aber auch viel Ärger, Parteifreunde distanzieren sich und versuchen | |
Sie als labile Persönlichkeit hinzustellen. Hat die große, auch mediale | |
Aufmerksamkeit nicht auch damit zu tun, dass Ihre Kritik aus einer Partei | |
kommt, von der man das nicht erwarten würde? | |
Das war nicht meine Intention. Mir wird jetzt Selbstmarketing und | |
dergleichen vorgeworfen. Aber ich habe nicht vor, nächstes Jahr für den | |
Bundestag zu kandidieren. Mir nutzt das also konkret überhaupt nicht. Das, | |
was ich gerade auch an bösartigsten Nachrichten bekomme, wird sicher nicht | |
dadurch aufgewogen, dass man mal ein Interview in der taz hat. | |
25 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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