# taz.de -- Hostelkette PodShare: Schlafen mit Maximaltransparenz | |
> Geschlecht, Alter, Herkunft, Beruf: In einem Hostel in Los Angeles sind | |
> die Informationen der anderen Gäste vor der Buchung online einsehbar. | |
Bild: Toll: soviel Platz für wenig Geld | |
Das Heilmittel gegen Vereinzelung will eine Hostelkette aus Los Angeles | |
gefunden haben: PodShare, von der Gründerin Elvina Beck als „Rettung für | |
alle Einsamen“ gepriesen, ist eine Mischung aus Jugendherberge, Airbnb und | |
Coworking-Space in lässiger Projektraum-Aufmachung. Das Besondere: Schon | |
vor dem Check-in kann der Gast online nachschauen, wer da neben ihm | |
schlafen wird. | |
Für 30 bis 50 Dollar pro Nacht – unschlagbar in der Stadt der | |
Multimillionäre – kann man sich einen sogenannten Pod mieten, eine | |
Schlafnische in einem Zimmer ohne Trennwände, in dem bis zu 18 Personen die | |
Nacht verbringen. Im Preis inbegriffen: Fernseher mit Netflix, WLAN, | |
Frühstück, Leihfahrrad. Auch Arbeitsplätze stehen den Gästen zu Verfügung. | |
Vier dieser Hostels gibt es mittlerweile in der Stadt. Nun sind | |
Massenschlafsäle erst einmal nichts Neues, und „Kapselhotels“, in denen | |
Menschen wie in Legebatterien nächtigen, kennt man in Japan schon seit den | |
späten 70ern. Doch in den PodShare-Unterkünften legt man beim Einchecken | |
das Gelübde zur kompromisslosen Geselligkeit ab. Dank eines speziellen | |
Buchungssystems ist es möglich, vorab im Internet einzusehen, mit wem man | |
Nische an Nische schlafen wird. | |
Geschlecht, Alter, Herkunft und Beruf der Gäste sind dort öffentlich, auch | |
gemeinsame Facebook-FreundInnen kann man ausfindig machen. Zur | |
zweifelsfreien Identifizierung notieren die Gäste ihre Namen direkt am | |
Bett. Gut zu wissen schließlich, ob man nicht versehentlich neben einem | |
Loser pennt. | |
## Kein Sex im Pod | |
Als soziales Modell der Zukunft feiern viele „Podestrians“, wie sich die | |
PodShare-NutzerInnen nennen, das Wohnen in der Maximaltransparenz. Auf der | |
Website gibt es eine Galerie mit Fotos von Menschen, die sich das Logo der | |
Firma haben tätowieren lassen. Allein: Alle Facetten menschlichen | |
Zusammenseins sind dann doch nicht erwünscht. Sex zum Beispiel ist auf der | |
Stube verboten. | |
Man kann die Unterkünfte als zeitgemäße Antwort auf die zunehmende | |
Wohnungsknappheit und steigende Hotelpreise sehen – oder absolut gruselig | |
finden. Neue Leute kennenlernen? Logo, aber bitte nur eine gut kuratierte | |
Auswahl. Zwangloser Schnack? Noch schöner, wenn man weiß, dass man seine | |
Zeit nicht an SchulabbrecherInnen verschwendet. Und überhaupt: keine | |
Privatsphäre, soziale Kontrolle, Optimierung des Zwischenmenschlichen | |
durch Big-Data-basierte Vorselektion: Die Neoliberalisierung des | |
Miteinanders führt dieses Hostel zur Perfektion. | |
Schön ist das für alle gutaussehenden CEOs mit spannenden Hobbys. Für die | |
nette Lehrerin aus der Kleinstadt hingegen bleibt leider nur noch der | |
zugige Fensterplatz. | |
5 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Julia Lorenz | |
## TAGS | |
Hostel | |
Los Angeles | |
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Toleranz | |
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