| # taz.de -- Digitalradio in Deutschland: Es fehlt das Killer-Feature | |
| > Schluss mit UKW? Pünktlich zur IFA wird wieder versucht, dem Digitalradio | |
| > zum Durchbruch zu verhelfen. Doch das ist gar nicht so einfach. | |
| Bild: Digitalradio? Könnte schwierig werden | |
| Eigentlich dürften wir das, was wir hören, gar nicht mehr hören. Wäre es | |
| nach den Gesetzgebern in Bund und diversen Ländern gegangen, wäre das Radio | |
| über Ultrakurzwelle (UKW) seit 2015 Geschichte. So stand beispielsweise im | |
| Telekommunikationsgesetz, dass Frequenzzuteilungen für „den UKW-Hörfunk | |
| bis spätestens 2015 widerrufen“ werden sollten. Mittlerweile ist der | |
| entsprechende Paragraf geändert worden. Denn UKW ist noch nicht Geschichte. | |
| Noch längst nicht. | |
| DAB (Digital Audio Broadcasting), das die analoge UKW hätte ablösen sollen, | |
| hat sich nicht durchgesetzt. Im Gegenteil: Der Standard, dessen Entwicklung | |
| schon 1987 begonnen hatte und dessen Einführung Anfang der 90er Jahre von | |
| der Politik beschlossen worden war, wurde zu einem Desaster. | |
| Der Oberste Rechnungshof Bayerns rechnete 2002 vor, dass zum damaligen | |
| Zeitpunkt jedes der nur 15.000 DAB-Empfangsgeräte in Deutschland mit 15.000 | |
| Euro von Bund, Ländern und EU bezuschusst worden sei. Das nennt man dann | |
| wohl ein Millionengrab. | |
| Doch in diesem Millionengrab beerdigen wollen die Länder und allen voran | |
| der öffentlich-rechtliche Rundfunk den digitalen Hörfunk nicht. Im | |
| Gegenteil: Wenn an diesem Freitag die Internationale Funkausstellung (IFA) | |
| in Berlin ihre Messetüren für alle öffnet, wollen sie einen neuen Anlauf | |
| starten, DAB endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Schaffen soll das der | |
| Nachfolgestandard: DAB+. | |
| ## Digitaler Rundfunk braucht weniger Spektrum | |
| Vergangene Woche hatte die ARD dafür zu einem Pressegespräch in Berlin | |
| geladen: Ulrich Liebenow, der Vorsitzende der Produktions- und | |
| Technikkommission der ARD und Betriebsdirektor des Mitteldeutschen | |
| Rundfunks (MDR), warb für DAB+ und stellte fest: „Die Zukunft des Hörfunks | |
| wird nicht analoges UKW bleiben.“ | |
| Warum er sich da sicher ist? In erster Linie wird diese Frage noch immer | |
| technokratisch beantwortet: Analoger Rundfunk braucht einfach ein zu großes | |
| Frequenzspektrum. „Es gibt keinen Platz für Nachrichtendienste, die | |
| Innovationsmöglichkeiten sind begrenzt. Auf lange Sicht bedeutet das den | |
| Niedergang“, schrieb Patrick Hannon, der Lobbyist der Industrie-Initiative | |
| World DAB am Dienstag in der FAZ fatalistisch über UKW. | |
| Aber wo er recht hat: Digitaler Rundfunk braucht tatsächlich weniger | |
| Spektrum und kann dennoch mehr Programme transportieren (aber wollen die | |
| privaten Anbieter überhaupt mehr Konkurrenz?). Außerdem ist die | |
| Klangqualität höher. Und: Es können zusätzliche Services übertragen werden | |
| (Bilder, mehr Text, besserer Verkehrsfunk), das Empfangsgerät braucht dafür | |
| nur ein Display. | |
| Aber all diese – nicht von der Hand zu weisenden – technischen Vorteile | |
| haben auch schon bei DAB nicht gezogen. Warum also diesmal? | |
| ## Der Weg zur Abschaltung von UKW ist weit | |
| Technikexperte Liebenow wirft Charts an die Wand: Endlich steigt die Zahl | |
| der DAB+-Empfangsgeräte in Deutschland. Gab es 2013 noch 2,7 Millionen | |
| DAB+-Geräte in Deutschland, standen 2015 schon 6,4 Millionen in den | |
| Haushalten. So steht es im Digitalisierungsbericht, den die | |
| Landesmedienanstalten jährlich veröffentlichen. | |
| Wenn am kommenden Dienstag der nächste Bericht herauskommt, wird die Zahl | |
| der DAB+-Empfänger mit Sicherheit weiter gestiegen sein. Aber: Wenn die | |
| DAB+-Geräte der Tropfen sind, ist UKW der heiße Stein. Weit mehr als 140 | |
| Millionen UKW-Radios stehen hierzulande herum und fahren in Autos hin und | |
| her. 93 Prozent der Menschen nutzen Radio via UKW, 30 Prozent übers | |
| Internet, 16 Prozent übers Fernsehkabel, 15 Prozent über Satellit – und nur | |
| gut 10 Prozent via DAB. | |
| Der Weg zur Abschaltung von UKW ist also noch weit, auch wenn nach Hannon | |
| am Donnerstag auch Dorothee Bär, CSU-Bundestagsabgeordnete und | |
| parlamentarische Staatssekretärin im Verkehrs- und | |
| Infrastrukturministerium, mit markigen Worten in der FAZ für DAB+ | |
| trommelte: „Die Befürworter eines ewigen UKW-Empfangs und den Anhängern des | |
| Internets fehlen die Argumente, die gegen die Umstellung auf Digitalfunk | |
| sprächen“, heißt es im Vorspann zu ihrem Aufruf. | |
| Das Problem: Den BefürworterInnen von DAB+ fehlen die Nutzerinnen und | |
| Nutzer. | |
| ## „20XX“ | |
| Und dass Bär explizit auf die „Anhänger des Internets“ eingeht, hat einen | |
| gewichtigen Grund, denn aus Sicht vieler ist das Digitalradio seit seiner | |
| Einführung in den 90er Jahren längst vom mobilen und stationären Internet | |
| überholt worden, was sich auch in den Nutzerzahlen zeigt. Wer zu Hause ist | |
| oder durch die Stadt geht, kann digitales Radio genauso gut übers Internet | |
| hören. | |
| Der digitale Hörfunk ist eingeklemmt zwischen Internet und UKW und kann | |
| sich nur schwerlich befreien. Denn wer digitalen Radioempfang möchte, kann | |
| ihn schon auf diversen Wegen bekommen (ohne dafür DAB+ nutzen zu müssen), | |
| und wer einfach nur sein Küchenradio laufen lässt, dem reicht derzeit der | |
| UKW-Empfang völlig aus. Es fehlt das so genannte Killer Feature. Die | |
| Marktdurchdringung bis zu Abschaltung von UKW liegt noch in ferner Zukunft. | |
| Das weiß auch ARD-Mann Liebenow, als er das nächste Chart an die Wand | |
| projiziert, darauf sind drei Phasen angeführt: Die Ausbauphase (seit 2015), | |
| in der unter anderem neue und frei werdende UKW-Frequenzen nicht mehr an | |
| Programmanbieter vergeben werden sollen und in der die DAB+-Versorgung in | |
| Deutschland die gesamte Fläche abdecken soll (momentan erreicht DAB+ nur 75 | |
| Prozent der Bevölkerung), die Migrationsphase, die beginnt, wenn mindestens | |
| 30 Prozent der verkauften Radiogeräte digitale Empfänger sind und 95 | |
| Prozent der Menschen zu Hause DAB+ empfangen können, und zuletzt die | |
| UKW-Abschaltung. | |
| Wann die beginnt? Da steht als Jahreszahl ein „20XX“ auf der Leinwand. Dass | |
| da nicht „21XX“ steht, zeigt, wie überzeugt Liebenow von DAB+ ist. | |
| 4 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürn Kruse | |
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