| # taz.de -- Nicht genügend Gefängniswärter: Personalnot sorgt für Unruhe | |
| > In Hamburg-Billwerder können Gefangene nicht ihren Arbeitsplatz | |
| > aufsuchen. Auch in Schleswig-Holstein protestieren Häftlinge für mehr | |
| > Personal. | |
| Bild: Falscher Tagesablauf: Länger als sonst mussten Gefangene der JVA Billwer… | |
| HAMBURG taz | Kein Gang zur Arbeit, dafür vorgezogener Hofgang: Für | |
| zahlreiche Insasen der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Billwerder war der | |
| gestrige Donnerstag nicht wie sonst – weil aus Sicht der Anstaltsleitung | |
| Personalnotstand herrschte. Eine Folge: Bis auf wenige Ausnahmen konnten | |
| die männlichen Häftlinge weder Weiterbildungsmaßnahmen noch die | |
| anstaltseigenen Betriebe aufsuchen, wo die allermeisten von ihnen täglich | |
| arbeiten. „Bei den inhaftierten Frauen gab es keine Einschränkungen“, sagt | |
| Thomas Baehr, Sprecher der Hamburger Justizbehörde. | |
| Der Grund: Aus Anlass des islamischen Opferfestes sei am Nachmittag der | |
| türkische Generalkonsuls zu Besuch gekommen. „Man kann nicht alles auf | |
| einmal haben“, sagt Baehr. Deshalb seien Freistunde und Hofgang der | |
| Häftlinge auf den Vormittag gelegt und die Arbeit eingestellt worden. „Das | |
| führt bei einzelnen Gefangenen zu Verärgerungen.“ Allerdingst entgeht den | |
| Betroffenen durch einen entfallenden Arbeitstag auch der Lohn; je nach | |
| Bundesland können sich JVA-Insassen zwischen 7,60 und 12 Euro pro Tag | |
| verdienen. Der Umschluss auf den Stationen, also eine der wenigen Optionen | |
| der Freizeitgestaltung, sei am Nachmittag aber gewährleistet gewesen, sagt | |
| Baehr. | |
| Anders war das in der vergangenen Woche bei den Untersuchungshäftlingen in | |
| Billwerder: Die gemeinsamen Freizeitaktivitäten mussten teilweise ausfallen | |
| – wiederum begründet mit akutem Personalmangel. Insassen berichten: „Es gab | |
| die Möglichkeit, am Freigang im Hof teilzunehmen oder sich alternativ in | |
| der Zelle einschließen zu lassen. | |
| Behördensprecher Baehr widerspricht Vermutungen, dass die Maßnahme auch ein | |
| Protest des Vollzugsaparats gewesen sein könte: Hamburgs Justizsenator Till | |
| Steffen (Grüne) werkelt derzeit an einem Resozialisierungsgesetz, das | |
| Gefangene auch durch Vollzugslockerungen besser auf die Freiheit | |
| vorbereiten will. | |
| Stößt der Grüne damit auf wenig Zustimmung im konservativen Lager, übt | |
| andererseits auch die Linke Kritik: „Es ist ein richtiger Ansatz, um den | |
| Verwahrvollzug zu überwinden und die Resozialisierung zu stärken“, sagt der | |
| justizpolitische Sprecher von deren Bürgerschaftsfraktion, Martin Dolzer. | |
| Er beklagt aber, dass im Haushaltsplan keine zusätzlichen Mittel für | |
| Personal eingeplant seien. | |
| Senator Steffen hofft neben Umstrukturierungen auch durch Kooperation mit | |
| Schleswig-Holstein die vorhandenen Ressourcen besser nutzen zu können. | |
| Ausgerechnet im dortigen Neumünster indes hat die Personalknappheit in der | |
| JVA sogar zu einer Aktion des „kollektiven Ungehorsams“ geführt: 32 | |
| Häftlinge weigerten sich am Mittwoch voriger Woche, nach dem Freigang in | |
| ihre Zellen zurückzukehren. Von „passivem Widerstand“ sprach der | |
| stellvertretende Anstaltsleiter Jens Helbig. Laut dem Kieler | |
| Justizministerium war die Situation „nach 25 Minuten“ geklärt. | |
| Hintergrund ist das neue Strafvollzugsgesetz, das seit 1. September | |
| Erleichterungen für Häftlinge vorsieht: Sie dürfen private Kleidung tragen | |
| und müssen sich nur noch zu bestimmten Zeiten – und zwischen 20.30 Uhr und | |
| 7 Uhr früh – einschließen lassen. | |
| Der Vollzug tut sich schwer damit, diese Neuerungen auch umzusetzen. Man | |
| sei „personell, organisatorisch und baulich kaum in der Lage, diese | |
| Erleichterungen zu ermöglichen“, sagt Thorsten Schwarzstock, Landeschef der | |
| Fachgruppe Justiz bei der Gewerkschaft der Polizei. „Deshalb kam es in | |
| Neumünster zu der absurden Situation, dass die Häftlinge auf dem Hof auch | |
| mehr Justizbeamte forderten.“ | |
| Von grundsätzlichem Mangel wollte die Chefin der JVA Neumünster, Yvonne | |
| Radetzki, gegenüber dem Flensburger Tageblatt nicht sprechen. Sie räumte | |
| aber ein: „Tage mit hohem Krankenstand beim Personal und vielen | |
| Vorführungen bei Gerichten oder Ärzten können den Betrieb einer Anstalt | |
| schon mal lahmlegen.“ Das Kieler Ministerium gab sich zuletzt | |
| zuversichtlich, das Problem durch neue Schichtpläne zu bewältigen. | |
| 15 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Kai von Appen | |
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