# taz.de -- Überbelegung in Schleswig-Holsteins Gefängnissen: Wenn im Knast k… | |
> Schleswig-Holstein hat zu wenig Haftplätze, Probleme mit | |
> menschenunwürdiger Überbelegung und will zwei Gefängnisse schließen. In | |
> Hamburgs Gefängnissen wäre genug Platz, aber Kiel winkt ab. | |
Bild: Eng, wenn auch ohne Innen-Latrine: Zwei-Mann-Zelle in der JVA Neumünster. | |
HAMBURG taz | In Schleswig-Holstein fehlen Haftplätze für Männer und 46 | |
Zellen in der JVA Lübeck sind mit insgesamt 92 Insassen überbelegt. Dennoch | |
sollen zwei der fünf Gefängnisse in Schleswig-Holstein geschlossen werden. | |
"Alle Alternativen zu einer Schließung wurden geprüft und sind nicht | |
umsetzbar", sagte Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos) am Mittwoch im | |
Landtag. | |
Schmalfuß will die kleineren Gefängnisse in Flensburg und Itzehoe 2013 | |
beziehungsweise 2020 schließen und durch die Stilllegung binnen zehn Jahren | |
24 der landesweit 887 Stellen im Justizvollzug abbauen. Gleichzeitig sollen | |
die Haftanstalten in Lübeck, Neumünster und Kiel modernisiert werden, | |
beispielsweise neue Sportanlagen bekommen. Anlass für die erneute Debatte | |
im Landtag war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu | |
verfassungswidrigen Unterbringung in Haftanstalten wie der JVA Lübeck | |
(siehe Kasten), das die Überbelegung in Schleswig-Holsteins Gefängnissen | |
noch mal deutlich machte. | |
Für Schmalfuß ist das Karlsruher Urteil "kein Aspekt, der eine Neufassung | |
der Schließungsentscheidung notwendig macht". Ministeriumssprecher Oliver | |
Breuer verwies auf freie Plätze im offenen Strafvollzug. In der kommenden | |
Woche werde mit den Anstaltsleitern darüber diskutiert, wie diese | |
Möglichkeit stärker genutzt werden könne. | |
"Die Schließung des Untersuchungsgefängnisses Flensburg ist blinder | |
Aktionismus", sagt Thorsten Schwarzstock, Regionalgruppenvorsitzender der | |
Gewerkschaft der Polizei Schleswig-Holstein. "Flensburg ist | |
Landgerichtsbezirk und ohne angeschlossene JVA müsste ein Häftling | |
begleitet von zwei Beamten jeden Tag aus einer der anderen Haftanstalten | |
zum Prozess gefahren werden." Die von Schmalfuß in Aussicht gestellten | |
Einsparungen wären mit diesem Mehraufwand schnell hinfällig. Außerdem | |
bringe es nichts, freie Plätze im offenen Vollzug zu haben, wenn Haftplätze | |
im geschlossenen Vollzug fehlten. | |
Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts | |
Niedersachsen (KFN), befürwortet die Schließung der Gefängnisse in Itzehoe | |
und Flensburg, weil die Kriminalität rückläufig sei. Wenn die Stabilität in | |
den Nachbarländern erhalten bleibe, dann sei hier mit keiner Trendwende zu | |
rechnen. "Die Vergreisung der Republik fördert die sichere Gesellschaft", | |
sagt Pfeiffer. "Allein in Hamburg ist die Gewaltkriminalität in den | |
vergangenen zehn Jahren um 30 bis 40 Prozent gesunken." Auch die | |
Tötungsdelikte sind im gleichen Zeitraum um 30 Prozent zurückgegangen. Die | |
Überbelegung sei deshalb nur ein Übergangsproblem. | |
Pfeiffer schlägt für Schleswig-Holstein eine Kooperation mit Hamburg vor, | |
wo von den insgesamt 2.531 Haftplätzen derzeit nur 1.757 belegt sind. Die | |
vielen unbelegten Haftplätze in Hamburg sind ein Überbleibsel der | |
Schwarz-Schill Regierung, die im Frühjahr 2002 auf rund 200 fehlende | |
Haftplätze mit einem neuen Gefängnis in Billwerder reagierte. "Damit der | |
Kampf gegen die Kriminalität fortgesetzt werden kann, braucht Hamburg | |
dringend mehr Plätze im Strafvollzug", sagte der damalige Innensenator | |
Roger Kusch (CDU), der Sorge vor einem Anstieg der Kriminalität hatte und | |
einen Aufnahmestopp in den Gefängnissen vermeiden wollte. | |
Die vielen unbelegten Haftplätze könnte nun Schleswig-Holstein nutzen. Ganz | |
nach Bremer Vorbild: Hier hat der Haftausgleich mit Niedersachsen bereits | |
eine jahrzehntelange Tradition. "Pro Jahr bringen wir 40-60 Häftlinge mit | |
Langstrafen von mehr als acht Jahren in niedersächsischen Gefängnissen | |
unter", sagt Katrin Gellinger, Pressesprecherin des Bremer Justizsenats. | |
"Wir haben damit nur gute Erfahrungen gemacht." | |
"Was in Schleswig-Holstein aber erstmal gebraucht wird, ist eine Prognose | |
der Häftlingszahlen in den kommenden zehn Jahren", sagt Pfeiffer. "Ohne | |
diese Zahlen sollte auch in die anderen drei Haftanstalten nichts | |
investiert werden." Solche Prognosen seien schwierig, da es in den | |
vergangenen zehn Jahren immer wieder Belegungsschwankungen gab, die so | |
nicht vorhergesagt worden seien, meint Breuer. "Realistisch erscheint es, | |
von einer Belegung für die nächsten Jahre auf dem derzeitigen Niveau | |
auszugehen." Von einer Kooperation mit dem Nachbarbundesland hält Breuer | |
nichts. "Wir versuchen, die in Schleswig-Holstein bestehenden Möglichkeiten | |
zu nutzen", sagte er. | |
24 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
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