# taz.de -- Geiselnahme in JVA: Auf der Suche nach Aufklärung | |
> Ministerpräsident Torsten Albig stellt sich nach der Geiselnahme in der | |
> JVA Lübeck vor dem Innenausschuss vor seine Justizministerin. | |
Bild: Stellt sich hinter seine Justizministerin: Ministerpräsident Thorsten Al… | |
KIEL taz | Viele aufgeregte Fragen und ein betont ruhiger | |
Ministerpräsident: Er lasse sich nicht wie ein „Hansel“ behandeln, sagte | |
Torsten Albig (SPD) am Mittwoch vor dem Innen- und Rechtsausschuss des | |
Landtags. | |
Die Opposition versuchte, Albig in die politische Verantwortung für einen | |
Vorfall zu nehmen, von dem der Ministerpräsident nach eigener Aussage aus | |
der Zeitung erfuhr: die Geiselnahme im Lübecker Gefängnis an Heiligabend. | |
Nach der gestrigen Sitzung blieben beide Seiten bei ihrer Meinung. Für Axel | |
Bernstein (CDU) war es ein „Unding“, wie Albig sich äußere. Ekkehard Klug | |
(FDP) sieht „politische Fehleinschätzungen“. | |
Die Regierungsfraktionen und auch die Justizministerin Anke Spoorendonk | |
(SSW) halten das für eine überflüssige Skandalisierung: „Es geht nicht um | |
Krisenmanagement, sondern um die Deutungshoheit. Allmählich ist das Ende | |
der Fahnenstange erreicht“, sagte Spoorendonk. Simone Lange (SPD) ätzte: | |
„Wir beschäftigen uns zum dritten Mal mit dem Thema – was trägt das zur | |
Sachaufklärung bei?“ | |
Unstrittig ist, dass vier Insassen der JVA Lübeck an Heiligabend in ihrer | |
Zelle einen Wärter überwältigten. Zwei der Häftlinge flohen mit der Geisel | |
eine Treppe hinunter, weitere Wärter beendeten den Ausbruchsversuch binnen | |
einer Viertelstunde. | |
Einer der Wärter kam mit einer gebrochenen Rippe ins Krankenhaus. Einige | |
der Vollzugsbeamten werden noch wegen der psychischen Folgen des Vorfalls | |
behandelt und das Land kümmere sich zu wenig um sie, bemängelten | |
Oppositionsvertreter. | |
Die Hauptkritik entzündet sich aber daran, dass nach der Tat weder die | |
Polizei noch die Staatsanwaltschaft informiert wurden. Auch die | |
Justizministerin erhielt erst spät Meldung von dem Vorfall. Hinter | |
vorgehaltener Hand wird ein Grund genannt: Die Gefahr war gebannt und es | |
war schließlich Weihnachten. | |
Spoorendonk stellte sich hinter die Gefängnisleiterin Agnete Mauruschat, | |
die habe korrekt gehandelt. Ein Mitarbeiter der JVA schrieb an den | |
Ministerpräsidenten, Mauruschat „legt mehr Wert auf Freizeitgestaltung der | |
Gefangenen als auf die Sicherheit in der Anstalt“. | |
Juristisch interessant ist die Frage, ob Mauruschat tatsächlich gegen | |
Regularien verstoßen hat. So zitierte die CDU einen Alarmplan, den das | |
Ministerium als geheim deklariert hat und aus dem hervorgeht, dass bei | |
jeder Straftat die Polizei gerufen werden müsse. | |
Spoorendonk beharrte dennoch darauf, dass die Leiterin ordnungsgemäß | |
vorgegangen sei. Erst Ende vergangener Woche enthob sie Mauruschat ihres | |
Postens, ein Disziplinarverfahren läuft. | |
Zu diesem Zeitpunkt ermittelte bereits die Staatsanwaltschaft Lübeck gegen | |
die JVA-Chefin. Anfang der Woche leitete die Behörde ein Verfahren gegen | |
Mauruschat ein: Es besteht der Verdacht einer Strafvereitelung. Da die | |
Polizei nicht informiert wurde, konnten nicht sofort Beweise gesichert | |
werden. | |
So ist etwa unklar, ob die Häftlinge betrunken waren. Spoorendonk erklärte | |
vor dem Ausschuss, alle offenen Fragen werden geprüft. Eine Verordnung, | |
nach Vorfällen in Gefängnissen sofort die Polizei zu rufen, habe das | |
Ministerium bereits erlassen. | |
Torsten Albig wies den Vorwurf zurück, er habe sich zu spät und zu wenig | |
eingemischt: Er fühle sich durch seine Ministerin gut informiert, Grund zum | |
Eingreifen gab es nicht. Lars Harms (SSW) fügte hinzu: „Es ist nicht der | |
Job des Ministerpräsidenten, sich ein Cape überzuziehen und von Krisenherd | |
zu Krisenherd zu reisen.“ | |
5 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Esther Geisslinger | |
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