# taz.de -- Keime in der Uni-Klinik Lübeck: Nochmal in die Spülmaschine | |
> Unsauberes OP-Besteck sorgt im UKSH Lübeck für Ärger. Das | |
> Gesundheitsministerium ist alarmiert, trägt laut Verdi jedoch selbst | |
> schuld am Spardruck. | |
Bild: Sicherheit heißt an der Uni-Klinik in Lübeck, dass auch mal eine OP ver… | |
Kiel taz | Das Ärzte-Team stand bereit, der Patient lag bereits in Narkose | |
– aber es fehlte an sauberem OP-Besteck. Gleich vier der sterilen Siebe mit | |
Schere, Tupfer und Skalpell, die für den Eingriff bereitstanden, wies der | |
Operateur wegen Mängeln zurück. Am Ende wurde der Patient geweckt und der | |
Eingriff verschoben. | |
Der Fall, der sich im Mai im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) | |
in Lübeck ereignete, war ein „Super-GAU“, wie UKSH-Vorstand Jens Scholz bei | |
einem Pressetermin Anfang September einräumte. Offenbar gab es seit Mai | |
mehrfach Probleme mit unsauberen Instrumenten; zuletzt schaltete sich das | |
Gesundheitsministerium ein. Die Gewerkschaft Ver.di beklagt die hohe | |
Arbeitsbelastung und den Spardruck im landeseigenen Krankenhaus. | |
„Dass Siebe aus dem OP zurückgeschickt werden, ist nicht ungewöhnlich, | |
sondern betrifft jedes Krankenhaus“, teilt UKSH-Sprecher Oliver Grieve mit. | |
Allein am Standort Lübeck würden jährlich rund 90.000 solcher „Einheiten“ | |
mit sterilem Material aufbereitet. Nur bei 0,6 Prozent würden Mängel | |
entdeckt. „Wir liegen deutlich unter dem Bundesschnitt“, sagt Grieve. | |
Gründe, warum ein OP-Team Material zurückweist, könnten defekte | |
Verpackungen, unvollständig bestückte Siebe oder nicht funktionsfähige | |
Instrumente sein. Und ja: Zwischen Mai und Juni habe sich die Zahl der | |
Reklamationen auf fast ein Prozent erhöht. Als Gründe nennt das Klinikum, | |
dass es einerseits mehr Operationen, andererseits eine hohe | |
Personalfluktuation in der Sterilgutabteilung gab. Gefahr für die Patienten | |
habe nicht bestanden. | |
## Laut Verdi ist die Landespolitik schuld | |
Das bestätigt das Landesamt für Soziale Dienste, das nach Bekanntwerden der | |
Fälle das UKSH kontrollierte. In den Sieben selbst zeigten sich keine | |
Mängel, allerdings fiel während der Begehung auf, dass einige | |
Desinfektionsgeräte nicht der Norm entsprachen. Beim Verpacken der | |
Operationsbestecke ging nicht alles nach Standard zu, und es wurden | |
Roststellen gefunden, wenn auch nicht an den Instrumenten selbst, sondern | |
an sogenannten „Einschubwagen“, mit denen Bestecke transportiert werden. | |
Das Sozial- und Gesundheitsministerium ist alarmiert. „Ich erwarte wie | |
bisher von der Klinikleitung, dass alle festgestellten Schwachstellen | |
zeitnah beseitigt und die von uns erteilten Auflagen umgesetzt werden“, | |
sagte Ministerin Kristin Alheit (SPD) und kündigte an: „Wir werden sehr | |
engmaschig kontrollieren, damit die zu Recht hohen Qualitätsstandards | |
eingehalten werden.“ Unter anderem müsse jederzeit gesichert sein, dass | |
ausreichend Fachpersonal vorhanden ist. | |
„Die Landespolitik fordert hier die Abstellung von Mängeln, die sie | |
ursprünglich selbst verursacht hat“, sagt Steffen Kühhirt von der | |
Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Der Fachbereichsleiter für die Sozial- | |
und Gesundheitsbranchen begleitet das UKSH seit Jahren und sieht mit Sorge, | |
wie der Spardruck auf dem größten Krankenhaus des Landes lastet. | |
## UKSH ist hochverschuldet | |
Im Jahr 2009 wurden Serviceleistungen – darunter die Sterilgutabteilungen – | |
ausgelagert. „Einzig wegen der erhofften Ersparnis “, sagt Kühhirt. Doch | |
nun mache sich der Kostendruck in der gesamten Prozesskette bemerkbar und | |
die Zuständigkeiten seien unklar. | |
Gewerkschaftler Kühhirt begrüßt die deutliche Reaktion des Ministeriums, | |
kritisiert aber ein ähnliches Muster wie bei der „Keim-Krise“ Anfang 2015 | |
im Kieler Campus des Klinikums: „Es muss offenbar erst etwas passieren, | |
bevor Mängel beseitigt werden.“ Aber solche Fälle würfen ein schlechtes | |
Licht auf ein Krankenhaus, irgendwann gehe die Glaubwürdigkeit verloren. | |
Und: „Der Kostendruck ist nicht weg.“ | |
Das UKSH verspricht Abhilfe. Es wurden Arbeitskräfte ausgebildet und die | |
Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf 53 erhöht. Aber die hoch | |
verschuldete Klinik hat sich auch verpflichtet, ab 2017 eine „schwarze | |
Null“ zu erwirtschaften. Im Gegenzug will das Land die Schulden der Klinik | |
übernehmen. | |
6 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
## TAGS | |
Lübeck | |
Krankenhäuser | |
Keime | |
Uni | |
Klinik | |
Universitätsklinikum | |
Ärzte | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit am Uniklinikum Schleswig-Holstein: Durchsichtige Arbeitskittel | |
Pflegekräfte am Uniklinikum Schleswig-Holstein fordern neue, blickdichte | |
Arbeitskleidung und mehr Personal. Die Lage ist angespannt. | |
Gesundheit nach Kalender: Buhlen um Patienten | |
Das Uni-Klinikum und die private Sana-Klinik in Lübeck streiten darüber, | |
wer Schlaganfallpatienten im Notfall zuerst versorgen darf. Bisher | |
entschied der Wochentag. | |
Rettungsdienste: Streit in der Notaufnahme | |
Ein Lübecker Krankenhaus soll sich gegen die Aufnahme zweier alter | |
Patientinnen gesträubt haben. Später starb eine von ihnen dort. | |
Arzt über Berufsethos und Ökonomie: „Wir haben zu viele Krankenhäuser“ | |
Kein Arzt will seinem Patienten explizit schaden, sagt der | |
Chirurgie-Professor Stefan Post. Aber dann sind da diese Grauzonen. Und die | |
Zwänge. |