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# taz.de -- Streit am Uniklinikum Schleswig-Holstein: Durchsichtige Arbeitskitt…
> Pflegekräfte am Uniklinikum Schleswig-Holstein fordern neue, blickdichte
> Arbeitskleidung und mehr Personal. Die Lage ist angespannt.
Bild: Waschen hat in Kiel nicht geholfen: Gereinigte Kittel in der Wäscheausga…
Neumünster taz | Nackte Tatsachen im Universitätsklinikum
Schleswig-Holstein (UKSH): Pflegekräfte am Standort in Kiel berichten von
Arbeitskitteln, durch deren Material die Haut durchschimmert. Der Streit um
die Wäsche zeigt: Ein gutes halbes Jahr nach dem Streik am UKSH, bei dem
Beschäftigte mehr Stellen und Entlastung forderten, ist die Lage im größten
Krankenhaus des Landes weiter angespannt.
Bei Schichtbeginn führt der erste Weg der Beschäftigten an den Automaten,
der die Wäsche auswirft. Seit November vergangenen Jahres liefert ein neuer
Anbieter die Kittel, und seither gibt es Probleme, berichten Beschäftigte.
In einer Mail, die der taz vorliegt, beschreibt eine Pflegekraft die Lage:
„Zum einen weisen die Automaten einen derartig geringen Bestand an kleinen
Größen auf, dass ich in zwei Wochen nur einmal Kleidung in meiner Größe
tragen konnte. Doch selbst die kleinste Größe hat einen derart großen
Ausschnitt sowie Ärmeldurchmesser, dass bei Bewegung die Sicht auf
Unterwäsche oder nackte Haut frei wird.“
Doch der echte Knackpunkt ist ein anderer: „Das Material ist dermaßen
transparent, dass jegliche Art Unterwäsche detailliert sichtbar wird.“ Beim
Einsatz am Krankenbett gab es „von den Patienten spezielle Aufmerksamkeit
und sogar Ansprache“, schreibt die Pflegekraft. „Ich habe selten so
beschämt und gedemütigt gearbeitet.“
Auf Anfrage bestätigt der Personalrat in Kiel das Problem, verweist aber
für weitere Auskünfte an die Pressestelle des Uniklinikums. Die erklärt per
Mail, dass der Mangel an passender Wäsche teilweise selbst verursacht sei,
weil Personal Kittel in kleinen Größen „gehamstert“ hätte, was „rein
menschlich“ sei, siehe Klopapier-Engpässe während des Coronalockdown. Das
Material sei transparent, weil die weißen Kittel eben einfach zu neu waren:
„Fasern werden durch mehrfache Waschvorgänge erfahrungsgemäß dichter und
dadurch reduziert sich die Durchsichtigkeit.“
Klappt aber nicht so richtig, heißt es in einem internen Bericht, der der
taz vorliegt: „Der 30 Mal gewaschene Kasack war ein klitzekleines Stückchen
weniger durchsichtig, aber eigentlich immer noch durchsichtig.“
Nun – da der Fall öffentlich geworden ist – soll es Lösungen geben,
versichert die Sprecherin. So werde der Wäschelieferant zukünftig mehr
kleine Kittel liefern, zudem soll in absehbarer Zeit ein „Farbwechsel des
Kasacks vollzogen werden“. Das Personal in Kiel darf dann dunkelblaue und
damit weniger durchsichtige Kleidung tragen, ebenso wie am zweiten
UKSH-Standort in Lübeck, der schneller zur blickdichten Wäsche wechseln
durfte.
Der Streit um die Wäsche fügt sich in die Kritik ein, die UKSH-Beschäftigte
seit Längerem am größten Arbeitgeber des Landes haben. Anfang des Jahres
gab es Warnstreiks. Die Beschäftigten forderten rund 400 Stellen mehr,
sonst sei die Arbeit nicht zu schaffen. Pflegekräfte berichten von
Überlastungen, immer wieder müssten Betten gesperrt werden, weil Personal
fehle. Auch die neuen Gebäude, die in Kiel entstanden sind, hätten die Lage
eher verschärft, so die Kritik. Dabei sollten sie dank moderner Technik und
kürzerer Laufwege eigentlich für Entlastung des Personals sorgen.
Im Frühjahr hatten sich die Gewerkschaft Ver.di und das UKSH auf einen
Vertrag geeinigt, der im Detail noch weiter verhandelt wird. Die Gespräche
waren während des Corona-bedingten Lockdowns vertagt worden. Diese Zeit
hatte für die Klinikbeschäftigten eine gewisse Entlastung gebracht, da
viele Operationen zunächst verschoben wurden, heißt es aus Kreisen der
Beschäftigten. Nun steigt der Druck wieder.
„Der Fachkräftemangel trifft das UKSH genau wie jede andere Klinik
bundesweit“, so die Sprecherin. „Sämtliche Maßnahmen zur Mitarbeiterbindu…
und -gewinnung laufen kontinuierlich.“ Auch an die neuen Gebäude hätten
sich die Beschäftigten inzwischen gewöhnt, Rüstzeiten seien angepasst, wenn
Beschäftigte jetzt weitere Wege hätten. Zurück in die kleineren Räume
möchte niemand, glaubt die Sprecherin.
In der Belegschaft ist aber von Baumängeln und Fehlplanungen die Rede, die
den Alltag erschweren. Belastend sei auch, dass einige Stellen gestrichen
wurden. Dazu zählen etwa sogenannte Serviceassistentinnen, die unter
anderem kontrollieren, ob ein Lieferant die Wäsche wie bestellt anliefert.
Genau die Kräfte also, die beim Chaos um die falschen Kittelgrößen hätten
eingreifen können.
9 Sep 2020
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Universitätsklinikum
Pflegekräftemangel
Schleswig-Holstein
Arbeitsbedingungen
Streik
Schwerpunkt Coronavirus
Lübeck
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