# taz.de -- Bundeswehreinsatz im Innern: Dein Freund und Helfer in Flecktarn | |
> Noch gilt der Bundeswehreinsatz im Innern als Tabu. Doch die Union | |
> möchte, anders als die SPD, bald den Ernstfall proben lassen. | |
Bild: Fahrzeug der US-Streitkräfte in Europa fährt im Juni 2016 durch Dresden… | |
Berlin taz | Es ist eine Premiere. Am Mittwoch treffen sich | |
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Bundesinnenminister Thomas de | |
Maizière und einige Innenminister der Länder in Berlin. Gemeinsam werden | |
sie eine Übung für den Ernstfall auf den Weg bringen: Polizisten trainieren | |
mit der Bundeswehr das Szenario eines Terroranschlags in Deutschland. Die | |
Soldaten helfen dabei nicht nur mit Fahrzeugen, Gulaschkanonen oder | |
Spürhunden aus. | |
Was genau die Sicherheitskräfte proben werden, ist erst teilweise bekannt. | |
Als erste Stufe ist eine Übung der Stabsstellen geplant: Polizei und | |
Bundeswehr trainieren auf der Führungsebene, welche Alarmierungsketten im | |
Ernstfall greifen müssten. In einer zweiten Stufe sollen später auch | |
Soldaten zu einer sogenannten Vollübung ausrücken. Laut Berliner Morgenpost | |
ist geplant, dass eine Feldjägerhundertschaft Gebäude und Straßen | |
absichert. | |
Ein Plan, der innerhalb der Koalition noch für Ärger sorgen könnte: Während | |
die Union die Inlandseinsätze vorantreibt, hat die SPD Vorbehalte. „Wenn | |
die Beteiligten die hohen Hürden der Verfassung für Inlandseinsätze wahren, | |
ist gegen Übungen nichts einzuwenden“, sagt der SPD-Verteidigungspolitiker | |
Rainer Arnold. „Wenn die Union versuchen sollte, die Hürden zu senken und | |
Inlandseinsätze zur Routine zu machen, wäre das für uns aber nicht | |
akzeptabel.“ | |
Die Hürden, von denen Arnold spricht, verteilen sich über zwei | |
Grundgesetzartikel und zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Für | |
verschiedene Szenarien machen sie ganz unterschiedliche Vorgaben. | |
Der einfachste Fall ist die technische Amtshilfe. Dass Soldaten zum | |
Beispiel bei Hochwasser Sandsäcke schleppen, ist schon lange Praxis und | |
weitestgehend unumstritten. Gewalt dürfen die Soldaten in solchen Einsätzen | |
nicht anwenden. Kämpfen dürfen sie dagegen in Einsätzen nach Artikel 87a. | |
Danach darf die Regierung die Bundeswehr „bei der Bekämpfung militärisch | |
bewaffneter Aufständischer einsetzen“. Damit der Artikel greift, muss aber | |
der Bestand des Landes in Gefahr sein – einzelne Terroranschläge reichen | |
nicht aus. | |
## Autos kontrollieren und Pistole ziehen | |
Bleiben noch die Absätze 2 und 3 des Artikels 35, um die es bei den | |
geplanten Übungen voraussichtlich geht. Ihnen zufolge dürfen Soldaten die | |
Polizei bei „einem besonders schweren Unglücksfall“ unterstützen – nicht | |
nur technisch, sondern auch als eine Art Hilfspolizei mit sogenannten | |
hoheitlichen Befugnissen. Also Tätigkeiten, die eigentlich der Polizei | |
vorbehalten sind. Die Bundeswehr könnte nach dem Urteil des | |
Verfassungsgerichts von 2006 „beispielsweise gefährdete Grundstücke | |
absperren und Verkehrsregelungen treffen“. Kann heißen: Autos kontrollieren | |
und die Pistole ziehen, wenn sich ein Fahrer widersetzt. | |
Dem Urteil zufolge sind solche Einsätze grundsätzlich auch nach | |
Terroranschlägen erlaubt. Als „schwerer Unglücksfall“ gelten demnach | |
gravierende Flugzeugunglücke oder Schäden an Atomkraftwerken. Militärische | |
Waffen dürfe die Bundeswehr in diesen Fällen aber nicht anwenden. Der | |
Schützenpanzer bliebe also in der Kaserne. | |
Eine Einschränkung, die die Union lange beseitigen wollte. Als | |
Innenminister schaffte es Wolfgang Schäuble 2008 sogar, dass die SPD im | |
Koalitionsausschuss einer entsprechenden Grundgesetzänderung zustimmte. | |
Diese Verständigung des schwarz-roten Führungspersonals sorgte aber für | |
eine kleine Palastrevolution in der SPD: Die Bundestagsfraktion stellte | |
sich quer. Damit schien das Thema vom Tisch. | |
Bis im Juli 2012 das Verfassungsgericht den Fans eines Einsatzes im Innern | |
eine neue Chance eröffnete. Mit einer Neuinterpretation des Grundgesetzes | |
korrigierten die Richter einen wichtigen Punkt ihrer bisherigen | |
Rechtsprechung: Für Artikel 35 müsse ein Unfall oder Anschlag zwar | |
„katastrophische Dimensionen“ annehmen. Der Einsatz militärischer Waffen | |
wäre dann aber nicht mehr grundsätzlich verboten. | |
## Wie verheerend ist das Szenario | |
Ins neue Weißbuch der Bundesregierung zur Zukunft der Bundeswehr schrieb | |
die Union mit Zustimmung der SPD-Ministerien, Inlandseinsätze mit | |
hoheitlichen Aufgaben kämen „auch bei terroristischen Großlagen in | |
Betracht“. Solche Einsätze müssten Polizei und Streitkräfte „im Rahmen v… | |
Übungen“ vorbereiten. Genau das passiert jetzt. Zwei Fragen sind dabei | |
besonders spannend: Werden die Soldaten mit militärischen Waffen ausrücken? | |
Und wie verheerend ist das Szenario, für das sie üben werden? Anders | |
gefragt: Wie katastrophal müssen die Folgen eines Anschlags sein, damit die | |
Bundeswehr eingreifen darf? | |
„Ich kann mir wenige Szenarien vorstellen, die der Definition des | |
Verfassungsgerichts gerecht werden“, sagt die Grünen-Abgeordnete Irene | |
Mihalic. | |
Der SPD-Abgeordnete Arnold legt die Latte nur etwas tiefer: „Ein Indikator | |
ist, dass die Polizei sichtbar und nachweislich mit der Lage überfordert | |
ist. Ich denke eher an den 11. September und keinesfalls an den Amoklauf in | |
München“, sagt er. | |
Allgemeiner bleibt Thomas Strobl (CDU), Innenminister von | |
Baden-Württemberg. „Eine solche Situation könnte zum Beispiel sein: eine | |
großflächige, lang andauernde, sogar länderübergreifende Terrorlage mit | |
zeitgleich stattfindenden Terroranschlägen“, sagt er. | |
Die Hürde für einen Bundeswehreinsatz im Innern liegt also noch immer hoch. | |
Sie lag aber auch schon mal höher. | |
30 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
Pascal Beucker | |
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