# taz.de -- Kommentar Freiwillige für Geflüchtete: Mehr Geduld, weniger Adren… | |
> Seit einem Jahr schaffen wir das. Die dramatischen Bilder von 2015 sind | |
> den Mühen der Ebene gewichen. Die zu bewältigen, schafft Integration. | |
Bild: Ausbildung ist wichtig für die Integration – und kommt ohne dramatisch… | |
Es war wie eine Reise in ein anderes Land, vor einem Jahr, als Angela | |
Merkel ihren legendären Satz „Wir schaffen das“ im Fernsehen verkündet | |
hatte. Im Hangar des Flughafens Berlin-Tempelhof standen Zelte, es sah aus | |
wie in einem Katastrophengebiet. In der Kleiderkammer gaben Freiwillige | |
gespendete Jeans und Winterschuhe an die Flüchtlinge aus, die täglich zu | |
Hunderten in Berlin eintrafen. | |
Ein Hauch von Drama lag in der Luft, die Adrenalinzufuhr stieg, wozu die | |
Medienberichterstattung mit den Bildern endlos scheinender | |
Flüchtlingsströme beitrug. Es gab ein gutes Gefühl, Flüchtlingen | |
Winterkleidung zu reichen oder in einer Erstunterkunft Gemüsereis | |
auszuteilen. Ab und an schlich sich ein komisches Gefühl in den Hinterkopf: | |
Hey, ist das hier nicht auch verdammt paternalistisch? | |
Die Frage ist immer noch da, aber sie stellt sich neu. Denn in der | |
Freiwilligenarbeit sind andere Zeiten angebrochen. | |
Die Grundversorgung, die Freiwillige leisteten, weil der Staat versagte, | |
spielt zwar stellenweise immer noch eine Rolle. Aber entscheidender werden | |
jetzt die Einzelfallhilfen im Alltag mit seiner Bürokratie. Dazu gehört | |
die Unterstützung bei der Suche nach einer Lehrstelle, nach einer Wohnung, | |
die regelmäßige individuelle Nachhilfe in Deutsch. | |
Es erzeugt keine sichtbaren dramatischen Bilder, sich den Hintern platt zu | |
sitzen als BegleiterIn für einen Flüchtling, der einen Termin beim | |
Jobcenter hat. Man braucht Geduld, um regelmäßig mit einem oder einer | |
Geflüchteten Dativ, Akkusativ, Artikel und Konjugationen im Deutschen zu | |
üben, damit er oder sie eine Chance auf einen Ausbildungsplatz hat. Es kann | |
frustrierend sein, Flüchtlinge zur Wohnungssuche zu begleiten. Erfolge | |
lassen manchmal auf sich warten, Adrenalinkicks gibt es nicht, die | |
Hilfeleistungen sind mühsam – aber sie entscheiden darüber, ob der oder die | |
Geflüchtete es schafft, sich hier langfristig eine Existenz aufzubauen. | |
Und es gibt ein Problem: Viele dieser Freiwilligenjobs müssten eigentlich | |
von bezahlten Kräften ausgeübt werden. Denn die Gefahr, dass ein Flüchtling | |
von der Gutwilligkeit seines persönlichen Paten oder seiner Patin abhängig | |
wird, die ist da. Freiwilligenarbeit kann kein Ersatz für öffentliche | |
Hilfen sein. Sonst mündet sie in einen neuen Paternalismus. | |
30 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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