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# taz.de -- Die Turk-Stream-Pipeline: Wiederbelebte Ausweichlösung
> Ein wichtiger Punkt der russisch-türkischen Vereinbarungen betrifft den
> Energiebereich. Doch die Pipeline-Pläne wirken überholt.
Bild: Handschlag drauf: Die Staatschef Erdoğan und Putin in Sankt Petersburg
Moskau taz | Ein Bündnis mit Moskau könne kein vollwertiger Ersatz für
Ankaras Allianz mit dem Westen sein. Millionenfach sei das Land mit EU und
den USA verbunden, schrieb das russische Boulevardblatt Moskowskij
Komsomolez am Tag nach der Versöhnungsvisite Recep Tayyip Erdoğans bei
Kremlchef Wladimir Putin. Eine nüchterne Stimme, die dem restlichen Chor
geopolitischer Claqueure eine realistische Kosten-Nutzen-Analyse
entgegenhielt.
In St. Petersburg waren am Vortag Absichtserklärungen im Dutzend verkündet
worden. Die Aufhebung des Importstopps für türkisches Obst und Gemüse soll
bis Jahresende verfügt werden. Visabeschränkungen für Türken und das
Arbeitsverbot für türkische Baufirmen sollen aufgehoben werden.
Pauschaltouristen könnten den Altweibersommer wieder an der türkischen
Riviera verbringen, Charterflüge die Urlaubsziele wieder anlaufen.
Vollmundige Absichtserklärungen, die Präsident Putin jedoch mit dem
Vorbehalt versah, die Wiederbelebung der Beziehungen ließe sich nicht im
Hauruckverfahren vollziehen.
Der türkische Präsident hatte es eiliger. Im Energiebereich wartete er mit
dem Vorschlag auf, das Projekt der Turk-Stream-Gaspipeline wiederzubeleben.
Fraglich, ob es dazu kommen wird. Turk Stream war nämlich bereits eine
Ausweichlösung für die eingestellte South-Stream-Trasse, die durch das
Schwarze Meer nach Bulgarien führen und ebenfalls die Ukraine als
Transitland umgehen sollte. Das Vorhaben scheiterte jedoch am Einspruch der
EU, das Gazproms Doppelfunktion als Netzbetreiber und Gaslieferant
monierte. 2014 sprang die Türkei dafür in die Bresche.
Das Projekt war unterdessen schon vor dem russisch-türkischen Zerwürfnis
ins Stocken geraten – also vor dem November 2015, als die Türkei einen
russischen Militärjet im syrisch-türkischen Grenzgebiet abschoss. Ankara
verlangte nämlich Preisnachlässe, die Gazprom nicht einräumen wollte.
„Fundamentale Widersprüche“ hätten sich bereits im Sommer 2015 aufgetan,
meinte der russische Ex-Energieminister Wladimir Milow in der Zeitung RBK.
Unklar ist auch, wie das Gas von der türkisch-griechischen Grenze zu den
europäischen Verbrauchern gelangen sollte.
## Im Zweifelsfall doch die Nordverbindung
Der Bau einer Süd-Nord-Pipeline in den Westbalkan und nach Italien ist
dafür nämlich nötig. Allerdings hatte Italien in der Zwischenzeit den
Verbrauch russischen Gases durch Importe aus Nordafrika und Norwegen
bereits auf 43 Prozent heruntergefahren. Das war auch einer der Gründe,
warum das Turk-Stream-Projekt von vier auf zwei Stränge runtergekürzt
wurde. Seit Kurzem erwächst der südlichen Versorgungstrasse Konkurrenz
durch die Planung der zweiten Ostseepipeline „Nordstream 2“. Im Unterschied
zur Türkei zahle Deutschland, ohne viel zu feilschen, sagte Milow. Daraus
lässt sich entnehmen, dass Gazprom im Zweifel die Nordverbindung vorziehen
würde. Am liebsten wäre es den Russen jedoch, zum kostengünstigeren South-
Stream-Vorhaben an die bulgarische Küste zurückkehren.
Vor dem Hintergrund sinkender Exporteinnahmen aus dem Gasverkauf und dem
Überangebot an Transportmöglichkeiten haftet der Geopolitik mit Röhren
etwas Archaisches an. Den Europäern dürfte nicht verborgen geblieben sein,
dass auch die Abnahme im postsowjetischen Raum stagniert.
11 Aug 2016
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Wladimir Putin
Recep Tayyip Erdoğan
Pipeline
Gazprom
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Energie
Russland
Schwerpunkt Türkei
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