# taz.de -- Kommentar BGH-Urteil zu Intersexualität: Rosa, hellblau – nichts? | |
> Der Bundesgerichtshof kennt nur zwei Geschlechter. Das bleibt weit hinter | |
> humanistischen Ansprüchen und wissenschaftlichen Empfehlungen zurück. | |
Bild: Die dritte Option soll Intersexuellen verwehrt bleiben | |
Im Klamottengeschäft. In der Schwimmbad-Umkleide. Beim Flug-Buchen. Immer | |
wieder stellt sie sich, die Frage: Bist du Mann oder Frau? Eine Frage, die | |
Schätzungen zufolge etwa 80.000 Menschen in Deutschland nicht beantworten | |
können. Sie sind intersexuell, ihre Körper weisen Merkmale beider | |
Geschlechter auf. | |
Am Donnerstag [1][entschied der Bundesgerichtshof (BGH)], der Eintrag | |
„inter“ oder „divers“ im Geburtenregister sei nicht zulässig. In der | |
Begründung hieß es, das Familienrecht gehe von einem zweipoligen | |
Geschlechtersystem mit Mann und Frau aus. Das mag so sein – aber das | |
Familienrecht liegt damit falsch. Die Wissenschaft geht von 4.000 Varianten | |
geschlechtlicher Differenzierung aus. Die Botschaft, die Gesetzgeber und | |
BGH dadurch an intersexuelle Menschen senden: Ihr habt in dieser | |
Gesellschaft keinen Platz. | |
Daran ändert nicht, dass es seit 2013 durchaus eine dritte Option gibt. | |
Seitdem ist es möglich, das Geschlecht gar nicht im Personenstandsregister | |
zu verzeichnen. Für Intersexuelle bedeutet das: Mann, Frau – oder eben gar | |
nichts. Aber 80.000 Menschen sind nicht gar nichts, und schon gar nicht | |
sind sie falsch so, wie sie sind. Sie sind Menschen, die irgendwo zwischen | |
den von uns festgelegten Kategorien „männlich“ und „weiblich“ stehen. | |
2012 empfahl der Ethikrat mit Blick auf das Persönlichkeitsrecht, dass „bei | |
Personen, deren Geschlecht nicht eindeutig feststellbar ist, neben der | |
Eintragung als ‚weiblich‘ oder ‚männlich‘ auch ‚anderes‘ gewählt … | |
kann.“ Und es geht um mehr als nur die Anerkennung auf dem Papier. | |
Bis in die 2000er Jahre hinein wurden etwa 90 Prozent der Intersexuellen | |
operiert, also an eines der beiden Normgeschlechter angepasst. So, wie ein | |
Mensch auf die Welt kommt, darf er offenbar nicht sein – es sei denn, er | |
entspricht dem gesellschaftlichen Standard. Der Ethikrat empfahl 2012 | |
übrigens, zu prüfen, ob eine „Eintragung des Geschlechts im | |
Personenstandsregister überhaupt noch notwendig ist.“ | |
5 Aug 2016 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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