# taz.de -- TTIP-Tagebuch aus Brüssel: Audienz bei den Chefunterhändlern | |
> Einmal in jeder Verhandlungsrunde empfangen die Unterhändler Lobbyisten | |
> und NGO-Vertreter. Fünf Minuten Zeit haben diese, um ihre Wünsche | |
> vorzutragen. | |
Bild: Protest gegen das Freihandelsabkommen TTIP in Amsterdam | |
BRÜSSEL taz/correctiv | Einmal pro Verhandlungsrunde öffnen die Verhandler | |
ihre schwer bewachten Türen für Verbände und Vereine. In der Schlange vor | |
der Sicherheitsschleuse stehen ein Gewerkschafter aus Schweden, ein | |
Vertreter der US-Handelskammer, eine SPD-Abgeordnete aus | |
Mecklenburg-Vorpommern und ein Mitglied des französischen Nationalrates für | |
Milchproduzenten. Es sind bestimmt 200 Lobbyvertreter, vom Bund der | |
Deutschen Industrie bis Greenpeace. Sie alle wollen die TTIP-Verhandler | |
davon überzeugen, wie ein Abkommen aus ihrer Sicht gestaltet werden soll. | |
Oder warum es sofort abgebrochen werden muss. | |
Dafür haben sie jeweils fünf Minuten Zeit. Eine Art Speed Dating für oder | |
gegen den Freihandel. Die Vertreter der Autoindustrie dürfen anfangen und | |
stellen eine Studie vor, in der lauter Vorteile von TTIP für die Autobauer | |
beschrieben werden. Ein EU-Verhandler fragt, ob da denn auch errechnet | |
wurde, was der Kunde am Ende spart. „Nein, darüber gibt es keine | |
Erkenntnisse,“ gibt der Autovertreter kleinlaut zurück. Aber die Effekte | |
seien enorm, schätzt er. | |
Ändern die Verhandler ihre Meinung nach diesen Treffen, frage ich einen | |
US-Unterhändler. Wir prüfen unsere Positionen jedes Mal mit den Kommentaren | |
der Verbände ab, sagt er, obwohl er eigentlich gar nichts sagen darf. | |
In Raum Drei geht es jetzt zwischen der Vertreterin von Greenpeace und den | |
beiden Chefverhandlern kontrovers zu. „Das Kapitel zur Nachhaltigkeit ist | |
oberflächlich. Im Gegensatz dazu werden die Industrien hart geschützt,“ | |
sagt Susan Cohen von Greenpeace. „Nein,“ sagt der US-Chefverhandler, „wir | |
tun alles, damit TTIP ein starkes Umweltkapitel bekommt.“ | |
Besonders sensibel reagieren die Europäer auf ihre regional geschützten | |
Produkte: Champagner, Feta, Bayrisches Bier. Über Brie-Käse aus Frankreich | |
entfacht sich ein Streit in Raum Zwei. Ein Amerikaner schlägt dem Vertreter | |
des französischen Milchrates vor, er könne seinen Brie doch als Marke | |
eintragen lassen. Hier treffen Welten aufeinander. Soll eine Gegend für | |
spezielle Produkte besonderen Schutz genießen oder ist das Sache eines | |
Herstellers, seinen Namen kommerziell zu schützen? Kompromisse sind nicht | |
in Sicht. | |
## Ein seltenes Ereignis | |
Die Veranstaltung ist einer der seltenen und viel zu kurzen Momente, in | |
denen aufblitzt, wie ein transparentes Verfahren aussehen könnte. Die | |
Interessen bei dem Handelsabkommen werden deutlich und die Verhandler | |
müssen ihre Positionen rechtfertigen. | |
Warum werden öffentliche Dienstleistungen nicht einfach mit einem klaren | |
Satz ausgeschlossen?, fragt Ana Feder vom europäischen Städteverband | |
Eurocities. Warum steht in TTIP nicht der Satz: Regeln zum Datenschutz sind | |
von TTIP ausgenommen?, fragt Kristina Irion vom Institut für | |
Informationsrecht der Universität Amsterdam. Die Verhandler müssen sich | |
erklären. | |
Auch die SPD ist da. Stefanie Drese hat den langen Weg aus dem Landtag in | |
Schwerin auf sich genommen. Im Gepäck hat sie die Forderung, dass es keine | |
Unsicherheit für die Kommunen geben dürfe. Ob sie Kultur fördern, | |
Sparkassen betreiben oder Umweltauflagen machen: „Wir sind für ein | |
Freihandelsabkommen, aber wir haben Prinzipien, die wir nicht aufgeben | |
werden,“ sagt Stefanie Drese in Richtung Verhandler. | |
## Ein kurzer Blick voraus | |
Mittags ist die Show schon wieder vorbei. Die Chefunterhändler geben noch | |
einen kurzen Überblick, welche Themen diese Woche auf dem Tisch liegen. Die | |
EU gibt unter anderem preis, dass sie den Amerikanern ein Angebot zu | |
Öffnung der Finanzmärkte unterbreitet hat. Die Europäer wollen das mit der | |
Bedingung verknüpfen, künftig auch gemeinsam den Finanzbereich zu | |
regulieren. Dagegen wehren sich die Amerikaner. | |
Auf dem Weg nach draußen wartet ganz zum Schluss noch ein amerikanischer | |
Verbandslobbyist auf den US-Chefverhandler. „Du schon wieder,“ sagt der | |
Chefverhandler halb im Scherz. Manche Lobbyisten sind ziemlich hartnäckig. | |
Am Donnerstag werde ich die Chefin des Europäischen Verbraucherverbandes | |
fragen, ob die Lobbymacht der Konzerne zu groß für ein | |
verbraucherfreundliches Handelsabkommen ist. | |
Den ganzen Liveblog mit Interviews und Bildern kann man auf | |
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13 Jul 2016 | |
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## AUTOREN | |
Justus von Daniels | |
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