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# taz.de -- TTIP-Tagebuch aus Brüssel: Entscheidungen stehen an
> Die Unterhändler schieben den Ball jetzt ins Feld der Politik. Martin
> Sonneborn kann den Verhandlungen keinen Sinn entnehmen.
Bild: Die ganze Woche wurde von Protesten begleitet
Brüssel taz/correctiv | Das EU-Parlament ist ein wundersamer Ort. Ich bin
am Freitagvormittag mit Martin Sonneborn verabredet. Mit ihm ist Politik
meistens lustig. Sonneborn ist ja nicht nur Titanic-Autor, er sitzt auch
für die Partei Die Partei im Europaparlament und stimmt nach eigener
Aussage immer wechselnd mit Ja und Nein ab – egal worum es geht.
Vor dem Interview trifft er zufällig den Grünen-Abgeordneten Sven Giegold
in der Parlamentslobby. „Du behauptest immer, wir erreichen hier nichts.
Aber das stimmt nicht“, sagt Giegold zu Sonneborn. Giegold kämpft mit
Anträgen für Transparenz und saubere Finanzen. Sonneborn entlarvt die
Bräsigkeit vieler Abgeordneter. Einig sind sie sich aber, dass man TTIP
fundiert kritisieren sollte, dabei aber den Freihandel nicht verteufeln
muss.
„Diese Verhandlungen sind Unsinn“, sagt Sonneborn. Das heißt nicht, dass es
auch gute Ideen in den Vorschlägen gebe. „Aber dafür braucht man kein
kompliziertes Abkommen.“
TTIP-Kritik kommt im EU-Parlament zunehmend auch von rechts: Marine Le Pen,
die AfD und auch die britische Ukip nutzen die globalisierungskritische
Stimmung für ihren Nationalismus. Stört Sonneborn diese Gemeinsamkeit in
der Ablehnung von Freihandelsabkommen? „Nur weil ein paar Spinner auch
dagegen sind, heißt das nicht, dass man seine begründete Kritik aufgeben
muss.“
## Gute Glitzerpunkte
Er fand die Glitzerattacke von Donnerstagmorgen gut: eine Gruppe Aktivisten
hatte einige Verhandler mit Konfetti und Glitzer beworfen. Die
Glitzerpunkte waren den Verhandlern noch später am Nachmittag im Gesicht
anzusehen. „Glitzer und Tortenwürfe finde ich sympathisch, das zaubert ein
Lächeln auf den Betrachter“, sagt Sonneborn.
In der Parlamentslobby gehen die ersten Politiker um 12 Uhr gen Ausgang ins
Wochenende. Mit weißem Sommerhut verabschiedet sich Hans-Olaf Henkel,
früher mal Industrievertreter, dann AfD, jetzt Alfa. Sonneborn grüßt kurze
Zeit später einen dicken Ukip-Abgeordneten, der gegen den Brexit gestimmt
hat. „Der wollte seine Diäten nicht verlieren,“ weiß Sonneborn.
Damit endet die 14. TTIP-Verhandlungswoche. Bevor die beiden
Chefunterhändler auf der Pressekonferenz am Freitagnachmittag über die
Konfliktthemen sprechen, drücken sie zunächst ihre Bestürzung über [1][die
Attacke in Nizza aus], der amerikanische Unterhändler in fließendem
Französisch.
## Jetzt müssen die Regierungen ran
Dann kommt die Ansage: Bei den großen Streitthemen müssen jetzt die
Regierungen ran. Die Verhandler arbeiten zwar an den Vertragsseiten, aber
ob die USA ihren Protektionismus aufgeben oder die EU auf den Schutz
einiger regionaler Produkte verzichtet, muss auf höchster Ebene entschieden
werden. Der europäische Chefverhändler Ignacio Bercero: „Das Abkommen kann
dieses Jahr noch abgeschlossen werden, dazu braucht es aber politischen
Willen.“
Auch sein amerikanischer Kollege unterstützt das. „Jetzt ist noch ein guter
Moment. Nach der US-Wahl würden die Verhandlungen wahrscheinlich
ausgesetzt, weil 2017 zu viele andere Wahlen stattfinden.“ Im europäischen
Superwahljahr (Frankreich, Deutschland, EU-Parlament), so schätzen hier
einige, würde TTIP im Wahlkampf zerrieben.
Die Unterhändler schieben den Ball unmissverständlich ins Feld der Politik.
Jetzt müssen vor allem Deutschland und Frankreich zeigen, ob sie den
Freihandelsdeal mit den USA wollen. Sonst gibt es eine Pause. Und die kann
dauern.
Den ganzen Liveblog mit Interviews und Bildern kann man auf
[2][correctiv.org] verfolgen.
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15 Jul 2016
## LINKS
[1] /Anschlag-in-Nizza/!5323631/
[2] https://correctiv.org/recherchen/ttip/liveblog/
[3] https://correctiv.org/
## AUTOREN
Justus von Daniels
## TAGS
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EU
USA
Freihandel
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