# taz.de -- Wahl in den USA: Clinton oder Change | |
> Donald Trump gegen Hillary Clinton: Die Endphase des Wahlkampfs beginnt | |
> in den USA. Worum geht es dabei wirklich? | |
Bild: Clinton ist eine echte Washington-Insiderin | |
BERLIN taz | Niemand, sagte Barack Obama am Mittwochabend beim | |
demokratischen Nominierungsparteitag, ist je so gut auf das Präsidentenamt | |
vorbereitet gewesen wie Hillary Clinton. Jubel. In diesem einen Satz steckt | |
das ganze Dilemma der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen. | |
Das sei keine übliche Wahl zwischen rechts und links, Republikanern und | |
Demokraten, schreibt Ezra Klein auf vox.com. Vielmehr sei es eine Wahl | |
zwischen normal (Clinton) und abnormal (Donald Trump). Die Dutzende und | |
Aberdutzende von Beispielen dafür, dass Trump kein normaler Kandidat ist, | |
kennt inzwischen alle Welt. Und Hillary Clinton – ja, die ist normal. | |
Genau da liegt das Problem. Mit Unterstützung Michelle und Barack Obamas, | |
des Vizepräsidenten Joe Biden, Bill Clintons, des Ex-CIA-Chefs Leon | |
Panetta, des Milliardärs Michael Bloomberg und allerlei Kulturkoriphäen | |
versuchten die Demokraten in Philadelphia, ein positives Bild der USA zu | |
zeichnen und dies Trumps Untergangsfantasien entgegenzustellen. Sie hatten | |
den Parteitag der Republikaner in Cleveland geprägt. | |
Die USA seien jetzt schon das tollste Land der Welt, sagte Michelle Obama, | |
man solle sich nicht einreden lassen, dass es einen wie Trump brauche, um | |
„Amerika wieder groß zu machen“. Was Trump da für ein Bild gezeichnet hab… | |
sagte ihr Mann, habe nichts zu tun mit „dem Amerika, das ich kenne.“ | |
Nur: In den Umfragen sagen 70 Prozent der US-Amerikaner konstant, das Land | |
bewege sich in die falsche Richtung. | |
## Wahlkampf unter umgekehrten Vorzeichen | |
Bernie Sanders’ „Revolution“ innerhalb der Demokratischen Partei, Trumps | |
Sieg bei den Republikanern – das sind mehr als deutliche Zeichen, dass | |
immer mehr Menschen an einer Politik des „Weiter so!“ kein Interesse mehr | |
haben. Und dass die Kritik am „Establishment in Washington“ inzwischen | |
tiefer geht als bisher. | |
Neu ist das Thema nicht: Schon Barack Obama war damit angetreten, den | |
korrupten Politikbetrieb in Washington aufzumischen, auch Bill Clinton | |
(1992) und George W. Bush (2000) bauten ihre Wahlkämpfe nicht zuletzt | |
darauf auf, als Macher von außerhalb das kaputte Washington zum | |
Funktionieren zu bringen. Aber geändert hat sich wenig. Inzwischen sind all | |
ihre einst wichtigen Stabsmitarbeiter längst gut bezahlte Teile der | |
Politikmaschine, die sie zu bekämpfen vorgaben, ob nun in der Regierung, in | |
einflussreichen Think-Tanks oder Lobbyfirmen. | |
Hillary Clintons Lebenslauf gibt eine Anti-Establishment-Botschaft nicht | |
her. Ich bin da drin, ich weiß, wie es funktioniert, sagt sie, und ich | |
kämpfe für euch. Letzteres glaubt ihr nicht jeder, Ersteres schon – und das | |
ist das größere Problem. Das Feuerwerk an Starpower, das der | |
Demokraten-Parteitag zu bieten hatte, bestach zwar gegen die grauen | |
B-Promis, Trump-Angestellten, Familienmitglieder und rassistischen Hetzer | |
der Trump-Show in Cleveland – war aber gleichzeitig auch: eine | |
selbstzufriedene Feier des Establishments. | |
Ist da nicht womöglich für viele ein „unnormaler“ Kandidat ganz attraktiv? | |
## Ein Kind der Tea Party | |
Trump stützt sich auf die gleichen Phänomene wie die rechtspopulistischen | |
Parteien in Europa. Sein zur Schau getragener Nationalismus („America | |
First“), seine Abschottungsfantasien, seine offen rassistischen Kommentare, | |
seine Islamfeindlichkeit, seine Bewunderung für Russlands Präsidenten | |
Wladimir Putin – all das kennen wir hier auch, von AfD bis Front National. | |
Und selbst die angesprochenen Wählerschichten sind ähnlich: weiße | |
bildungsferne Männer, Globalisierungsverlierer, die sich durch „die | |
Systemparteien“ nicht mehr verstanden und vertreten fühlen. Der | |
Unterschied: In Europa gründen sie eigene Parteien, in den USA hat die | |
Position jetzt die Republikaner gekapert. | |
Trump bedient sich jener Grundsteine, die in den letzten zweieinhalb | |
Jahrzehnten der „konservativen Revolution“ und der Tea Party gelegt wurden, | |
benutzt das Feindbild des verkommenen Latte-macchiato-Liberalismus der | |
wohlhabenden Linksliberalen, die sich um alle möglichen Minderheiten | |
kümmern und die Gesellschaft mit einer Diktatur der Political Correctness | |
unterjochen. Ihnen müsse endlich wieder das mehrheitliche, das „Real | |
America“ entgegentreten. In seiner Vorstellung also das weiße, männliche, | |
ländliche. Rückwärts immer. | |
Trotz der Anknüpfungspunkte stellt Trump die Republikanische Partei auf den | |
Kopf: Bis eben noch bestand ihre Politik aus unbedingter | |
Freihandelsbefürwortung gepaart mit reaktionär-evangelikalem Unsinn und | |
dem unbedingten Willen, die Welt militärisch im Griff zu behalten. Jetzt | |
ist der Kandidat gegen Freihandel, will die USA aus der | |
Welthandelsorganisation führen, zweifelt den Sinn der Nato und der | |
weltweiten Militärbasen der USA an – die Partei schaut zu und reibt sich | |
die Augen. | |
## Palin als Schablone | |
Kein Zweifel: Am 8. November gibt es einen republikanischen Kandidaten, der | |
„Change“ verkörpert, und eine demokratische Kandidatin, die für den Status | |
quo steht. Das exakt umgekehrte Vorzeichen der Obama-Wahl 2008. | |
Ja, Obama war auch einer der belesensten, intellektuellsten und | |
eloquentesten Kandidaten der modernen US-Geschichte, während Trump | |
vermutlich der vulgärste und ungebildetste ist. Aber dass so etwas ankommen | |
kann, hat schon John McCain vorgemacht, als er 2008 Sarah Palin zu seiner | |
Vizekandidatin machte. Dass er verlor, lag weniger an ihr, mehr an | |
Vorgänger George W. Bush – und an der Anziehungskraft Barack Obamas. Palin | |
ist seither zwar ohne Amt, aber dennoch eine feste Größe republikanischer | |
Politik geblieben. Trump treibt nur auf die Spitze, was sie begonnen hat | |
und unzählige Tea-Party-Kandidaten seither durchaus erfolgreich | |
fortgeschrieben haben. | |
Laut den ersten Umfragen nach dem republikanischen Parteitag hat Trump | |
geschafft, was so ein Parteitag leisten kann: 3 bis 4 Prozent Zuwachs, eine | |
leichte Führung über Clinton auf nationaler Ebene. Wie lange dieser Sprung, | |
den die Wahlforscher so hübsch „convention bounce“ nennen, anhalten wird, | |
zeigt sich in der kommenden Woche, wenn auch der Clinton-Hüpfer nach | |
Philadelphia eingepreist ist. | |
## Keine klaren Mehrheiten | |
Aber auch das wird noch wenig Auskunft darüber geben, wie die Wahl im | |
November tatsächlich ausgehen wird. Letztlich wird es wieder um die | |
gleichen Swing States gehen wie in allen vergangenen Wahlen: Ohio, Florida, | |
Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Virginia, North Carolina sind die | |
Wechselwählerstaaten. Bis auf North Carolina konnte Obama sie 2012 alle | |
gewinnen – und das wäre noch nicht einmal nötig gewesen. 270 | |
Wahlmännerstimmen brauchte er, 332 bekam er. | |
Von so klaren Mehrheiten sind sowohl Trump als auch Clinton derzeit weit | |
entfernt. In Ohio etwa liegen beide gleichauf – das allerdings ist ein | |
gutes Zeichen für Clinton. Nicht umsonst hatten die Republikaner ihren | |
Parteitag extra dorthin nach Cleveland verlegt. Aber das war, bevor Trump | |
Kandidat wurde und Ohios Gouverneur John Kasich einer seiner letzten und | |
entschiedensten Gegner war. Kasich blieb, wie so viele andere, dem | |
Parteitag fern. | |
## Clinton hat die bessere Wahlkampfmaschine | |
Wie so oft, aber doch in diesem Wahljahr ganz besonders, dürfte die | |
Wahlbeteiligung der entscheidende Faktor werden. Das ist freilich | |
insbesondere dann unberechenbar, wenn es sich sowohl bei Trump als auch bei | |
Clinton um zwei der unbeliebtesten Politiker überhaupt handelt: 57,1 | |
Prozent der US-Amerikaner*innen haben eine schlechte Meinung von Donald | |
Trump, 55,6 Prozent finden nichts Gutes an Hillary Clinton. Daran dürfte | |
sich auch durch diesen Parteitag und ihre gute, aber wenig beeindruckende | |
und noch weniger überraschende Rede am Donnerstagabend nichts geändert | |
haben. | |
Das bedeutet: Es wird auch darauf ankommen, wer die bessere | |
Wahlkampforganisation hat und es schafft, all jene wirklich an die Wahlurne | |
zu bringen, die zumindest die jeweils andere Seite noch viel furchtbarer | |
finden. | |
Wenn die Einschätzung stimmt, dass Trump nach wie vor ein Problem mit den | |
Republikanern hat, denen er bis zu seiner Kandidatur nicht angehörte und | |
die er jetzt zur One-Man-Show umfunktionieren will, dann liegt der Vorteil, | |
was Organisation angeht, eindeutig bei Clinton. Sie kann sowohl auf ihre | |
eigene, schon seit 2008 funktionierende Organisation zurückgreifen als auch | |
auf Obamas Wählerdateien und die der Partei. Vieles spricht dafür, dass | |
Trump einem Wahlsieg sehr nahe kommen könnte, es aber letztlich nicht | |
schaffen wird. | |
In diesem Fall wäre die Wahl 2016 noch bei einem Warnschuss geblieben. Die | |
Republikaner wären Trump wieder los, die Demokraten könnten mit Clinton | |
regieren. Business as usual aber können sich beide Parteien nicht leisten. | |
Künftige Trumps sind womöglich intelligenter als der, den die Republikaner | |
jetzt am Hals haben. | |
30 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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