# taz.de -- Sexualisierte Gewalt im Südsudan: Vergewaltigt vor den Augen der UN | |
> Südsudans Regierungssoldaten vergewaltigten Frauen, die bei Blauhelmen | |
> Schutz gesucht hatten. Grund: ihre ethnische Zugehörigkeit. | |
Bild: Sie wähnen sich geschützt: Zivilisten am Zaun der UN-Basis in Südsudan… | |
JUBA ap | Unmittelbar vor einem UN-Lager in Südsudans Hauptstadt Juba sind | |
Mitte Juli laut Augenzeugen Dutzende Frauen und Mädchen vergewaltigt | |
worden. Die Opfer, die zum Volk der Nuer gehören, hatten vor Kämpfen | |
Zuflucht gesucht. Mindestens zwei von ihnen seien gestorben. Mindestens | |
eine Vergewaltigung soll unter den Augen von UN-Blauhelmsoldaten verübt | |
worden sein. | |
Am 17. Juli verschleppten zwei südsudanesische Soldaten wenige hundert | |
Meter vom westlichen Tor des UN-Lagers entfernt eine Frau, wie Zeugen der | |
Nachrichtenagentur AP berichteten. Ein Zeuge schätzte, dass 30 UN-Soldaten | |
aus Nepal und China den Zwischenfall beobachteten. „Sie sahen es. Jeder sah | |
es“, erklärte der Zeuge. „Die Frau schrie heftig, schimpfte und weinte | |
auch, aber niemand half ihr.“ | |
Eine Woche zuvor hatten sich rivalisierende Truppen in Juba heftige Kämpfe | |
mit Hunderten Toten geliefert. Oppositionsführer und Vizepräsident Riek | |
Machar musste aus der Stadt fliehen. Als eine Waffenruhe in Kraft trat, | |
wagten sich Frauen und Mädchen aus dem UN-Lager, um Nahrungsmittel zu | |
besorgen. In dem Lager leben mehr als 30.000 Zivilisten, fast alle vom Volk | |
der Nuer, dem auch Machar angehört. Sie befürchten Angriffe durch | |
Regierungstruppen. | |
## „Stop, bitte setz dich hin!“ | |
Auf dem Weg aus dem Lager gelangten die Frauen in einen „Checkpoint“ | |
genannten Straßenabschnitt, in dem heftig gekämpft worden war. In den | |
Ruinen halten sich Bewaffnete mit und ohne Uniform auf. In Interviews der | |
AP berichteten Frauen, dass die Soldaten sie zum Einkauf passieren ließen, | |
sie bei der Rückkehr aber angriffen. | |
„Die Soldaten riefen die Frauen und sagten ‚Stop, bitte, setz dich hin‘. | |
Also blieben wir stehen und setzten uns, und sie nahmen eine Frau mit in | |
ein Geschäft“, erklärte eine Frau. „Vier Männer gingen in den Laden, und | |
sie vergewaltigten die Frau, während wir drei draußen blieben.“ | |
In einem anderen Fall habe eine Gruppe Soldaten zwei Frauen und zwei | |
Jugendliche aus ihrer Gruppe herausgeholt und sie in einem Geschäft | |
vergewaltigt. Jeweils mehr als zehn Männer hätten sich an jedem Opfer | |
vergangen, sagte eine Frau. Ein Mädchen sei später gestorben. „Sie sagten: | |
‚Die gehört mir‘“, berichtete eine andere Frau unter Tränen. | |
## Dinka-Soldaten gegen Nuer-Frauen | |
Viele Nuer-Frauen sagten, die Soldaten hätten sie wegen ihrer | |
Volkszugehörigkeit bedroht oder sie beschuldigt, mit Machar verbündet zu | |
sein. Die Soldaten hätten die Dinka-Sprache gesprochen. | |
Wie viele Frauen vor dem UN-Lager vergewaltigt wurden, ist nicht bekannt.AP | |
sprach mit mehr als einem Dutzend Zeugen oder Menschen, die mit Opfern | |
gesprochen hatten. Der für den Schutz von Zivilisten zuständige „Protection | |
Cluster“ der UN-Hilfswerke berichtet, am 18. Juli sei es zu einem | |
deutlichen Anstieg der gemeldeten Fälle gekommen, als eine große Zahl von | |
Frauen das Lager auf der Suche nach Lebensmitteln verlassen habe. | |
Mindestens zwei Opfer seien ihren Verletzungen erlegen. | |
Schätzungen ziviler Führer im Lager über die Zahl der Vergewaltigungen | |
reichen von 27 bis mehr als 70. Den UN wurden nach eigenen Angaben Dutzende | |
Fälle gemeldet. | |
Südsudans Armeesprecher Lul Ruai Koang bestritt nicht, dass es nach den | |
jüngsten Kämpfen zu Vergewaltigungen kam. Den Streitkräften lägen aber noch | |
keine formellen Beschwerden von Opfern vor. | |
Eine Sprecherin der UN-Mission, Shantal Persaud, erklärte, die Fälle | |
beschränkten sich nicht auf den Checkpoint. „Uniformierte Soldaten waren | |
beteiligt, stark beteiligt, an schrecklichen Gewalttaten gegen Zivilisten“, | |
sagte Persaud. Sie werde der Frage nachgehen, warum UN-Soldaten nicht | |
eingeschritten seien. | |
## Nicht das erste Mal | |
Es sind nicht die ersten Vorwürfe dieser Art. Im vergangenen Jahr wurden | |
laut Protection Cluster mehr als 1300 Frauen und Mädchen von | |
Regierungstruppen und verbündeten Milizen im Staat Unity vergewaltigt. | |
Ärzte ohne Grenzen warf der UN-Mission vor, beim Schutz von Zivilisten dort | |
vollständig versagt zu haben. Auch bei einem Angriff von Regierungstruppen | |
auf das UN-Lager in der Stadt Malakal im Februar, bei dem rund zwei Dutzend | |
Zivilisten ums Leben kamen, habe die UN-Mission versagt. | |
Hilfsorganisationen erklärten, sie hätten die UN am 17. und 18. Juli | |
aufgefordert, die Patrouillen um das Lager zu verstärken. Dies sei aber | |
erst am 21. Juli geschehen. Die UN erklärten, die Patrouillen seien als | |
Reaktion auf Berichte über Vergewaltigungen verstärkt worden. | |
Eine Bewohnerin des Lagers sagte, begrenzte Patrouillen reichten nicht aus. | |
Solange UN-Soldaten anwesend seien, hielten die Regierungssoldaten die | |
Frauen lediglich an. „Wenn die Friedenshüter die Straße verlassen, dann tun | |
sie die Dinge.“ | |
29 Jul 2016 | |
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