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# taz.de -- Papst Franziskus zu Besuch in Polen: Der unbequeme Gast
> Papst Franziskus kommt nach Polen. Konservative Politiker und der Klerus
> sind von seiner liberalen Haltung nicht gerade begeistert.
Bild: „Hello“, hier vom Petersplatz in Rom
Warschau taz | Als Papst Franziskus vor drei Jahren in Brasilien
ankündigte, dass der nächste katholische Weltjugendtag 2016 im
südpolnischen Krakau stattfinden würde, konnten sich Polens Bischöfe und
Politiker vor Freude kaum halten. Dieser Argentinier – war er nicht ein
bisschen so wie der polnische Papst Johannes Paul II.?
Viele Polen hofften, dass der gerade erst neu gewählte Pontifex in die
Fußstapfen „des großen polnischen Jahrhundert-Papstes“ treten würde.
Immerhin war es der als Karol Józef Wojtyła geborene Johannes Paul II., der
1984 den Weltjugendtag ins Leben gerufen hatte.
Doch inzwischen ist klar, dass dieser Papst eine ganz andere Agenda hat.
Die Freude ist verflogen. „Heute machen Polens Klerus und die Polit-Elite
des Landes nur noch gute Miene zum bösen Spiel“, kommentiert der Philosoph
Jarosław Makowski den Besuch von Papst Franziskus am Mittwoch in Polen.
„Heute würde ihn niemand mehr einladen.“
Rund zwei Millionen junge Katholiken im Alter von 15 bis 30 Jahren sollten
ab Dienstag aus aller Welt nach Krakau kommen. Terror, Angst und scharfe
Sicherheitsvorkehrungen scheinen viele junge Leute abgeschreckt zu haben.
Obwohl der Nato-Gipfel Anfang des Monats in Warschau ohne größere
Zwischenfälle über die Bühne ging, haben sich beim Weltjugendtag gerade mal
rund 500.000 junge Pilger angemeldet.
Ob weitere 1,5 Millionen planen, ohne offizielle Anmeldung nach Polen zu
kommen – und es ihnen gelingt die wieder streng kontrollierten Grenzen zu
passieren, einer Verhaftung wegen Terrorverdachts zu entgehen und irgendwo
eine Unterkunft zu finden, steht in den Sternen.
## Rechtsklerikale Schadenfreude
Innenminister Mariusz Błaszczak verkündete noch einen Tag vor dem
offiziellen Beginn des Weltjugendtages, von einem in Łódź verhafteten
Iraker, dessen Gepäck „Spuren von Sprengstoff“ aufgewiesen hätten, sei
„keine islamistische Gefahr“ für die Pilger ausgegangen. Zugleich
bekräftigte er, dass es trotzdem richtig gewesen sei, ihn festzunehmen.
Westeuropa begehe mit seiner Political Correctness gegenüber Muslimen und
seiner Multikulti-Politik Selbstmord.
Genau mit dieser Position dürfte Polens Innenminister bei Papst Franziskus
auf heftigen Widerspruch stoßen. Der Papst stellt nicht alle Muslime unter
den Generalverdacht des Terrorismus, wie dies seit Monaten Polens
rechtsnationale Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) tut: Polen
will weder Kriegsflüchtlinge aufnehmen noch politisch Verfolgten Asyl
gewähren, da diese angeblich die Sicherheit der Polen gefährdeten.
Stattdessen wird auf die Arbeitsmigranten aus der Ukraine verwiesen, die
Polen als „Flüchtlinge“ aufnehmen würde. Die Wahlkampagne, in der die PiS
bewusst Angst und Hass gegen Ausländer und insbesondere Muslime schürte,
trägt Früchte. Die Mehrheit der Polen lehnt heute jede Solidarität mit den
Flüchtlingen ab. Christliche Werte wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit
werden nach wie vor hochgehalten – aber nur, wenn sie Polen zugutekommen.
Dabei haben viele Polen in der Zeit des Kommunismus Asyl in Westeuropa,
Nordamerika und Kanada gefunden, knapp eine Million in Deutschland. Als
aber jüngst ein Deutsch-Iraner in München auf zumeist gleichaltrige Schüler
schoss, konnte der rechtsklerikale Publizist Rafał Ziemkiewicz seine
Schadenfreude nicht zurückhalten: „Für die Deutschen ist es ein Schock.
Immer haben sie andere ermordet, die umgekehrte Situation haben sie noch
nicht eingeübt.“
## Liberale Polen hoffen auf Franziskus
Die wenigen liberalen Katholiken in Polen, auch Protestanten, Juden,
Atheisten und Polens Tataren hoffen nun, dass sich Papst Franziskus in
Krakau diesem inzwischen allgegenwärtigen Hass auf Ausländer und Muslime in
Polen entgegenstellt.
Doch nicht nur der Umgang dieses Papstes mit der Flüchtlingsfrage verstört
viele konservative Kirchgänger in Polen. Dass er in der
Gründonnerstagsmesse Flüchtlingen, darunter auch Muslimen, die Füße wusch,
brachte ihm in Polen heftige Kritik ein.
Ziemkiewicz nannte Papst Franziskus gar einen „Idioten“, als dieser meinte,
es komme nicht darauf an, dass katholische Eltern so viel Kinder wie nur
möglich in die Welt setzten, sondern dass sie ihre Kinder in Liebe aufzögen
und ihnen Kleidung, Essen, ein Dach über dem Kopf sowie eine Schulbildung
zukommen ließen.
Geradeu entsetzt waren viele rechtsklerikale Publizisten in Polen, als
Papst Franziskus auf die Frage eines Journalisten zu seiner Haltung
gegenüber Schwulen und Lesben antwortete: „Wer bin ich, über sie zu
urteilen?!“ Dass er sogar fordert, die katholische Kirche müsse sich bei
den Homosexuellen und anderen von der Kirche benachteiligten Gruppen
entschuldigen, hatte nun immerhin zur Folge, dass sich Kardinal Stanisław
Dziwisz zum ersten Mal – wenn auch immer noch inoffiziell – mit
homosexuellen Katholiken traf.
In Polen hatte man sich daran gewöhnt, dass Papst Johannes Paul II. und
sein Nachfolger Benedikt XVI. vor dem Konsum- und Profitstreben des Westens
warnten und die Zivilisation des Todes mit Abtreibung, Verhütung und
In-vitro-Befruchtung verdammten. Obwohl in Polen Kirchen ständig vor diesen
Sünden gewarnt wird, ist das für Papst Franziskus kein zentrales Thema. Im
Zentrum seines Glaubens stehen vielmehr „die Kirche der Armen für die
Armen“, die Nächstenliebe und Barmherzigkeit als Wegweiser für das Leben.
Noch hoffen Polens Bischöfe und Regierungspolitiker, diesem so unbequemen
Papst in Krakau Paroli bieten und ihn vielleicht sogar „umdrehen“ zu
können. Wer weiß schon, was in den nächsten Tagen in Polen passieren wird.
Es ist ein Land der Wunder, das sollte man nicht vergessen.
27 Jul 2016
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Papst Franziskus
Polen
Katholische Kirche
Katholizismus
Schwerpunkt Flucht
Polen
Flüchtlinge
Terror
Katholische Kirche
Papst Franziskus
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Katholische Priester
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