# taz.de -- IS-Anschlag in Afghanistan: Angriffsziel Zivilisten | |
> Der Angriff auf eine friedliche Demonstration in Kabul trägt die | |
> Handschrift des IS. Geschürt werden soll der Konflikt zwischen Schiiten | |
> und Sunniten. | |
Bild: Männer bei einem Totengebet in Kabul | |
BERLIN taz | Mindestens 81 Menschen sind getötet und über 230 weitere | |
verletzt worden, als am Sonnabend Selbstmordattentäter in Kabul [1][eine | |
Demonstration angriffen]. Es war der schwerste Anschlag in Afghanistan seit | |
dem Ende der Talibanherrschaft 2001. | |
Tausende Angehörige der [2][schiitischen Minderheit der Hasara] waren zum | |
zweiten Mal seit Mai auf die Straße gegangen, um gegen eine angebliche | |
Benachteiligung durch die Regierung zu protestieren. Auslöser ist der | |
Streit über den Verlauf einer neuen, transmittelasiatischen Stromtrasse, | |
der – entgegen ursprünglicher Planung – nicht durch die | |
Hasara-Mehrheitsprovinz von Bamian verlaufen soll. Inzwischen haben sich | |
die Proteste auf andere soziale Themen ausgeweitet. | |
Der Ableger des „Islamischen Staats“ (IS) für Afghanistan und Pakistan | |
bekannte sich zu dem Anschlag. Lokale Medien berichteten aus dessen | |
Hochburg im ostafghanischen Distrikt Atschin, dort hätten Kämpfer | |
Freudenkundgebungen abgehalten. Die Taliban – Gegner von Regierung und IS – | |
dementierten sofort jede Beteiligung. | |
In der Tat unterscheidet sich die „Handschrift“ des Anschlags von jener der | |
Taliban: Diese greifen in der Regel militärische oder Regierungsziele an | |
und nehmen dabei auch den Tod von Zivilisten in Kauf, vermieden bisher aber | |
Angriffe auf rein zivile Ziele. Der IS hingegen will vor allem, wie in Irak | |
und Syrien, einen dauerhaften Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten | |
erzeugen. In Afghanistan leben beide Bevölkerungsgruppen seit Ende der | |
Talibanherrschaft friedlich miteinander. | |
## Einer von drei | |
Der Anschlag hätte noch schlimmer ausfallen können, denn nur einer von drei | |
Angreifern konnte seinen Sprengstoffgürtel auslösen. Er sprengte sich in | |
der Nähe eines Lkws in die Luft, den die Führer der Protestbewegung als | |
provisorische Rednertribüne verwendeten. Einige von ihnen wurden verletzt. | |
Bei einem zweiten Attentäter versagte dessen Sprengvorrichtung; der dritte | |
wurde von der Polizei erschossen. | |
Der örtliche IS-Ableger ist keine starke Gruppierung. US-Angaben, dass er | |
über 2.000 bis 3.000 Kämpfer verfüge, dürften zu hoch gegriffen sein. Zudem | |
hat er seit seinem Auftauchen Anfang 2015 fast alle kontrollierten Gebiete | |
wieder verloren und verlegt sich deshalb auf Terroranschläge. In letzter | |
Zeit waren Gerüchte von einer Kabuler IS-Zelle im Umlauf. | |
Wie die IS-Infrastruktur in Afghanistan funktioniert, ist kaum bekannt. | |
Allerdings sind die meisten Kämpfer Pakistaner, Angehörige von | |
Splittergruppen der dortigen Talibanbewegung TTP. Die wiederum sind eng mit | |
in Pakistan operierenden antischiitischen Terrorgruppen verbandelt, die | |
dort bei Anschlägen in den vergangenen Jahren mindestens 1.300 Hasaras | |
umgebracht haben. Von diesen Gruppen dürfte auch die Infrastruktur für den | |
Anschlag in Kabul stammen. | |
Mitarbeit: Afghanistan Analysts Network, Kabul | |
24 Jul 2016 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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