| # taz.de -- Nato-Gipfel in Warschau: Gefrorenes Lächeln | |
| > Polens Präsident Duda fing sich unvermutet eine symbolische Ohrfeige vom | |
| > US-Präsidenten Obama ein. Die USA machen sich Sorgen. | |
| Bild: Nur kurz dauerte das Lob: US-Präsident Obama und Polens Präsident Duda | |
| Warschau taz | Mit tiefen Ringen unter den Augen tauchten viele Teilnehmer | |
| des Nato-Gipfels am Morgen des zweiten Tages im Warschauer Nationalstadion | |
| auf. Die Präsidenten, Premiers, Außen- und Verteidigungsminister | |
| zahlreicher Nato-Staaten nutzen das Arbeits-Abendessen am Freitag, um sich | |
| später noch in einer Jazzbar zu treffen oder in kleinen Gruppen durch die | |
| von tausenden Polizisten gesicherte Altstadt zu bummeln. | |
| Übermüdet, aber diszipliniert debattierten sie am Samstag wieder die | |
| zentralen Themen des Gipfels: Umgang mit Russland, Bekämpfung des | |
| IS-Terrors, Hilfe für Afghanistan, Irak und die Ukraine sowie die Sorge um | |
| den Gipfel-Gastgeber Polen, der immer weiter vom demokratischen Weg | |
| abdriftet. | |
| Als der US-amerikanische Präsident Barack Obama in seiner Gipfel-Rede die | |
| Verfassung Polens vom 3. Mai 1791 lobte, lächelte Andrzej Duda noch stolz | |
| und ein bisschen selbstgefällig. Immerhin ist die sogenannte Mai-Verfassung | |
| nach der amerikanischen die zweite demokratische Verfassung weltweit und | |
| die erste in Europa. | |
| Ab 2017, so Obama weiter, werden die US-Amerikaner das multinationale | |
| Bataillon in Polen befehligen und auch das Kommando einer amerikanischen | |
| Panzerbrigade stellen, die an verschiedenen Orten Europas stationiert wird. | |
| Das Lächeln gefror dem polnischen Präsidenten zu einer starren Maske, je | |
| länger Obama redete. | |
| Denn das war kein Lob mehr „für einen der engsten Bündnispartner der USA“. | |
| Das war harte und offene Kritik am fortschreitenden Demokratieabbau in | |
| Polen durch die rechtsnationale Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die | |
| seit den Wahlen 2015 mit absoluter Mehrheit im Parlament regieren kann und | |
| der auch Präsident Duda entstammt. | |
| ## Sorge um die polnische Demokratie | |
| „Ich habe Präsident Duda ganz offen gesagt“, so Obama, der sich mit anderen | |
| Politikern wie David Cameron oder Angela Merkel duzt, „dass die USA sich | |
| große Sorgen darum machen, was sich rund um das polnische | |
| Verfassungsgericht abspielt“. Als Freund und Bündnispartner Polens rufe er | |
| alle Parteien in Polen auf, den demokratischen Charakter der | |
| Schlüsselinstitutionen zu verteidigen. Nicht nur die Verfassung entscheide | |
| darüber, ob ein Land eine Demokratie sei, sondern auch Institutionen und | |
| Standards wie rechtsstaatliche Verfahren, unabhängige Gerichte und freie | |
| Medien. | |
| „Das sind Werte, auf denen wir unser Bündnis aufgebaut haben“, so Obama, | |
| der in einen Konferenzraum des Nationalstadions gebeten hatte, der dem Oval | |
| Office in Washington nachgebaut war. So hatte nicht Obama dem polnischen | |
| Präsidenten seine Aufwartung gemacht, vielmehr kam Duda zu Obama, um sich | |
| dort eine symbolische Ohrfeige für seine antidemokratische Politik | |
| einzufangen. | |
| Die Stimmung war danach nicht mehr ganz so triumphal wie in den ersten | |
| Gipfel-Stunden, doch die PiS schien den Slogan ausgegeben zu haben: | |
| „Lächeln, immer nur lächeln!“ So erklärte Duda von oben herab, dass er | |
| Obama die Sache mit dem Verfassungsgericht erklärt habe und der Konflikt | |
| nun ja auch endgültig vom Parlament mit einem neuen Gesetz gelöst worden | |
| sei. | |
| Dass die Opposition im Parlament wie auch der Verfassungsgerichtspräsident | |
| nach dem Gesetz den „Tod der Demokratie in Polen“ verkündeten, sagte Duda | |
| nicht. Doch das wird Obama ohnehin wissen. Die amerikanische Botschaft in | |
| Polen gilt als eine der besten. Nun liegt es an Duda, ob er in ein paar | |
| Tagen das umstrittene Gesetz unterzeichnet, oder sich für die Demokratie | |
| entscheidet. | |
| ## Ein ungutes Gefühl | |
| Unmut weckten auch eine Ausstellung, die eigentlich dem Beitritt Polens zur | |
| Nato 1999 gewidmet war, aber vor allem dem PiS-Personenkult frönte, sowie | |
| ein großes Plakat, das am Samstag der PiS nahestehenden Zeitung Gazeta | |
| Polska Codziennie (Polnische tägliche Zeitung) beilag: Auf gelbem | |
| Hintergrund ist ein stilisiertes Totenkopfabzeichen zu sehen. In seiner | |
| Mitte das Porträt Putins mit der Warnung „Achtung“ (in deutscher Sprache) | |
| und „RuSSia“ (mit SS-Runen). | |
| Obwohl Polen den Gipfel mustergültig organisierte, so dass die über Monate | |
| von den Nato-Staaten vorbereiteten Beschlüsse zum Antiterrorkampf, zu | |
| Nato-Schulungsmissionen im Irak und in Afghanistan, zu den vier rotierenden | |
| Bataillonen in Polen, Litauen, Lettland und Estland verabschiedet werden | |
| konnten, bleibt das ungute Gefühl zurück, dass neben der Türkei nun auch | |
| noch Polen ein massives Demokratie- und Glaubwürdigkeitsproblem hat. Solche | |
| Mitglieder in der Nato können dem Bündnis selbst gefährlich werden. Das | |
| wissen alle. | |
| 9 Jul 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Gabriele Lesser | |
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