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# taz.de -- Premierministerin Theresa May: Weil 2016 ist
> Eine Frau an der Macht verunsichert immer noch viele. Der herablassende
> Spin, mit dem über Theresa May geschrieben wird, ist eine Zumutung.
Bild: Die neue Nummer Eins in Großbritannien: Theresa May
Man konnte bereits ahnen, wohin sich die Debatte entwickeln würde, als es
um ihre Kinderlosigkeit ging. Theresa May, die neue Premierministerin des
Vereinigten Königreichs, hat keine Kinder. Eigentlich eine private
Angelegenheit. Dennoch war sich Mays Mitbewerberin um die Nachfolge von
David Cameron nicht zu schade, genau damit gegen die Tory-Politikerin
punkten zu wollen. „Ich bin sicher, sie ist sehr traurig, dass sie keine
Kinder hat“, hatte Andrea Leadsom gegenüber Journalisten der Times gesagt.
Es ist exakt diese Art von Vorurteil, die Frauen an der Macht
entgegenschlägt. Die Botschaft: Sie hätte eigentlich lieber Kinder
bekommen, stattdessen kümmert sie sich jetzt um Politik. Noch
herablassender fällt der Spin aus, wenn die Politikerin im Ergebnis einer
dramatischen Krise Verantwortung übernimmt. Von Lady Macbeth über die
Eiserne Lady bis zur Trümmerfrau – wie in der taz – wird dann jede
Zuschreibung strapaziert. Der Kniff: Sie hat gar nicht gewonnen. Die
anderen haben nur vor ihr verloren.
Nach wie vor scheint eine Frau an der Macht für tiefe Verunsicherung zu
sorgen. Medial, politisch, privat. Schafft die das überhaupt? Was für einen
Eindruck vermittelt sie? Und: Welchen Mann hat sie für diesen Job aus dem
Weg geräumt? Das ist das Kaliber an Fragen in der Berichterstattung.
Gern genommen wird das Klischee, Frauen machten doch irgendwie anders
Politik. Weniger Testosteron bedeute: Bewahren statt erobern. Also Politik
als eine Art Hormonbingo. Dieser Logik folgend kapriziert sich die
Berichterstattung auch schon mal auf Mays Schuhgeschmack oder auf ihren
selbstlosen Ehemann. Die britische Sun beschreibt Philipp May als Theresas
„rock“, ihren Fels in der Brandung. Und die Süddeutsche Zeitung denkt über
die Kochkünste der Neuen in 10 Downing Street nach und fragt: „Wie viel
Angela Merkel steckt in Theresa May?“ Die sei ja wie May Pfarrerstochter
und Pragmatikerin. Ja, könnte man ergänzen: Sie kocht auch gern, zum
Beispiel Kartoffelsuppe. Aber das meldet da schon die dpa.
Mit Blick auf die Ernennung der neuen britischen Premierministerin jedoch
gilt eigentlich: Theresa May ist Theresa May. Ja, sie ist eine Frau, und
ja, dieser Umstand wird anderen Frauen und Männern einmal mehr zeigen, dass
Frauen alles genauso gut – oder schlecht – können wie Männer.
## Ein große Nummer
Aber May ist weiß Gott kein unbeschriebenes Blatt. Sondern eine erfahrene
Politikerin, eine große Nummer in ihrer Partei. Das könnte man spätestens
seit 2010 wissen, da wurde sie nämlich zur Innenministerin ernannt. Seither
genießt sie den Ruf einer harten Verhandlerin und Strategin. Einer Frau,
die vor Entscheidungen lieber mehrfach nachfragt. Die Brexit-Kampagne ihrer
Partei hat sie nicht unterstützt, aber auch nicht für einen Verbleib ihres
Landes in der Europäischen Union geworben. Noch bevor sie in den Buckingham
Palace aufbrach, um sich von der Queen zur Premierministerin ernennen zu
lassen, hat sie angekündigt, mehrere Spitzenämter mit Tory-Frauen besetzen
zu wollen.
Vor Jahresfrist hat der neue kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau
sein Kabinett vorgestellt. Der dreißigköpfigen Mannschaft gehörten fünfzehn
Frauen und fünfzehn Männer an. Auf die Reporterfrage, warum das denn so
sei, antwortete Trudeau: „Weil 2015 ist.“ Genau dies ist die korrekte
Erwiderung auf Bemerkungen zum Geschlecht von Politikerinnen und
Politikern. Voraussetzung dafür, dass derlei Fragen obsolet sind, ist:
Gleichstellung. Aber da hakt es eben.
Weil das alles offenbar so verunsichert und weil die Neue sich vor ihrer
Ernennung politische Handlungsoptionen offen lässt, wird schließlich der
Vergleich bemüht. Und weil die Zahl mächtiger Politikerinnen aus oben
genannten Gründen irritierend gering ist, werden die immer gleichen Frauen
als Referenzgröße herangezogen. IWF-Chefin Christine Lagarde etwa, aber
auch US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, Großbritanniens
verstorbene Premierministerin Margaret Thatcher. Und natürlich Angela
Merkel.
Der müssen bei den Berichten über ihre neue Kollegin in London die Ohren
klingeln. Auch Merkel galt als Trümmerfrau. Sie war die Frau aus dem Osten,
die als Übergangskandidatin gehandelt wurde und nun seit sechzehn Jahren
Parteivorsitzende und seit bald elf Jahren Regierungschefin ist. Die in der
schwersten Glaubwürdigkeitskrise Helmut Kohl abgelöst und die Scherben von
SPD-Kanzler Gerhard Schröder aufgesammelt hat. In all den Jahren hat Merkel
kommentarlos sämtliche Zuschreibungen ausgesessen: Sie ist die Kanzlerin
ohne Kinder. Sie ist wahlweise die eiskalte Machtpolitikerin oder die
Strategin mit der ordnenden weiblichen Hand. Nur Vergleiche musste sie sich
– mangels Möglichkeiten – wenige gefallen lassen. Das steht nun Theresa May
bevor.
Auf die Frage, wie die Kanzlerin das Verglichenwerden findet, antwortet
ihr Sprecher Steffen Seibert, dies sei einzig „Sache von Journalisten“.
Angela Merkel sei der künftigen Premierministerin im Übrigen noch nicht
persönlich begegnet, man werde aber bald Kontakt haben. Es ist anzunehmen,
dass die beiden dann wichtigere Fragen zu besprechen haben als die, wie es
passieren konnte, dass ausgerechnet eine Frau britische Premierministerin
werden konnte.
13 Jul 2016
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Großbritannien
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Gleichstellung
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