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# taz.de -- Kommentar Theresa Mays Regierung: Neuanfang mit hohem Anspruch
> Theresa Mays Kabinett ist eine Brexit-Regierung – eine, die nicht mit
> sich spaßen lassen wird. Dennoch verdient der Start Anerkennung.
Bild: Winke, winke, EU: Theresa May und Ehemann Philip
Es sollte eigentlich nur eine Stafettenübergabe innerhalb einer
Regierungspartei sein, aber [1][Theresa Mays Amtsantritt als neue britische
Premierministerin] und Nachfolgerin David Camerons mutet an wie ein
Machtwechsel. Das zeigt der Ton ihrer ersten Rede und auch das Profil ihrer
ersten Ministerialbesetzungen.
Soziale Gerechtigkeit und das Ende von Diskriminierung hat sich May auf die
Fahnen geschrieben: gleiche Lebenschancen für die Armen, Gleichbehandlung
für Schwarze im Rechtssystem, gleiche Aufstiegsmöglichkeiten für die weiße
Unterschicht, gleicher Lohn für Frauen, Verbesserungen für psychisch
Kranke, Sicherheiten für die Jugend. „Wenn man aus einer einfachen
Arbeiterfamilie stammt, ist das Leben viel schwerer, als die meisten in
Westminster ahnen“, sagt die neue Regierungschefin und verspricht, in
erster Linie für diese Zielgruppe zu regieren.
Wer braucht da noch einen Jeremy Corbyn als Held des Klassenkampfes oder
einen Nigel Farage als Stimme der Unzufriedenen? Theresa May kann
glaubwürdig so reden, denn das tat sie schon zu Beginn ihrer politischen
Karriere. Sie knüpft nahtlos an das utopische Denken Tony Blairs an, und
auch an den Beginn von David Camerons Modernisierungsagenda für die
Konservativen als Zentrumspartei der sozialen Inklusion.
Die hatte Cameron als Premierminister irgendwann ad acta gelegt, um sich um
Europa zu kümmern, mit dem bekannten Ergebnis. Nun ist der Streit um Europa
entschieden, das Wesentliche kommt wieder zum Vorschein.
Allen linken Klischees zum Trotz sind die britischen Konservativen eben
keine böse, hartherzige, arrogante und elitäre Partei des Klassenkampfes
von oben. Sie sind in der Tiefe ihres Wesens hoffnungslose Romantiker, die
an das Gute im Menschen glauben und davon ausgehen, mit der richtigen
Politik dieses Gute freisetzen und damit das Land voranbringen zu können.
Das galt sogar für Margaret Thatcher, deren Antrittsrede 1979 der von
Theresa May 2016 sehr ähnlich war – was allerdings auch zeigt, dass schöne
Worte nicht automatisch zu schöner Politik führen.
## Zwei neue Ministerien
Wie Theresa Mays Politik aussehen könnte, zeigen ihre ersten
Personalentscheidungen. Der bisherige Finanzminister George Osborne, Symbol
der Austeritätspolitik vergangener Jahre, verschwindet in der Versenkung.
Sein Nachfolger Philip Hammond dürfte ebenso unscheinbar bleiben wie in
seiner bisherigen Funktion als Außenminister. [2][Neuer Außenminister wird
Boris Johnson, der schillernde Wortführer des Brexit.]
Auch hier gilt es, ein linkes Klischee zu begraben: Johnson ist kein
engstirniger Nationalist, sondern ein Kosmopolit, für den der Brexit eine
Befreiung von den Fesseln einer bornierten EU und den Sprung in die weite
Welt darstellt. Als Außenminister einer UN-Vetomacht ist Johnson mit seinem
internationalistischen Instinkt und seinem Sinn fürs Groteske auf jeden
Fall eine Bereicherung auf dem diplomatischen Parkett.
Weniger spektakulär, aber von mehr Gewicht ist die Schaffung zwei neuer
Ministerien, besetzt von zwei Brexit-Schwergewichten: David Davis, ein
Traditionalist mit hohem innerparteilichen Standing, als Brexit-Minister
mit dem schönen Titel „Secretary of State for Exiting the European Union“,
sowie Liam Fox, Exponent des rechten Parteiflügels, als Chef eines
neugeschaffenen Außenhandelsministeriums.
## Alle Energien fließen in den Brexit
Davis wird die Brexit-Verhandlungen mit der EU einfädeln und Fox die
Handelsabkommen, die Großbritannien ohne EU ganz dringend mit dem Rest der
Welt braucht, um seine Führungsposition im Welthandel und im globalen
Finanzsystem nicht zu verlieren. Sie werden die Arbeit machen, Johnson
liefert die Kulisse.
So wird Mays Kabinett tatsächlich eine Art Brexit-Regierung – und zwar
eine, die nicht mit sich spaßen lassen wird. Was auch für May selbst als
Regierungschefin gilt. Es ist eine formidable Mannschaft, die die neue Frau
in 10 Downing Street da um sich schart.
Die Schwachstelle ist indes klar: Wenn in den nächsten Jahren alle Energien
in den Brexit fließen, bleiben soziale Inklusion und Kampf gegen
Ungerechtigkeit dann wohl doch wieder ein reines Versprechen für den
nächsten Wahlkampf 2020. Das ist ein Spiel mit der Politikverdrossenheit,
und es funktioniert nur, solange es keine handlungsfähige Opposition gibt.
Erst einmal aber ist diesem politischen Neuanfang nur drei Wochen nach dem
Brexit-Schock – und vielen panischen Warnungen, Großbritannien werde ins
Chaos stürzen – Anerkennung zu zollen: Theresa May hat sich selbst hohe
Ansprüche gesetzt. Es ist Großbritannien zu wünschen, dass sie sie
meistert.
14 Jul 2016
## LINKS
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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