# taz.de -- Neues britisches Kabinett: Mit Johnson wirkt May moderat | |
> Premierministerin Theresa May hat Boris Johnson zum Außenminister | |
> ernannt. Eine logische Wahl, obwohl Johnson ein mieser Diplomat ist. | |
Bild: Fürs Protokoll: Dieser Mann ist nun britischer Außenminister | |
Als der Posten des Premierministers winkte, duckte sich Boris Johnson – | |
feige, sagen viele – weg. „Diese Person kann ich nicht sein“, erklärte er | |
knapp zur Nachfolge Camerons. Das war am 30. Juni, also erst vor zwei | |
Wochen. Die weiteren Worte, die Johnson in seinem kurzen Statement wählte, | |
gingen damals etwas unter. | |
„Meine Rolle wird sein, dass ich die nächste neue Regierung unterstütze und | |
dafür sorge, dass wir das Mandat der Menschen voll erfüllen, die im | |
Referendum ihre Stimme gegeben haben. Und den Plan vorantreibe, an den ich | |
glaube, und eintrete für die vergessenen Menschen in diesem Land.“ Übliches | |
Politikerblabla halt. Dachte man. Seit Mittwoch steht fest, dass Johnson | |
tatsächlich einen Plan vorantreiben wird – und zwar als Außenminister. | |
Das überrascht zunächst. Der frühere Bürgermeister von London (2008– 2016) | |
ist schließlich von der neuen Premierministerin Theresa May berufen worden. | |
Das ist jene Frau, die Johnson im internen Tory-Rennen um den Einzug in die | |
Downing Street 10 eben nicht unterstützt hatte. Andrea Leadsom wäre dem | |
Mann mit der zerzausten blonden Frisur lieber gewesen. | |
Eine sowieso unterschiedliche Ansicht vertraten May und Johnson während des | |
Brexit-Wahlkampfs. Remain, forderte May (wenn auch nur dezent); leave, | |
propagierte Johnson. Ziemlich vehement. | |
Was war, war – und was wird, wird. May besetzt ihr Kabinett nun so um, | |
damit es ihrer Linie dient. Und die muss lauten, ein gespaltenes Land | |
wieder zusammenzuführen. Damit hat sie in ihrer eigenen Partei begonnen. | |
Unter den neuen MinisterInnen sind Brexiteers und Nonbrexiteers. Und eben | |
Johnson, der neben Nigel Farage als das Brexit-Gesicht schlechthin galt. | |
May gestaltet alles unter der Bedingung, dass der Brexit unumkehrbar ist. | |
## Kein lupenreiner Diplomat | |
So weit, so gut. Die spannende Frage ist allerdings, ob einer wie Boris | |
Johnson einen guten Außenminister abgeben kann? Zur Erinnerung: Johnson | |
gilt nicht als lupenreiner Diplomat. Das wissen sie besonders in den USA. | |
In einem Interview mit der Sun fantasierte er, dass US-Präsident Obama eine | |
Winston-Churchill-Büste nur deshalb aus dem Weißen Haus habe entfernen | |
lassen, weil er kenianische Wurzeln habe. Obama nahm es gelassen auf. Er | |
müsste Johnson nur kurz erdulden. Anders als seine mögliche Nachfolgerin. | |
Falls Hillary Clinton US-Präsidentin wird, dürfte sie sich beim ersten | |
Treffen mit Johnson an dessen Urteil von 2007 zurückerinnern: „Sie hat | |
blondgefärbtes Haar, einen Schmollmund und starrende blaue Augen wie eine | |
sadistische Krankenschwester in einer psychiatrischen Klinik.“ | |
Rund um Washington dürfte Johnsons Berufung also eher auf begrenzte Freude | |
gestoßen sein; und in Europa wird Johnson immer als jenes populistische | |
Übel gelten, das den Kontinent zu spalten versucht. Dass er überdies als | |
ungeduldiger Grobian gilt, der mehr Halb- als Faktenwissen parat hat, | |
qualifiziert ihn ebenso wenig für diesen Job. Warum also Mr Johnson, Mrs | |
May? | |
## Rechter Flügel der Tories glaubwürdig abgedeckt | |
Die Antwort darauf fällt gar nicht so schwer. Johnson und May sind schlicht | |
ähnlich gepolt. Beide betonen, eine Politik für „die Vergessenen“ betreib… | |
zu wollen. Das sind in erster Linie weiße Menschen, die der Mittelschicht | |
angehören, traditions- und heimatbewusst. Die erzkonservative May | |
verkörpert dies, Johnson, der das Land vor fremdländischen Einflüssen | |
abriegeln will, ebenso. Britain first, besser strengere | |
Einwanderungsgesetze als zu laxe. Das forderte Johnson unter anderem im | |
Brexit-Wahlkampf. | |
Jetzt darf er diesen reaktionären Schritt zwar nicht einleiten; als | |
Regierungsmitglied kann er ihn aber verkaufen. May überlässt ihm das gern. | |
Damit ist der rechte Flügel der Tories glaubwürdig abdeckt. Die | |
Premierministerin kann sich derweil als Moderate gerieren. Und die wirklich | |
wichtigen außenpolitischen Entscheidungen wird Johnson ohnehin nicht | |
beeinflussen. | |
David Davis soll als neuer „Brexit-Minister“ die EU-Austrittsverhandlungen | |
führen, Liam Fox als Handelsminister die wirtschaftlichen Beziehungen | |
intakt halten. Für Johnson bleibt das populistisches Gehabe. Das beherrscht | |
er; mehr traut ihm aber auch niemand zu. | |
14 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
David Joram | |
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