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# taz.de -- Abgesang des britischen Premiers: Camerons letztes Lippenbekenntnis
> Britannien, ja, ganz Europa rätselt über das Gesumme des scheidenden
> Premiers. Eine versteckte Hiobsbotschaft? Oder Ausdruck eines guten
> Charakters?
Bild: Wer auf sein Amt pfeift, kann auch beim Abgang summen
Böse Menschen habe keine Lieder: Geht es nach diesem Spruch, ist David
Cameron ein guter Premierminister. Da spielt es auch keine Rolle, dass
selbst ausgewiesene Musikexperten nicht genau sagen können, welches Stück
der Premierminister in der Downing Street am Montag angestimmt hat. Cameron
trat dort vor die Presseschar, eigentlich, um seinen sofortigen Rücktritt
und Theresa May als Amtsnachfolgerin anzukündigen. Was nun allerdings für
Rätsel sorgt, passiert danach: Als Cameron sich von den Kameras abwendet,
um zurück zur Haustür zu schreiten, zeichnet das Mikrofon eine von ihm
gesummte Melodie auf: [1][“Do – Do – Do – Do“.]
Beobachter sind uneins, welche versteckte Botschaft der scheidende Premier
hinterlassen will. Der Streit beginnt schon bei der richtige Notation der
Melodie, die wahlweise als „Do, do, do, do“ (dpa) oder doch als punktiertes
„do, doo, do, doo“ (welt.de) interpretiert wird. Rob Hutton von der
Nachrichtenagentur Bloomberg's erinnert die Lautmalerei an die Titelmelodie
der US-amerikanischen Politserie „West Wing – im Zentrum der Macht“, die
den Konflikt des US-Präsidenten mit seiner Beraterriege dramenhaft umsetzt.
Will Cameron damit etwa auf die Vorwürfe verweisen, er habe aus reiner
Machtgier das Schicksal Europas herausgefordert? Oder möchte er sich gar
selbst für eine Rolle als Reality-Soap-Politiker bewerben?
Das Wort „Right“, ist jedenfalls als letztes zu hören, als Cameron hinter
der Tür von Downing Street 10 das Mikrofon wieder abgenommen wird. Dem
musikalischen Lippenbekenntnis Camerons könnte man also rationale Motive
unterstellen, muss man aber nicht. [2][Robert Peston] vom Sender ITV zum
Beispiel, fühlt sich durch das Cameronsche Gedudel eher an den
honigschleckenden Winnie Puuh erinnert. Die Figur des Bären „von sehr
geringem Verstand“ entstammt einem Kinderbuch des Autors Alan Alexander
Milne aus dem Jahr 1926.
Andere Twitter-User wollen einen Querverweis zur Popkutur der Thatcher-Ära
raushören. 1980 reflektierte die britische Band Police die politische
Stimmung im Land mit ihrem Hit „de do do do de da da da“. Die
New-Wave-Ikonen würdigen darin die Schönheit von Worthülsen, gerade in
Momenten, wenn die Eloquenz ihre Grenzen erreicht hat: „Words are hard to
find. They're only cheques I've left unsigned. From the banks of chaos in
my mind“, singt Police-Frontmann Sting. Oft seien es die Worte von
Politikern, so heißt es in den Lyrics weiter, „deren Logik Dich
vergewaltigen“. Hat Cameron also etwa gegen den populistischen
Sprachgebrauch seiner Parteikollegen angesummt?
## „Beethovenesque Unruhe“ in der Downing Street
Der britische Klassikradio-Sender „classic.fm“ hat einen ganz anderen
Verdacht. Musikredakteure haben Camerons Summ-Einlage in Noten übersetzt
und verpassen ihr nach einer stilistischen Analyse den Titel „Cameron's
Lament“, Camerons Klagelied. Es handle sich dabei um einen
Dreiviertel-Takt, der eigentlich für Aktivität und eine positive Stimmung
stehe, so der Sender. Allerdings würde ein harmonisch „verwirrender“
Sprung, eine „Wagner-artige Fanfare“, die gar „Beethovenesque“ sei, für
Unruhe sorgen. Dadurch verliere das Klagelied an Selbstsicherheit, die in
einem „erschütterndem Right“ ende. Das Gesumme könne als möglicherweise …
Hinweis darauf sein, wie es in der Downing Street 10 weitergehen wird.
Die Analyse des Radio-Senders hat inzwischen zahlreiche britische Musikern
zu einer eigenen Interpretation der Cameron-“Doos“ bewegt. Thomas Hewitt
Jones hat aus den vier Noten ein elegisches Werk für Klavier und Cello
komponiert, das in knapp zweieinhalb Minuten ein gefühlvolles Requiem für
den Premier anstimmt. Die venezolanische Pianistin Gabriela Montero,
bekannt für ihr Improvisationstalent, verwandelte Camerons Klagelied gar in
ein [3][barockes Meisterstück]. Unter dem Hashtag [4][#cameronslament]
tauchen bereits erste Hip-Hop und [5][Dub-Step-Remixes] zum melodischen
Abgang des britischen Premiers auf.
Will der scheidende Premier nicht gar ein Zeichen nach Deutschland senden
und summt möglicherweise die britische Version des Neue-Deutsche-Welle Hits
„Da, da, da“? Mit den Zeilen „Ich lieb Dich nicht, Du liebst mich nicht“
landete die Band Trio in den frühen 80er Jahren einen Überraschungerfolg in
Großbritannien. Wahrscheinlicher aber ist eben doch, dass der scheidende
britische Premier einfach nur einen guten Willen zeigen will, um am Ende
als nicht ganz so böser Mensch in die Geschichtsbücher einzugehen.
12 Jul 2016
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=rD05RZg7lXY
[2] https://twitter.com/Peston/status/752522917649539072?lang=de
[3] https://www.facebook.com/ClassicFM/videos/10154431137584260/
[4] https://twitter.com/search?src=typd&q=%23cameronslament&lang=de
[5] http://gawker.com/david-camerons-jolly-resignation-song-remixed-1783474371
## AUTOREN
Michael Gruber
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