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# taz.de -- Fußballverband Uefa: Es läuft einfach wie geschmiert
> Die Uefa-Führung taucht während der EM ab. Der Fall Platini wird
> ausgesessen. Und mit einem Rekordumsatz von 1,9 Milliarden Euro
> gerechnet.
Bild: Dieser Tage schweigt er: Der 1. Vizepräsident der Uefa: Angel Maria Vill…
PARIS taz | Weit über alle Flaggen hinaus ragt die blau-weiß-rote
französische Fahne. Klar doch, was würde man denn an einem
prestigeträchtigen Ort wie dem Rathaus von Bordeaux auch anderes erwarten?
Numerisch betrachtet hat allerdings die Uefa eindeutig die Macht
übernommen. Stolze 18 Fahnen mit seinem Emblem durfte der europäische
Fußballverband schön gleichmäßig verteilt auf dem gewaltigen
neoklassizistischen Gemäuer des Hôtel de ville anbringen. Es hat fast den
Anschein, als wäre hier einstweilen die Uefa-Zentrale untergebracht worden.
Das Rathaus von Bordeaux ist kein Einzelfall. Die Uefa markiert derzeit im
ganzen Land ihre Präsenz. An den Bahnhöfen und in den Fußgängerzonen der
Spielorte macht der Verband weitflächig mit überdimensionalen Buchstaben,
Fahnen sowie mobilen Informationssäulen auf sich und sein profitables
Turnier aufmerksam. 2014 erließ die französische Regierung ein Gesetz, das
der Uefa weitgehende Steuerbefreiung für die Zeit der EM zugestand.
Der Verband kalkuliert mit einem Rekordumsatz von rund 1,9 Milliarden Euro.
Das sind fast 50 Prozent mehr als bei der Endrunde 2012 in Polen und der
Ukraine. Die Geschäfte laufen also vortrefflich und der Apparat
funktioniert nahezu reibungslos. Die gut 6.500 rot bekleideten Volunteers,
die, logistisch perfekt vorbereitet, sich derzeit rund um die Stadien um
jedes noch so kleine Problem kümmern, sind derzeit die sichtbarste
Demonstration dafür, wie gut sich die Uefa aufs Organisieren und
Dienstleisten versteht.
Man hält die Fäden in der Hand. Wenn Unvorhergesehenes passiert, wie die
von russischen Fans initiierten gewalttätigen Ausschreitungen im Stadion
von Marseille, dann blendet man das einfach aus. Schließlich kontrolliert
die Uefa auch fast alle Fernsehkameras in den Arenen. Mit horrenden
Strafandrohungen (Turnierausschluss) lenkt der Verband zudem geschickt
davon ab, dass man doch selbst einmal versagt hat. Für die
Sicherheitsmaßnahmen in den Stadien ist die Uefa verantwortlich.
## Geschäftsführung im Dornröschenschlaf
Seltsam ist jedoch, wie wenig greifbar diese allgegenwärtige Organisation
ist. Nachdem der langjährige Übervater Michel Platini von der
Ethikkommission des Weltverbands letztlich für vier Jahre von jeglicher
Tätigkeit im Fußballgeschäft ausgeschlossen wurde, weil er einst ein
dubioses Honorar von der Fifa einstrich, darf er nun bei seinem Heimturnier
nicht auf den Ehrentribünen Platz nehmen. Der Uefa fehlt es an einem
Gesicht.
Die Geschäftsführung hat formal und aushilfsweise der 1. Vize-Präsident
Ángel María Villar Llona übernommen. Er soll am 10. Juli im Stade de
France dem Sieger den Pokal aushändigen. Vom Spanier ist in diesen Tagen
allerdings nichts zu vernehmen. Die größten Schlagzeilen produzierte er,
weil er beim torlosen Vorrundenspiel England gegen die Slowakei auf der
Tribüne neben dem britischen Prinzen William einschlief. Vermutlich leidet
er selbst ein wenig unter seiner ermüdenden Untätigkeit. Für eine dauerhaft
hohes Amt ist er nämlich nur schwer vermittelbar.
Die Fifa-Ethikkommission verurteilte ihn erst im vergangenen November zu
einer Geldstrafe von über 23.000 Euro, weil er bei der Aufklärungsarbeit
zur zweifelhaften Vergabe der WM 2018 und 2022 lieber schwieg als
mitzuhelfen.
Der Generalsekretär Theodore Theodoridis trat bislang ebenfalls kaum in
Erscheinung. Und wenn, dann mit ungewöhnlichen Treuebekenntnissen. Er
hoffe, sagte er dieser Tage, dass Wolfgang Niersbach dem
Uefa-Exekutivkomitee erhalten bleibe. Dem Deutschen droht der Ausschluss
durch die Fifa-Ethikkommission. Es geht um seine Verstrickungen in die
DFB-Affäre um die WM-Vergabe 2006 nach Deutschland. Ein schwebendes
Verfahren. Die Untersuchungskommission hat zwei Jahre Sperre gefordert.
Theodoridis sagt: „Das hat er nicht verdient. Wolfgang ist ein sehr starkes
und geachtetes Mitglied des Exekutivkomitees.“
## Fifa und Uefa ergänzen sich bestens
Hoch geschätzt wird in diesem Gremium auch der zypriotische Geschäftsmann
Marios Lefkaritis. Dass er kurz nach der Vergabe der Weltmeisterschaft 2022
an Katar Landbesitz im Wert von knapp 32 Millionen Euro an einen
katarischen Staatsfonds veräußerte, findet offenbar keiner seiner Kollegen
ehrenrührig.
Mit Vorwürfen dieser Art ist man vertraut im entscheidenden Organ der Uefa.
Deren Mitglied Hryhorij Surkis etwa, ein ukrainischer Oligarch, einst auch
Fußballpräsident des Landes, musste sich etwa vom zypriotischen Funktionär
Spyros Marangos vorhalten lassen, die Ukraine hätte die EM 2012 nur
deshalb mit Polen austragen dürfen, weil hohe Geldzahlungen geflossen
seien. Aufgeklärt wurde die Geschichte nie. Bekannt ist indes, dass Surkis
wegen einer Korruptionsaffäre lange Zeit nicht in die USA reisen durfte.
Gegen Davor Šuker hat die Uefa gar einst selbst wegen seiner Kontakte zum
Wettbetrüger Ante Šapina ermittelt. Für die Wahl des einstigen
Nationalspielers ins Exekutivkomitee im Frühjahr 2015 war das jedoch kein
Hindernis.
Fast schon amüsant mutet es an, dass die Wahl des ehemaligen
Uefa-Generalsekretärs Gianni Infantino zum Fifa-Präsidenten im Februar mit
Hoffnungen auf einen Neuanfang beim arg gebeutelten Weltverband Fifa
verknüpft wurde. Inzwischen wissen es auch die bislang Ahnungslosen: Die
beiden Organisationen ergänzen sich bestens. Infantino ist fast täglich mit
Vorwürfen der Vorteilsnahme konfrontiert. Nach jüngsten Ermittlungen soll
er Flüge mit Privatjets unternommen haben, die von der russischen Regierung
und vom Emir von Katar bezahlt wurden – den beiden Ausrichtern der nächsten
Weltmeisterschaften. Auch die Anschaffung einer Matratze für 10.000 Euro
verwundert.
Die Uefa, die sich in der Vergangenheit immer wieder mal gern moralisch
über die Fifa erhoben hat, gerät also auch durch das Verhalten ihrer
ehemaligen Mitglieder in Misskredit.
## Loyalität ist das größte Gut
Man bekommt bei dieser EM jedoch wenig mit von dieser finstren Gesellschaft
in der Uefa. Strippenzieher dieser Qualität drängt es nicht so ans Licht
der Öffentlichkeit. Sie wirken lieber im Hintergrund.
Die Suche nach einer repräsentativen Figur für die Nachfolge von Platini
geht weiter. DFB-Präsident Reinhard Grindel hat kürzlich gesagt: „Wir
brauchen einen Uefa-Präsidenten, der Integrität, Kompetenz und Erfahrung
vereinbart.“
Noch wird Platini auf der Website des europäischen Fußballverbands als
Präsident geführt, weil der Franzose sich erst am 14. September in Athen
beim Uefa-Kongress vor der Wahl seines Nachfolgers verabschieden möchte. Er
wolle sich noch einmal den 55 Mitgliedsverbänden präsentieren und sich für
Loyalität und Zusammenarbeit bedanken, hat er im Mai erklärt.
Das Problem ist nur, dass der Fifa-Bann einen solchen Auftritt nicht
erlaubt. Doch der Sportinformationsdienst will aus Uefa-Kreisen in
Erfahrung gebracht haben, dass man auch für dieses Problem eine Lösung
gefunden hat. Platini soll vor der offiziellen Eröffnung des Kongresses 15
Minuten Redezeit erhalten. Die Loyalität ist wirklich das größte Gut bei
der Uefa. Eigentlich braucht er sich gar nicht zu verabschieden. Der Laden
läuft doch auch so wie geschmiert.
4 Jul 2016
## AUTOREN
Johannes Kopp
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