# taz.de -- EMtaz: Elfmeterschießen sind großartig: Ungerecht, aber sexy | |
> Drama, Baby: Elfmeterschießen entsprechen der Logik des Fußballs. Weil | |
> sie überraschend, unfair und beschissen sind. | |
Bild: Ein Elfmeterschießen ist immer ein paar Tränen wert: Buffon weint nach … | |
Elfmeterschießen sind großartig. Weil sie ungerecht sind. Sie sind genau | |
wie der Fußballsport selbst: unfair, traurig und oft einfach nur | |
beschissen. Es ist eben der beste Sport, den wir haben. | |
Warum ist der Fußball so beliebt? Weil er unberechenbar ist. „Die Zuschauer | |
gehen zum Fußball, weil sie vorher nicht wissen, wie es ausgeht“, | |
herbergerte Sepp schon 1954 nach dem Wunder von Bern. Recht hat er noch | |
heute. Selbst zu Werder Bremen gegen den westfälischen Drittligisten | |
Sportfreunde Lotte gehen die Fans des Bundesliga-Klubs mit einem mulmigen | |
Gefühl ins Stadion, wenn nicht mit Angst. | |
Es kann immer alles passieren. Jede Mannschaft kann versuchen mit einer | |
leidenschaftlichen, Bayern-Fans sagen: ekligen, Verteidigungsleistung den | |
eigenen Strafraum in eine lebensfeindliche Betonwüste verwandeln. Um vorne | |
in der 90. Minute das absolut glückliche Kontertor erzielen. Oder das | |
unglaublich unverdiente Kacktor nach einer Standardsituation. Das ist | |
einfach ungerecht. Was könnte schöner sein? | |
Das Elfmeterschießen folgt dieser Logik. Es ist nicht einfach ein Münzwurf | |
am Ende der Spielzeit. Wer es schafft, 120 Minuten ohne Gegentor zu bleiben | |
oder zumindest nach der Verlängerung nicht in Rückstand ist, hat sich eine | |
Entscheidung per Elfmeterschießen verdient. Und dort haben es berühmte | |
Spieler meist schwerer als unbekannte. Denn die Müllers, Schweinsteigers | |
und Özils haben mehr zu verlieren als etwa Joshua Kimmich. Das | |
Elfmeterschießen ist damit im Kern das, was den Fußball zum beliebtesten | |
Sport dieses Planeten macht: ungerecht, aber sexy. Und wenn eben doch die | |
bessere Mannschaft gewinnt, gibt es jede Menge Drama gratis. Siehe | |
Deutschland gegen Italien. | |
## Natürlich schießt Geld Tore – aber nicht immer | |
In anderen Sportarten gibt es Punkte-Entscheidungen wie Sand in Rimini. | |
Beispiel Basketball: Dort gewinnt garantiert immer die bessere Mannschaft | |
die Playoffs. In den NBA-Finals messen sich zwei Mannschaften in einer | |
Best-of-Seven-Serie, also in bis zu maximal sieben Spielen. Cleveland traf | |
in der Finalserie 2016 ganze 263-mal den Korb, Gegner Golden State in | |
sieben Spielen halt nur 243-mal, Cleveland gewann mit 4:3 Spielen. So | |
einfach ist das. Über sieben Spiele hinweg ermittelten die beiden | |
Mannschaften in insgesamt 1.153 Wurfversuchen, wer die meisten Körbe | |
trifft. Das ist absolut gerecht. In vielen anderen populären Sportarten | |
gibt es es ähnlich viele Punktentscheidungen: Tennis, Handball, Cricket. | |
Man kann davon ausgehen, dass immer der beste Spieler auch Wimbledon | |
gewinnt. | |
Natürlich schießt Können, so gesehen auch Geld, statistisch erwiesenermaßen | |
Tore. Und meistens gewinnt auch im Fußball die bessere Mannschaft. Aber | |
weil es eben so wenige Punktentscheidungen gibt, hat eine schlechte | |
Mannschaft bei einer EM deutlich mehr Chancen, mit einem Glückstor eine | |
stärkere zu schlagen. Das ist gut so. | |
Die Taktik der Italiener ist das beste Beispiel für ein Konzept, dass eine | |
Mannschaftsleistung kaschieren kann, die schlechteren Spieler zu haben. In | |
einem einzelnen Spiel kann eine geschickte Verteidigungsleistung immer den | |
Nachteil eines schlechteren Kaders ausgleichen. | |
Bei dieser EM finden sich etliche weitere Beispiele: etwa Wales. Die haben | |
es mit einer Elf, die auf dem Papier, abgesehen von Aaron Ramsey und Gareth | |
Bale, gegen fast jeden Gegner als Außenseiter galt, bis ins Halbfinale | |
geschafft. Mit einer cleveren Ecken-Taktik ([1][Waliser Lokomotive]) und | |
einer unglaublichen Kampfleistung haben die Waliser die Supertalente der | |
goldenen Generation Belgiens aus dem Turnier geworfen. Siehe auch: Island, | |
das mit weiten Einwürfen [2][gegen England] weitergekommen ist und sich nun | |
an Frankreich versucht. Hoffentlich schaffen sie es ins Elfmeterschießen. | |
3 Jul 2016 | |
## LINKS | |
[1] /EMtaz-Viertelfinale-Wales--Belgien/!5318482 | |
[2] /EMtaz-Achtelfinale-England--Island/!5317501 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
EMtaz Meinung | |
Fußball | |
Italien | |
Elfmeterschießen | |
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft | |
Fußball | |
Public Viewing | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
EMtaz Meinung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Derby ohne Schmähungen: Osnabrück putzt Lotte weg | |
Mit Siegen gegen Bundesligateams im DfB-Pokal haben die Spieler der | |
Sportfreunde Lotte Eindruck gemacht – nur nicht auf den VfL Osnabrück. | |
EMtaz: Pöbelnde Schland-Fans: „Nie wieder Public Viewing“ | |
M. guckt in einer deutschen Kneipe ein EM-Spiel – und wird beleidigt und | |
bedroht. Der Deutsch-Italiener über Nationalismus, Aggressionen und | |
Fansein. | |
EMtaz: Läuft nicht beim DFB-Stürmer: Es müllert nicht mehr | |
Thomas Müller wartet weiter auf sein erstes Tor. Gegen Italien traf er | |
nicht mal vom Elfmeterpunkt. Er macht dennoch auf locker. | |
EMtaz: Wie man Elferschießen gewinnt: Großreinmacherei | |
Das Elfmeterschießen ist ein eigenständiges Spiel nach dem Spiel. Nicht | |
selten gewinnt jene Mannschaft, die das wirklich verstanden hat. | |
EMtaz: Halbfinale Frankreich – Schland: Les Bleus müssen verlieren | |
Triumphieren ist keine französische Spezialität. Man hat es nie recht | |
gelernt. Wenn die Franzosen gewinnen, weiß man schon: Das wird böse enden. | |
EMtaz: Löws Taktik gegen Italien: Epischer Wettstreit aus elf Metern | |
Wie 2012 änderte Deutschland die Aufstellung gegen Italien. Mit Erfolg: | |
Italien hatte kaum Chancen. Es wäre trotzdem fast schiefgegangen. | |
EMtaz: Viertelfinale: Deutschland – Italien: Schock-Horror-Krimi-Thriller | |
Neuer, Hector, Rakete: Italien und Deutschland erfanden im Elfmeterschießen | |
ein neues Fußballgenre. Gewonnen hat Deutschland. Endlich mal. | |
EMtaz: Sportsoziologe über Frankreich: „Sich danebenzubenehmen war mal“ | |
Der Soziologe Albrecht Sonntag über Frankreich als Fußballnation, die | |
verhaltene EM-Begeisterung im Land und den Hauptunterschied zu Deutschland. | |
EMtaz: Historische Presseschau: Germania, Germania, vaffanculo! | |
Italiener und Deutsche haben sich schon viermal zu großen K.-o.-Duellen bei | |
WM oder EM getroffen. Der Klassiker ist auch ein Fest für Zeitungsmacher. | |
EMtaz: Die Deutschen und Italiens Fußball: Ist es wirklich wahre Liebe? | |
Die deutschen Fans haben großen Respekt vor Italien. Seit dieser EM erfreut | |
sich das Conte-Team hierzulande auch noch größter Beliebtheit. Warum bloß? |