# taz.de -- EMtaz: Löws Taktik gegen Italien: Epischer Wettstreit aus elf Mete… | |
> Wie 2012 änderte Deutschland die Aufstellung gegen Italien. Mit Erfolg: | |
> Italien hatte kaum Chancen. Es wäre trotzdem fast schiefgegangen. | |
Bild: Der Saarländer Jonas Hector vom 1. FC Köln verwandelte mit etwas Glück… | |
BORDEAUX taz | Über 120 Minuten hatten sich wohl die Spieler beider | |
Mannschaften nichts sehnlicher gewünscht als das: einmal frei vor dem | |
gegnerischen Tor zum Schuss zu kommen. Zwei Stunden lang hatten sich | |
Deutschland und Italien in Bordeaux eine denkwürdige Abwehrschlacht | |
geliefert. Ihre Taktik war jeweils mit größter Perfektion aufs Verhindern | |
von Torchancen ausgerichtet. | |
Nur jeweils einmal mussten die beiden Großen ihrer Zunft, Gianluigi Buffon | |
und Manuel Neuer, hinter sich greifen. Letzterer war schon während des | |
Spiels nur vom Elfmeterpunkt aus zu bezwingen. Und dann sollte das | |
Elfmeterschießen die Entscheidung bringen. | |
Aber etliche überforderte diese große Freiheit vor dem Tor. Mit Thomas | |
Müller, Mesut Özil und Bastian Schweinsteiger versagten gleich drei | |
Spielern die Nerven und dennoch gewann die deutsche Elf diesen epischen | |
Wettstreit aus elf Metern, an dem sich unglaubliche 18 Spieler beteiligt | |
hatten. | |
Manuel Neuer, der mit seiner Parade gegen Matteo Darmian den Weg für den | |
jungen Jonas Hector geebnet hatte, die ungewohnte Heldenrolle des | |
siegbringenden Torschützen zu übernehmen, war sich schon unmittelbar nach | |
der Partie der historischen Tragweite des Geschehens bewusst: „Es war | |
wirklich ein Drama. Dass so viele Schützen angetreten sind, habe ich noch | |
nie erlebt. Das wird uns immer im Gedächtnis bleiben.“ | |
## Der Weltmeister musste für Italien umstellen | |
Eine klitzekleine Winzigkeit entschied also dieses Duell zwischen zwei | |
Mannschaften, die vor dem Turnier nicht wirklich vergleichbar schienen. Und | |
obschon Italien während der EM bereits demonstriert hatte, dass sie die | |
meist unterschätzte Elf war, staunte Teammanager Oliver Bierhoff auf ein | |
Neues: „Italien, die technisch nicht so versiert sind wie wir, hat gezeigt, | |
was man mit Organsiation und Einsatz alles schaffen kann.“ | |
Dieses Lob war fast schon ein wenig zu gönnerisch. Denn Antonio Conte, der | |
listige Trainer der Squadra Azzurra, der bislang stets den Gegner zum | |
großen Maßstab für das kleine Italien gemacht hatte, musste am Samstagabend | |
im Stade Matmut-Atlantique von Bordeaux feststellen, dass er mit den | |
eigenen Waffen geschlagen wurde. Das machte ihn gar ein wenig stolz. Er | |
sagte: „Die Tatsache, dass der Weltmeister seine Spielweise extra für uns | |
geändert hat, zeigt uns, wie sie uns respektieren.“ | |
Erstmals schickte Löw bei dieser EM mit Mats Hummels, Jérôme Boateng und | |
Benedict Höwedes eine Dreierabwehrkette aufs Feld, die bei gegnerischem | |
Ballbesitz von den Außenspielern Jonas Hector und Joshua Kimmich verstärkt | |
wurde. Er ließ sich offenbar nicht beirren von den permanenten Hinweisen in | |
den vergangenen Tagen auf das verzockte EM-Halbfinale von 2012 gegen | |
Italien, bei dem er sich angeblich zu sehr am Gegner orientiert habe. | |
## Löws Risikovermeidung war erfolgreich | |
Löw argumentierte gegenwartsbezogen. Es sei angesichts des italienischen | |
Offensivspiels zu gefährlich gewesen, wie bisher zu agieren. Er stärkte das | |
Zentrum, weil die Angriffe von Contes Team meist von den Außenseiten | |
initiierend ins Zentrum getragen werden. „Das war mein erster Gedanke nach | |
dem Spanienspiel“, erklärte der Bundestrainer zu seiner taktischen | |
Umstellung. | |
Die Risikovermeidung hatte in dieser Partie oberste Priorität. Unter dieser | |
Maßgabe ging der Spielplan durchaus auf. Die Italiener profitierten | |
letztlich davon, dass Boateng in der 78. Minute im Stile eines | |
Basketballers verteidigte – mit hoch in die Luft gereckten Armen und den | |
Ball so im Strafraum mit der Hand stoppte. „Das war eine unglückliche | |
Aktion beim Elfmeter“, sagte Löw, „ ich hätte mir nicht vorstellen könne… | |
dass Italien aus dem Spiel heraus ein Tor erzielt.“ | |
Eine Großchance darf man zumindest nicht unterschlagen, als Emnuele | |
Giaccherini kurz vor der ersten Halbzeit scharf in den Strafraum flankte | |
und Alessandro Florenzi den Ball nur knapp verpasste. | |
Allerdings litt unter der verstärkten Defensive die Variabilität der | |
Deutschen im Spiel nach vorn. Thomas Müller bekannte: „Dadurch hat wir | |
einen Mann weniger im Mittelfeld und mussten ab und zu schon | |
hinterherlaufen, aber das haben wir eben in Kauf genommen.“ | |
Joachim Löw sprach letztlich von einem verdienten Sieg, weil man zwei, drei | |
Chancen mehr gehabt habe. Mario Gomez etwa, der bereits Ausgangspunkt der | |
schönsten deutschen Kombination war, die Özil in der 65. Minute zum 1:0 | |
vollendete, hatte eine Riesenchance, die Buffon mit einem Riesenreflex | |
parierte. Am Ende lobte Bierhoff auch noch einmal seine eigene Mannschaft: | |
„Wir haben nicht den Kopf verloren, sind kein unnötig großes Risiko | |
eingegangen, und haben bis zum Ende versucht die Chancen zu nutzen.“ | |
Beinahe hätte diese Geduld aber das Aus bei dieser Europameisterschaft | |
bedeutet. | |
3 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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