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# taz.de -- EMtaz: Halbfinale Frankreich – Schland: Les Bleus müssen verlier…
> Triumphieren ist keine französische Spezialität. Man hat es nie recht
> gelernt. Wenn die Franzosen gewinnen, weiß man schon: Das wird böse
> enden.
Bild: Hummels trifft, Lloris ist machtlos, Deutschland gewinnt, Frankreich verl…
Der EM-Titel 1984 hat dem Fußball letzten Endes Platini als Funktionär
eingebrockt, der Sieg Marseilles 1993 im Pokal der Landesmeister fußte auf
einem der größten Bestechungsskandale der neueren Fußballgeschichte. Kaum
ist die Handballnationalmannschaft erfolgreich, schon sind wesentliche
Spieler in Wettmanipulationen verstrickt; und letzten Endes ist die
Konsequenz der Siege von 1998 und 2000 das Debakel von Knysna gewesen.
Und freilich steht Paris voll mit irgendwelchen Siegesbezeugungen aus der
Ära Napoleons, sprichwörtlich geworden aber ist die [1][Béresina], die
seinen Niedergang zementierte. Klappt irgendwas überhaupt nicht, breitet
man theatralisch die Hände aus und sagt: „C'est la Béresina“, als wäre d…
dramatische Scheitern im Grunde ohnehin Schicksal. Denn Scheitern hingegen,
das gelingt französischen Sportlern. Das ist eine französische Spezialität.
Der ganze Fußballboom in Frankreich geht im Grunde auch aufs Scheitern
zurück. Bis 1976 war Fußball im Grunde eine Nischensportart. Dann stand
Saint-Étienne im Finale des Landesmeisterpokals, gegen Bayern München, in
Glasgow, fing sich einen selten dämlichen Gegentreffer nach einem Eckball
und setzte selbst zweimal den Ball ans Gestänge. Das wäre kaum
erwähnenswert, aber die Pointe ist folgende: Ebenjenes Gestänge im Stadion
von Glasgow war noch eckig. Wäre es rund gewesen, die Bälle wären ohne
Frage reingegangen. So verlor St. Étienne, aber das machte nichts, dem Team
wurde ein riesiger Empfang auf dem Champs-Elysées bereitet, alle Franzosen
wurden Fan dieser Mannschaft, die danach noch ein paar Meisterschaften
gewann und dann in der Bedeutungslosigkeit versank.
In München gewinnt man nach dem Finale dahoam einfach später doch noch die
Champions League. In Saint-Étienne hingegen benennt man Restaurants und
Fanclubs nach den „Poteaux carrés“. Und ist das nicht auch sehr viel
sympathischer? „Kultur“, sagte einst Heiner Müller, „kommt nur von
Verlierern und aus der Niederlage. Das produziert Kultur. Die Sieger haben
noch nie Kultur produziert.“ Und daran hält sich Frankreich seit langer
Zeit.
## Im Triumph gibt es nichts zu gewinnen
Frankreich hat keine Kultur des Sieges, weil es eine intelligente Kultur
des Sieges nicht geben kann. Siegesfeiern sind immer idiotisch, immer schal
und schnell durchschaubar. Deswegen sind Fanmeilen, die ja als kollektive
Sieges- und Jubelorte angelegt sind, aus ästhetischen Gründen abzulehnen:
Man kann dort gar nicht anders, man muss blöder werden als man ist.
Die deutsche Nationalmannschaft hat das selbst aufs Trefflichste
demonstriert. Nach dem Halbfinale gegen Brasilien waren sie rührend
einfühlsam, sprachen mit den niedergeschlagenen Gegnern, trösteten und
kondolierten, als wären – was ja auch stimmte – nicht sie verantwortlich
für die Niederlage ihrer Opponenten, sondern das Spiel an sich, ein höheres
Prinzip, gegenüber dem man machtlos ist. Wie sympathisch, wie empathisch
das war! Und dann, nach dem Finalsieg – dem Triumph – tanzten sie den
Gaucho-Tanz. Und alle Größe war dahin.
Frankreich kann diese EM nicht gewinnen; weil es im Triumph nichts zu
gewinnen gibt außer einen Staubfänger, der in einer Vitrine steht. Achtbar
scheitern, das ist schon viel. Mehr kann man nicht verlangen. Mehr soll man
auch nicht verlangen.
Deswegen ist der französischen Mannschaft zu wünschen, dass sie im
Halbfinale jetzt verliert. Nicht für die Spieler, für sie wäre das freilich
traurig. Sondern für die größere Idee. Denn, so lässt die Geschichte
befürchten, einem Triumph wäre Frankreich schlicht nicht gewachsen.
4 Jul 2016
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_an_der_Beresina
## AUTOREN
Frederic Valin
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