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# taz.de -- Kolumne Knapp überm Boulevard: Demokratischer Optimismus
> Die Politologen Claus Leggewie und Patrizia Nanz haben ein neues Buch
> vorgelegt: „Die Konsultative. Mehr Demokratie durch Bürgerbeteiligung“.
Bild: Scho sehr gschmeidig, der Hofer… Zusammentreffen des französischen und…
Claus Leggewie hat sein neues Buch, das er gemeinsam mit Patrizia Nanz
geschrieben hat, in Wien vorgestellt: „Die Konsultative. Mehr Demokratie
durch Bürgerbeteiligung“ (Wagenbach). Und bevor man das noch diskutiert.
Bevor man noch alle seine Zweifel formuliert – ist da zunächst diese
unverschämt gute Stimmung. Wann hat man zuletzt Sätze wie: „Populismus ist
kein Schicksal.“ Kapitelüberschriften wie: „Politik für die Zukunft“
gelesen? Wann ist man zuletzt solch einem politischen Optimismus begegnet?
Der neue österreichische Bundeskanzler Christian Kern hatte gerade die
Parole ausgegeben, es gelte die schlechte Stimmung im Lande zu drehen. Denn
nichts sei so eine Wachstumsbremse wie die schlechte Laune. Und man muss
hinzufügen: Die schlechte Stimmung ist nicht nur Folge, sie ist
mittlerweile auch Ursache der aktuellen politischen Situation. Da kam Claus
Leggewie.
Sein antizyklischer demokratischer Optimismus behauptet: Man müsse dem
populistischen Narrativ eines autoritären Nationalismus eine andere
Geschichte entgegensetzen. Das allein ist ja nichts wirklich Neues. Neu ist
aber, dass Leggewie und Nanz versuchen, diese Geschichte auch zu
skizzieren. Um der Krise beizukommen, brauche es, so die Autoren,
demokratischen Experimentalismus und „institutionelle Fantasie“.
Ihre Fantasie nährt sich von dem, was sie als „Partizipationsstau“
bezeichnen. Also das weit verbreitete und unerfüllte Bedürfnis der Bürger
zu partizipieren, teilzunehmen, sich zu engagieren. Das ist die Ressource,
aus der sich die Reanimierung der Demokratie speisen soll. Eine Ressource,
die zwar bereits in den 1960er Jahren mit der
„Beteiligungsrevolution“„entdeckt“ wurde, die aber heute eine Verschieb…
nach rechts erfahren hat. Letzter Befund bedeutet, Eulen nach Wien zu
tragen.
Leggewie aber will diese Ressource unverdrossen zurückgewinnen und schlägt
deshalb eine Form für das neue Narrativ vor. Ja, er beginnt mit einer Form
und nicht mit einem Inhalt. Diese Form sieht er in den „Zukunftsräten“,
einem Modell der Bürgerbeteiligung, in dem Partizipationswillige sich zur
vierten Gewalt im Staate, zur „Konsultativen“, also zur beratenden Gewalt,
formieren sollen.
## Von der Endlagersuche bis zur Flüchtlingsthematik
Hier soll die „Weisheit der Vielen“ sich artikulieren, erstreiten,
formulieren. Diese „Zukunftsräte“ sind ein Bürgerbeteiligungsverfahren, d…
Zukunftsthemen – von der Endlagersuche bis zur Flüchtlingsthematik –
konkret behandeln und beraten soll. Konkret heißt dabei: vom eigenen
Betroffensein ausgehend, gesellschaftliche Lösungen erstreiten. Das
Narrativ sollte sich also als Zukunftserzählung aus dieser Form entwickeln.
Ein gestandener Politologe wie Leggewie weiß natürlich um all die
Fallstricke und Romantizismen eines solchen Modells Bescheid und nimmt
Einwände dieser Art selbst vorweg. Einen Einwand aber gegen dieses Modell
der Bürgerkonsultation als antipopulistisches Prozedere – wo also der
Beratungsprozess gegen die plebiszitäre Stimmungsmache gesetzt wird – kann
auch er nur schwer ausräumen: Der rechte Populismus hat das Terrain, auf
dem politische Konflikte ausgetragen werden, verschoben. Er hat die
„Identität“ – ob nationale, ethnische oder religiöse – zu jenem Berei…
jener Frage gemacht, an der wir unsere Demokratie, unsere Gesellschaft
verhandeln.
Der Erfolg der Verlagerung des politischen Diskurses auf die Identität, der
Erfolg, dass der Streit über Identität zum zentralen und unverhandelbaren
Konflikt wird, gehört zur Eroberung der rechten Hegemonie. Das aus einem
Land geschrieben, wo diese Hegemonie weit „fortgeschritten“ ist. Eine
Strategie, die umso erfolgreicher ist, als sie massive Emotionen weckt und
bindet. Wie sollen die „Zukunftsräte“ dagegen ankommen?
Leggewies Antwort lautet: Auf dem Terrain der Identität sei der Kampf gegen
den rechten Populismus ohnehin nicht zu gewinnen. Deshalb müsse man das
Terrain wechseln und die Energien anderswo binden, anderswo investieren.
Diese Frage gilt es weiter zu diskutieren, denn sie ist die entscheidende
Frage für alle antipopulistischen Strategien: Braucht es einen
Terrainwechsel oder die Ausbildung von Gegenidentitäten?
29 Jun 2016
## AUTOREN
Isolde Charim
## TAGS
Rechtspopulismus
Claus Leggewie
Patrizia Nanz
Christian Kern
Claus Leggewie
Claus Leggewie
Polygamie
Recep Tayyip Erdoğan
Österreich
Rechter Populismus
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