# taz.de -- Neues Album von Sun Kil Moon: Push-ups in Umbrien | |
> Mark Kozelek hat zusammen mit Drone-Spezialist Justin K. Broadrick alias | |
> Jesu ein Album aufgenommen. Auch Fanpost ist darauf zu hören. | |
Bild: Manchmal genial, manchmal präpotent: Mark Kozelek alias Sun Kil Moon | |
Mark Kozelek hat nicht einfach Fans. Seine Gefolgschaft, die sich quer über | |
den Globus verteilt, verehrt ihn wie einen Messias. Nur ungern teilt sie | |
den Songwriter und Kopf der Band Sun Kil Moon (benannt nach dem | |
südkoreanischen Boxer Sung-kil Moon) mit anderen, womöglich gar neu | |
hinzukommenden Anhängern. | |
Wie seine Fans drauf sind, das kann man auf dem im Januar erschienenen | |
Album, einer Kollaboration mit Justin K. Broadrick alias Jesu, | |
nachvollziehen. Darauf zitiert Kozelek in gleich zwei Stücken Zuschriften | |
seiner Hörerschaft. Zum Beispiel die Mail eines Victor aus Singapur. Dieser | |
gibt sich als Hardcore-Follower von Sun Kil Moon und verachtet all die | |
Hipster, die nur wegen des von Kritikern hochgelobten 2014er-Albums „Benji“ | |
auf den Sun-Kil-Moon-Zug aufgesprungen seien. | |
Diese Anekdote sagt viel darüber aus, was Sun Kil Moon und Mark Kozelek | |
auszeichnen. Denn wer liest schon mitten in Songs die Briefe seiner Fans | |
vor? Rockstargehabe? Sicher auch. Aber eigentlich ist es nur typisch für | |
Kozelek, dass er all das in seinen Liedern verwendet, was ihm im Alltag | |
begegnet. Seine Texte sind tagebuchartig angelegt, sie dokumentieren | |
minutiös sein Komponistenleben, sind dabei oft lakonisch. | |
Ob er einen Film guckt, sich auf einen Boxkampf freut, auf Tour ist, ob er | |
eine Rezension liest („And Pitchfork gave me a 6 that day and I said ‚man, | |
what took them so long?‘“) oder ob er eben Fanpost bekommt: All das | |
thematisiert er in seinen Songs. Es sind vor allem diese Texte – mal lange | |
Streams of Consciousness, mal eher Short Story –, die einen Kult um Mark | |
Kozelek haben entstehen lassen. Inzwischen gibt es gar eine Fake-Band, die | |
versucht, dessen Stil zu parodieren. | |
Höchste Zeit, den 49-jährigen Gitarristen und Sänger auch hierzulande | |
stärker wahrzunehmen. Das zu Jahresbeginn erschienene Album „Jesu/Sun Kil | |
Moon“ ist eine super Gelegenheit dazu. Dabei ist es eine äußerst | |
untypische. Auf den vorherigen sieben Alben der 2002 gegründeten Band war | |
zumeist Spoken Word zur akustischen Gitarrenbegleitung zu hören. | |
## Konzertbericht vertont | |
Nun hat er sich mit Justin K. Broadrick einen Partner ins Boot geholt, der | |
einst bei Napalm Death mitwirkte und mit seiner Band Godflesh | |
Industrial-Metal spielt. Mit seinem Solo-Projekt Jesu steht Broadrick eher | |
für Gitarrendrones. Passend wiederum, dass Mark Kozelek auf dem | |
Sun-Kil-Moon-Vorgängeralbum „Universal Themes“ einen | |
Godflesh-Konzertbericht vertont hatte („The Possum“). | |
In den zehn Songs und den fast 80 Minuten Musik ergänzen sich nun die | |
flächigen, wuchtigen Gitarrenklänge Broadricks hervorragend mit der so | |
schwermütigen wie schwerfälligen Stimme des Geschichtenerzählers Kozelek. | |
Wenn noch Synthesizer mit dazukommen wie bei „A Song of Shadows“, dann | |
klingt das trotz der unterlegten Gitarrenwände fast hittauglich. | |
„America’s Most Wanted Mark Kozelek and John Dillinger“ dagegen ist ein | |
typischer, vor sich hin plätschernder Tour-Song, der in Umbrien und der | |
Toskana spielt und von Sauna und Whirlpools, vom Fithalten mit Push-ups und | |
Sit-ups, von Käsepizza und „Many many many many Cappuccinos“ handelt, die | |
Fahrer Francesco trinkt. | |
## Humor und die Fähigkeit zur Selbstironie | |
Seinen Gesang variiert Kozelek: Im einen Stück singt er mit Baritonstimme, | |
im nächsten spricht er mit sehr charakteristischem Timbre. Humor und die | |
Fähigkeit zur Selbstironie zeigen sich in den Songtiteln, der wohl schönste | |
des Albums lautet: „Last Night I Rocked the Room Like Elvis and Had Them | |
Laughing Like Richard Pryor“. | |
Kozelek, der in Ohio aufgewachsen ist und später nach Georgia ging, begann | |
mit dem autobiografischen Songschreiben nicht erst mit Sun Kil Moon. | |
Zwischen 1989 und 2001 war er Kopf der Rockband Red House Painters. Danach | |
hat er, neben weiteren Bandprojekten, sechs Alben unter bürgerlichem Namen | |
veröffentlicht, so auch eine tolle Kollaboration mit Jimmy LaValle von The | |
Album Leaf (Perils From The Sea, 2013). | |
Vor Kurzem ist zudem „Mark Kozelek Sings Favorites“ erschienen, ein Album | |
mit Coverversionen. Darauf sind Songs von David Bowie („Win“) und Modest | |
Mouse („Float On“) zu hören, genauso Klassiker wie „Something stupid“, | |
„I’m not in love“ oder „Somewhere over the rainbow“. Überraschend da… | |
ist, dass Kozelek durchgängig am Piano zu hören ist, das Album basiert auf | |
seinem Klavierspiel und Gesang. Musikalisch ist es bei Weitem nicht so | |
spannend wie die Kollaboration mit Jesu. | |
## Mehr als 50 Veröffentlichungen | |
Da Kozelek regelmäßig Live-Alben veröffentlicht, dürfte er inzwischen an | |
mehr als 50 Veröffentlichungen beteiligt gewesen sein. Als Schauspieler hat | |
er etwa in Cameron Crowes „Vanilla Sky“ (2001) und zuletzt in „Ewige | |
Jugend“ von Paolo Sorrentino mitgewirkt, wo er sich selbst spielte. | |
Kozelek ist leider bisweilen ein ziemlicher Kotzbrocken. So gab es im | |
vergangenen Jahr eine Kontroverse um ihn, als er die britische Journalistin | |
Laura Snapes, die wegen eines Interviews angefragt hatte, von der Bühne | |
sexistisch beschimpfte („Laura Snapes totally wants to fuck me / get in | |
line, bitch … Laura Snapes totally wants to have my babies“, sang er da vor | |
1.900 Menschen im Saal). | |
Dass er in seinen Songs auch sehr empathisch sein kann, zeigt „Fragile“, | |
das wohl berührendste Stück des neuen Albums. Es ist ein Lied für den an | |
Leukämie gestorbenen Yes-Sänger Chris Squire – und gleichzeitig ein | |
Gedenken an einen ebenfalls auf diese Weise zu Tode gekommenen | |
Kindheitsfreund Kozeleks, der auch Chris hieß. Und wie Kozelek da von einer | |
Nachricht ausgehend eine persönliche Geschichte erzählt, die man als Hörer | |
geradezu bildlich vor sich sieht, das zeigt ihn voll auf der Höhe seiner | |
Kunst. Man könnte glatt Fan werden. | |
17 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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