# taz.de -- Berlins Pannenflughafen BER: Ein Wahlgeschenk für Müller | |
> Ob der BER wie geplant Ende 2017 eröffnet wird, kann laut dem | |
> Flughafenchef erst im Oktober feststehen – wenige Wochen nach der | |
> Berliner Wahl. | |
Bild: Der Chef und seine Baustelle: Karsten Mühlenfeld auf dem BER-Gelände | |
Seit vier Jahren harrt der vermeintliche Großflughafen BER seiner | |
Eröffnung. Und mit jeder neuen Verschiebung des Starttermins – ursprünglich | |
war der 3. Juni 2012 vorgesehen –, und den entsprechend angepassten | |
Kostenschätzungen von 2,4 Milliarden auf inzwischen rund 6 Milliarden Euro | |
stand die Frage im Raum, ob man sich über die offensichtliche politische | |
Inkompetenz noch aufregen solle, dürfe, ja sogar müsse? Schließlich geht es | |
um wahnsinnig viel Geld, um das wichtigste politische Einzelprojekt der | |
Landespolitik und um die größte Berliner Peinlichkeit. | |
Nach dem dritten, vierten oder fünften Termin – wer weiß schon noch, bei | |
welcher Zählung wir inzwischen sind? –, hat sich in dieser Hinsicht eine | |
Entspanntheit bei den Berlinern eingeschlichen, die man zum Beispiel auch | |
während Streiks (oder Pannenserien) im öffentlichen Nahverkehr beobachten | |
kann: „Kommt die Bahn heute nicht, kommt sie morgen.“ Oder ist das schon | |
Lethargie? | |
Am Montagmorgen, kurz bevor der BER-Untersuchungsausschuss des | |
Abgeordnetenhauses seine Bilanz vor der Presse zog, machte Karsten | |
Mühlenfeld den ultimativen Test, was die Berliner aushalten in Sachen | |
politischer Zumutungen: „Wir brauchen uns erst Ende Oktober dieses Jahres | |
festzulegen auf einen Termin, und vorher legen wir uns nicht fest“, | |
erklärte der Flughafenchef. | |
Im Klartext: Vor der Parlamentswahl am 18. September wird eben nicht klar | |
sein, ob und gegebenenfalls wie es mit dem BER weitergeht. Darüber darf man | |
sich dann doch mal wieder aufregen. | |
Denn der Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft heißt Michael Müller, | |
ist noch Regierender Bürgermeister – und ihm hätte Klarheit in Sachen BER | |
im Wahlkampf sehr wahrscheinlich geschadet. Denn dass der Flughafen | |
frühestens 2018 startbereit sein wird, hatte Müller selbst bereits | |
angedeutet in einem Interview Ende April: „Ich glaube nicht, dass es eine | |
entscheidende Frage ist, ob wir Ende 2017 oder vier Wochen später | |
eröffnen.“ Die Frage ist natürlich, ob es sich nur um vier Wochen handeln | |
wird. Wahrscheinlich ist – das zeigt die BER-Empirie – etwas anderes. | |
Mühlenfeld versucht mit seiner Aussage vom Montag auch die Antwort auf eine | |
weitere Frage zu geben, die seit den regelmäßigen Eröffnungsverschiebungen | |
im Raum steht: Wie gelingt es Rot-Schwarz, das BER-Debakel aus dem | |
Wahlkampf herauszuhalten? | |
Schon zum Volksentscheid über die Bebauung des Tempelhofer Feldes 2014 | |
hängten die Grünen selten ironische Plakate auf, auf denen sie den damals | |
noch Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit mit dem BER-Debakel in | |
Verbindung brachten: „Würden Sie diesem Mann noch einen Flughafen | |
anvertrauen?“ stand unter dem Foto eines lethargisch wirkenden | |
Regierungschefs. Wowereit verlor die Abstimmung überraschend deutlich, trat | |
kurz darauf zurück. Sein Nachfolger wurde Stadtentwicklungssenator Müller – | |
der eigentlich noch größere Verlierer jenes Volksentscheids. | |
Müller mit dem BER-Debakel in Verbindung zu bringen, ist schwieriger. Er | |
amtiert erst seit einem Jahr als Aufsichtsratschef, und das auch nur wider | |
Willen: Es wollte schlicht kein anderer diesen Job machen, weder ein | |
Vertreter aus Brandenburg noch einer des Bunds, beide Miteigentümer des | |
geplanten Großflughafens. Und über eine weitere Verschiebung der Eröffnung | |
kann man nun vor der Wahl nur spekulieren. | |
## Warten auf die Panne | |
Wenn nicht eine erneute schwere Panne auf der Baustelle bekannt wird, | |
bleibt der Opposition in den nächsten Monaten wenig anderes übrig, als | |
Rot-Schwarz in Gänze für das Versagen auf der Schönefelder Baustelle | |
verantwortlich zu machen. Das macht weniger Spaß und verfängt auch nicht so | |
gut beim Wähler – stimmt aber, wie ein Blick in den | |
BER-Untersuchungsbericht und zurück auf den Beginn der Legislatur zeigt: | |
Schon im Dezember 2011 war offensichtlich, dass SPD und CDU für die | |
folgenden fünf Jahre kein gemeinsames Ziel hatten – außer der | |
BER-Eröffnung, die alles überstrahlen sollte. Davon ist Berlin weiter weit | |
entfernt – wie weit, weiß immer noch keiner. | |
20 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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