# taz.de -- Großbritannien vor dem EU-Referendum: Zwischen Revolte und Revanch… | |
> Seit Jahrzehnten kämpfen britische Politiker für einen Austritt aus der | |
> EU. Nun sieht es so aus, als könnten sie Erfolg haben. Schuld sind ihre | |
> Gegner. | |
Bild: Alles very British zum 90. Geburtstag der Königin | |
LONDON taz | Wer dieser Tage nach London kommt, könnte meinen, | |
Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union sei längst | |
beschlossen. Riesige britische Fahnen säumen die zentrale Einkaufstraße | |
Oxford Street. Auf roten Doppeldeckerbussen prangt der Spruch „Independence | |
Day 23 June“. | |
Als „Unabhängigkeitstag“ bezeichnen die britischen EU-Gegner den 23. Juni, | |
den Tag des Referendums über einen Austritt Großbritanniens aus der Union. | |
Es ist auch der Tag, an dem der Film „Independence Day Resurgence“ anläuft, | |
Außerirdische versuchen ein zweites Mal, die Erde zu erobern. Der | |
Werbeslogan: „Wir wussten immer, dass sie wiederkommen“. Das passt auch | |
recht gut zu dem, was gerade in Großbritannien passiert. | |
Seit Jahrzehnten versuchen die EU-Gegner, das europäische Projekt aus der | |
britischen Politik zu verbannen. Jetzt, wenige Tage vor der | |
Volksabstimmung, sieht es so aus, als hätten sie Erfolg. Das Brexit-Lager | |
liegt in allen Umfragen vorn. | |
John Redwood ist Euroskeptiker der ersten Stunde. Vor gut zwanzig Jahren | |
als junger rechter Rebell hatte der Parlamentarier der konservativen Partei | |
den Ruf eines Sonderlings. Jetzt erlebt Redwood einen zweiten Frühling. Am | |
Tag vor seinem 65. Geburtstag spricht der hochgeschossene schmale Mann in | |
einem kleinen Sitzungssaal des Parlaments vor erlesenen Gästen eines | |
Arbeitskreises und freut sich diebisch. | |
„Wir stehen möglicherweise wenige Tage vor Independence Day“, säuselt | |
Redwood mit seidenweicher Stimme. Seine Augen leuchten. „Wir stehen | |
möglicherweise wenige Tage vor der Rückeroberung unserer Demokratie. Die | |
kostbare Blume der Freiheit ist in Reichweite.“ | |
## Freizeitelite trifft auf Fischerflotte | |
Ohne die Europäische Union, sagt Redwood, wird Großbritannien | |
„wohlhabender, demokratischer, einflussreicher“, es wird „seine Stimme | |
wiederfinden“. Er redet sich in Fahrt: „Dies ist keine komplizierte oder | |
schwierige Angelegenheit. Es geht um die Grundsatzfrage: Was für eine Art | |
Volk sind wir? Wollen wir uns selbst regieren oder von anderen regiert | |
werden? Das versteht Big Business nicht.“ | |
Redwood will vierzig Jahre britischer Politik korrigieren. Der konservative | |
Premier Ted Heath führte Großbritannien 1973 in die Europäische | |
Wirtschaftsgemeinschaft. Margaret Thatcher begründete 1986 den Gemeinsamen | |
Markt mit, Fundament der EU. Ihr Nachfolger John Major unterschrieb 1992 | |
die Maastricht-Verträge, die den Euro möglich machten. Sein | |
Labour-Nachfolger Tony Blair öffnete den britischen Arbeitsmarkt 2004 als | |
erstes EU-Land für die osteuropäischen Beitrittsländer. | |
Seit der Rückkehr der Konservativen an die Macht 2010 unter David Cameron | |
wartet der rechte Parteiflügel auf die Gelegenheit, das alles rückgängig zu | |
machen. Für beide Seiten innerhalb der Conservative Party geht es jetzt um | |
ihr Lebenswerk. | |
Die Stimmung ist aufgeheizt. „Leave“ gegen „Remain“, „Out“ gegen �… | |
bewerfen sich mit Halbwahrheiten und Übertreibungen. „Leave“ sagt: Die EU | |
wird immer mehr Geld von uns brauchen, um den Euro zu retten, sie plant | |
Visafreiheit für 75 Millionen Türken, sie wird sich weiter zentralisieren. | |
„Remain“ sagt: Bei einem Austritt verlieren wir den europäischen Markt, es | |
wird eine Rezession geben, alle werden ärmer, und am Ende gewinnt Putin, | |
weil Europa gespalten ist. | |
Die, die raus wollen aus der EU, finden sich nicht nur bei den | |
Konservativen. Vor allem Rechtspopulisten wie Nigel Farage mit seiner | |
United Kingdom Independence Party werben für den Austritt. Die Führerin der | |
wichtigsten Anti-EU-Kampagne „Vote Leave – Take Control“ ist neben Michael | |
Gove, dem konservativen Justizminister, Gisela Stuart, die stille | |
deutschstämmige Labour-Abgeordnete aus Birmingham. | |
## Nigel Farage und seine „Unabhängigkeitsflotte“ | |
„Take Control“, die Kontrolle übernehmen. Dieser Slogan trifft einen Nerv. | |
Jede Woche, so das bekannteste Argument von „Vote Leave“, schickt | |
Großbritannien 350 Millionen Pfund, also 450 Millionen Euro, nach Brüssel – | |
damit könnte man jede Woche ein Krankenhaus bauen und die Misere des | |
staatlichen Gesundheitssystems NHS beenden. | |
Die Regierung Cameron tut diese Zahl als Propaganda ab: 350 Millionen pro | |
Woche ist der Bruttobetrag, vor Abzug des britischen Rabatts und | |
zurückfließender EU-Fördergelder. Aber das verfängt nicht. | |
Der Rabatt und die Fördergelder sind Brüsseler Entscheidungen, kontern die | |
EU-Gegner. Erst einmal zahlen wir. Warum behalten wir das Geld nicht und | |
verfügen darüber selbst? | |
„Die Deutschen kriegen unser Geld. Ist das nicht eine Schande?“, sagt eine | |
Rentnerin aus Southampton, die an diesem Mittwoch nach London gekommen ist, | |
um Nigel Farages „Unabhängigkeitsflotte“ zu sehen. Dutzende Fischerboote | |
tuckern die Themse hoch zum Parlamentsgebäude von Westminster, die | |
Fischerei ist unstrittig der am meisten von der EU gebeutelte | |
Wirtschaftszweig. Die Boote ankern vor der Restaurantterrasse am Ufer. | |
Martialisch gekleidete Polizisten in schwarzen Schlauchbooten halten sie | |
auf Abstand. | |
„Wir wollen unser Wasser zurück“ steht auf Transparenten, die an den Booten | |
angebracht sind, und „Hart arbeitende Menschen werden bestraft“. Oben auf | |
der Westminster Bridge jubeln „Leave“-Anhänger. Eine resolute Asiatin, die | |
ihren halb gelähmten Mann im Rollstuhl hergebracht hat, schimpft laut: „Die | |
sagen, wir brauchen die Einwanderer, um den NHS aufrechtzuerhalten. Dass | |
ich nicht lache! Ich habe fünf Verwandte, die im NHS arbeiten. Die | |
verdienen zu wenig, sie können sich nicht einmal mehr leisten, in London zu | |
leben. Und dann bringen diese Agenturen europäische Arbeiter herein und | |
bezahlen sie noch schlechter.“ Sie ist so erregt, dass ihre Ohrringe | |
schlackern. | |
Plötzlich mischt sich unter die vielen kleinen Boote ein Ausflugsdampfer | |
voller junger Leute, die mit riesigen weißen „In“-Plakaten wedeln: Ja zur | |
EU. Auf dem Deck brüllt ein Mann in einen Lautsprecher: „Nigel! Nigel! Du | |
bist ein Lügner! Ein Betrüger! Nigel! Nigel!“ Wie sich herausstellt, ist es | |
Bob Geldof, früher berühmt als Sänger von „I don’t like Mondays“, heute | |
hauptberuflich Armutsbekämpfer und Kumpel von Expremier Tony Blair. | |
Die Menschen auf der Brücke sind entsetzt, die Fischer empört. Sie haben | |
keine Lautsprecher. Geldof brüllt von oben herab auf seinem weißen Kreuzer. | |
Auf der einen Seite die mondäne Freizeitelite mit der großen Klappe, auf | |
der anderen die sich abmühenden, kleinen Leute, die kaum Gehör finden: | |
Dieser Auftritt illustriert, warum das Pro-EU-Lager an Sympathien verliert. | |
## Warum Jo Cox auf einem Hausboot wohnte | |
Neben Geldofs Schiff wuseln noch einige kleine „In“-Schlauchboote herum. In | |
einem sitzt die Labour-Abgeordnete Jo Cox aus Yorkshire, die seit ihrer | |
Wahl ins Unterhaus 2015 in London wegen der Wohnungsnot ein Hausboot | |
bezogen hat und Wahlkampf für „Remain“ macht. Die 41-Jährige hat ihren Ma… | |
und ihre beiden kleinen Kinder mitgebracht. | |
Als die Coxes sich einem Fischkutter nähern, werden sie mit einem | |
Wasserschlauch durchnässt. Sie twittern über die „Schlacht auf der Themse�… | |
Einen Tag danach tötet ein Attentäter Jo Cox in ihrem Wahlkreis. Das Land | |
ist geschockt, der Wahlkampf wird ausgesetzt. Es ist der erste | |
Politikermord in Großbritannien seit den Zeiten des Terrors der | |
Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Linke Kommentatoren machen das | |
aufgeheizte Klima für den Mord mitverantwortlich, das rechte Gewalt | |
begünstige. | |
Denn dass die Brexit-Befürworter in den Umfragen gerade so gut dastehen, | |
hat vor allem mit einem Thema zu tun: Einwanderung. Seit der Öffnung des | |
britischen Arbeitsmarkts für die osteuropäischen Beitrittsländer 2004 haben | |
sich fast 2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien niedergelassen, 2015 war | |
mit einem Plus von 185.000 dieser Migranten ein Rekordjahr. Statistisch | |
gesehen sind die Einwanderer ein Zugewinn für die Volkswirtschaft. Aber der | |
Zuzug belastet auch die Kommunen und verdrängt ungelernte Einheimische aus | |
dem Arbeitsmarkt. | |
„Das Hauptthema sind die Einwanderer, egal von wo“, sagt Juliet Lodge, | |
Politikprofessorin an der Universität Leeds. „Man macht sie verantwortlich | |
für Sozialbetrug, Schmuggel, Kriminalität, Lohndrückerei und dass sie den | |
Einheimischen Häuser, Schulplätze und Gesundheitsversorgung wegnehmen. Je | |
ungebildeter jemand ist, egal wie alt oder wie wohlhabend, desto eher wird | |
er ‚Leave‘ wählen. Die ‚Remain‘-Kampagne ist Westminster-zentriert, un… | |
funktioniert nicht.“ | |
Auch die ermordete Jo Cox schrieb über Einwanderung, ihr letzter Text | |
erschien sechs Tage vor dem Attentat. „Es ist völlig in Ordnung, sich | |
Sorgen wegen der Einwanderung zu machen“, schrieb sie in ihrer | |
Lokalzeitung. „Viele Leute machen sich Sorgen. Das heißt nicht, dass sie | |
Rassisten oder Ausländerfeinde sind. Aber Sorgen wegen der Einwanderung | |
sind kein Grund, für den Brexit zu stimmen.“ | |
Sie sind aber für viele ein Grund, gegen Cameron zu stimmen. Sein zentrales | |
Wahlversprechen 2010 und 2015 lautete, die Einwanderung auf unter 100.000 | |
im Jahr zu begrenzen. Stattdessen steigt sie jedes Jahr weiter. | |
Großbritannien kann EU-Ausländer nicht abweisen, solange es EU-Mitglied | |
ist. Also kann Cameron sein Wahlversprechen nicht halten. Das europäische | |
Projekt – hier wurde es zur Falle. | |
## Der Geheimdienstmann ist für die Union | |
In den Hallen von Lincoln’s Inn mitten in London scheint es, als sei die | |
Zeit stehengeblieben. Das Ensemble majestätischer Gebäude in einem stillen | |
Park gehört einer der vier englischen Anwaltskammern aus dem Mittelalter, | |
wer hier Mitglied wird, ist ganz oben angekommen. In der Great Hall von | |
Lincoln’s Inn, eine Banketthalle von der Größe eines Kirchenschiffs voller | |
kostbarer Gemälde, doziert am Montagabend vor über 200 Zuhörern einer der | |
Mächtigsten von ihnen anhand von Camerons Wahlversprechen, warum | |
Großbritannien die EU verlassen muss. | |
„Es geht um Demokratie“, sagt der Redner. Er spricht überlegt und | |
kontrolliert. „Wenn man wegen Entscheidungen anderer seine Versprechen | |
nicht halten kann, greifen die Hebel der Kontrolle nicht mehr, und | |
Demokratie wird untergraben und zersetzt. Wir haben das Recht, uns selbst | |
zu regieren, und wir werden am 23. Juni unser Geburtsrecht zurückbekommen.“ | |
Der Redner ist Michael Howard, langjähriger Innenminister in den 1990er | |
Jahren und später kurz Oppositionsführer gegen Tony Blair. Früher war er | |
für den EU-Beitritt. Jetzt erklärt der braungebrannte 74-jährige Jurist die | |
EU zum permanenten Verfassungsbruch: „Kein anderer Vertrag, den wir | |
unterschrieben haben, beinhaltet die Aufgabe unserer Selbstbestimmung.“ | |
Howards Gegenüber ist Dominic Grieve, Generalstaatsanwalt bis 2014 und | |
heute Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im britischen Unterhaus. | |
Zurückhaltend gibt der 60-Jährige die Regierungsargumente wieder: | |
Großbritannien braucht den gemeinsamen Markt, die Antiterrorkooperation in | |
der EU, den Handel und die Investitionen aus Europa. Und es habe doch schon | |
einen Sonderstatus. „Wir haben unterschiedliche Kulturen, aber gemeinsame | |
Werte. Wir sollten darauf aufbauen und nicht alles wegwerfen, was wir so | |
erfolgreich errungen haben.“ | |
Es wäre vermutlich möglich, solche Argumente mit Leidenschaft vorzutragen, | |
aber Grieve ist kein Mann von Leidenschaft. Ganz Technokrat, erklärt er, | |
seine Pro-EU-Haltung sei Ergebnis einer Risikoabwägung. Am Ende der | |
Veranstaltung sprechen sich die Versammelten mit 153 zu 71 Stimmen für die | |
EU aus. Trotzdem stellen sie hier Fragen wie: „Wieso sollte ich | |
optimistisch sein, dass die EU reformierbar ist?“ oder „Finden Sie, dass | |
dieser Wahlkampf Niveau hat?“ Howard antwortet: „Ich bin enttäuscht“. | |
Grieve: „Es ist sehr deprimierend.“ | |
In diesem Wahlkampf geht es auch um alte politische Fehden. Michael Howard | |
war der politische Pate David Camerons, der ihm 2005 als konservativer | |
Parteichef nachfolgte. Jetzt sind beide voneinander abgrundtief enttäuscht, | |
heißt es in Lincoln’s Inn. Auch die Rivalität zwischen David Cameron und | |
dem früheren Londoner Bürgermeister Boris Johnson reicht weit zurück, in | |
ihre gemeinsame Zeit auf dem Eliteinternat Eton. Cameron hat seine | |
Konkurrenten am Ende alle überholt. Jetzt wollen sie ihn loswerden. | |
## Die Überlebensfrage für das Land | |
„Nachdem Howard nach Blairs Wahlsieg 2005 als Tory-Parteichef zurücktrat“, | |
erinnert sich Tony Blairs ehemaliger Europaminister Denis MacShane, „rief | |
ich Cameron an und sagte ihm: ‚David, du musst das machen, du hast die | |
richtige Persönlichkeit, du bist jung und unverbraucht. Aber du musst | |
endlich diese ganzen alten EU-Skeptiker rausschmeißen.‘ “ David Cameron | |
habe geantwortetet: „Du hast gar keine Ahnung, wie euroskeptisch ich selber | |
bin.“ Cameron wurde Parteichef und 2010 Premierminister. Noch vor einem | |
halben Jahr drohte er der EU selbst mit einem Austritt. Jetzt erklärt er | |
die britische Mitgliedschaft zur Überlebensfrage für das Land. Dabei ist es | |
für ihn vor allem eine Frage des eigenen politischen Überlebens. | |
Auch der Labour-Politiker MacShane kämpft für einen EU-Verbleib. In seiner | |
eigenen, kleinen Veranstaltung im Untergeschoss einer Buchhandlung am | |
Trafalgar Square spricht er über die Furcht vor den Folgen eines Austritts: | |
„Wir werden immer mit Lügen und Angstmache überzogen, wenn es um | |
Einwanderer geht. Erst ging es gegen die ‚Farbigen‘. Dann gegen die | |
‚Pakis‘. Und jetzt gegen die Polen.“ | |
Aber was für ein Aushängeschild für die EU ist MacShane? In seine Amtszeit | |
als Europaminister fiel die Öffnung des Arbeitsmarkts, die Folgen bedachten | |
sie nicht. MacShane heißt eigentlich Josef Denis Matyjaszek, sein Vater war | |
selbst Pole. 2012 verlor er sein Abgeordnetenmandat wegen Spesenbetrugs, | |
2013 wanderte er dafür ins Gefängnis. In seinem Wahlkreis Rotherham wie in | |
anderen Städten Nordenglands ist Ukip inzwischen die stärkste | |
Oppositionskraft gegen korrupte und träge Labour-Verwaltungen. | |
Politiker wie Cameron und MacShane symbolisieren ein großes Problem der | |
EU-Befürworter. Die „Remain“-Kampagne wird vor allem von Politikern | |
unterstützt, zu denen viele Briten das Vertrauen verloren haben. Selbst | |
dort, wo ein Sieg der EU-Befürworter erwartet wird, ist die Lage nicht so | |
eindeutig. London zum Beispiel gilt vielen als sichere Bank. Aber die Stadt | |
hat einen globalen Horizont, keinen europäischen, auch und gerade in den | |
ärmeren Multikulti-Vierteln der Afrikaner und Asiaten. Nicht Begeisterung | |
für die EU treibt hier die Wähler um, höchstens Sorge vor mehr Rassismus im | |
Falle eines Brexit. | |
Die Befürworter des Austritts sind die Alteingesessenen aller Ethnien, vom | |
Glitzerlondon aus der Metropole verdrängt. Sie sammeln sich in den | |
Vorstädten Richtung Osten, in der Nachbarregion Essex, wo man unter sich | |
bleiben will und keine Allüren hat. Auf dem imposanten Marktplatz von | |
Romford am nordöstlichen Stadtrand bieten Marktschreierinnen abgepacktes | |
Gemüse für ein Pfund an, gebeugte alte Männer sitzen stumm hinter | |
Eierkartons, und es gibt Anzüge für 10 Pfund und Röcke für 4,99, „Umtausch | |
ausgeschlossen“. | |
## Sie planen für die Zeit nach dem Austritt | |
Der Wahlkreisabgeordnete für Romford ist seit 16 Jahren Andrew Rosindell, | |
ein forscher lauter Konservativer und Brexit-Wortführer. Der gedrungene | |
50-Jährige sitzt neben John Redwood bei der Versammlung der | |
Brexit-Befürworter im Parlament. Er tönt selbstbewusst: „Wir sind an einem | |
Wendepunkt angelangt, wo sich möglicherweise eine Menge Leute für Brexit | |
entscheiden werden.“ Jetzt sei wichtig, nicht vorschnell nachzulassen, | |
warnt der wahlkampferfahrene Rechte: „Wie werden wir uns fühlen, wenn wir | |
am 24. Juni aufwachen und David Cameron steht vor 10 Downing Street mit | |
einem Siegergesicht?“ | |
Andrew Rosindell und David Cameron sind in derselben Partei. Es ist ein | |
Jahr her, dass Cameron als Sieger vor 10 Downing Street stand, nachdem er | |
entgegen allen Prognosen die absolute Mehrheit im Parlament errang. Was | |
passiert mit der britischen Regierungspartei, wenn Cameron das Referendum | |
verliert? | |
„Machen Sie sich mal keine Sorgen“, sagt John Redwood. „In der Fraktion | |
sind Camerons Anhänger eine verschwindende Minderheit. Er hatte sowieso vor | |
der letzten Wahl angekündigt, dass er 2020 geht. Dann geht er halt ein paar | |
Jahre früher.“ Und wer folgt ihm nach? „Das entscheiden wir am 24. Juni.“ | |
Revolte im Volk gekoppelt mit Revanchismus in der Elite: Das ist eine | |
potente Kombination. Die Frage ist, wie lange diese beiden Seiten der | |
Brexit-Allianz zusammenhalten, sollten sie wirklich triumphieren. Und was | |
passiert, wenn sie unweigerlich auseinanderdriften. | |
19 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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