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# taz.de -- Die Wahrheit: Bei Kubi und Kosi
> Die Wahrheit-Homestory: Ein Besuch bei Deutschlands stilvollstem
> Faschisten-Paar Götz Kubitschek und Ellen Kositza auf dem Rittergut
> Schnellroda.
Bild: Nicht nur türkische Präsidenten, auch deutsche Faschisten haben Ziegen …
Immer grüner die Wiesen, immer weniger die Häuser, immer beknackter unsere
Sprache: Wir müssen jetzt in Sachsen-Anhalt sein. Und plötzlich, hinter
einer Kurve, taucht es auf: das Rittergut. Schnellroda. Das Schloss, wenn
man so will, denn Kafka passt immer. Irgendwie.
Da am Gatter, bei den Ziegen, steht er: Vorzeige-Faschist Götz Kubitschek –
ein Bild von einem Mann, wobei es ja irgendwie viele Bilder von Männern
gibt, aber hier ist es als Metapher gemeint, die besagt: Schneidig sieht er
aus. Und da, mitten im Rhabarber, bückt sich seine Frau Ellen Kositza, die
Muse des zeitgenössischen Rechtsextremismus. Wo minderbegabte Journalisten
geschmacklose Formulierungen wählen, um Kositzas Aussehen zu beschreiben,
spiegeln wir unsere eigene Grandezza in einer schon beinahe synästhetisch
zu nennenden Formulierung: Sie sieht so aus, wie das Wort Alraune klingt
oder das Wort Nosferatu, mit einem Hauch von „Pimpernelle“.
Wir werden höflich empfangen – mit Hand- und Nackenschlag. Hier weiß man
noch, was sich gehört. Dann der Pflaumenkuchen. Die Pflaume sei urdeutsch,
weiß Kositzka und kommt ins Reden: Jahrelang habe ihr Mann die Kartoffel
abgelehnt. Verständlich, ist die Kartoffel doch ein Ausbreitungstypus aus
Amerika, jenem – so kann man es für den nördlichen Teil einfach einmal
sagen – Judenregime, zu dessen Vasall Deutschland längst verkommen sei.
## Empfang mit Nackenschlag
Aber Kubitschek ist kein Dogmatiker. Wenn etwas schmeckt und sich in den
germanischen Kulturkreis integriert, kann er locker darauf zugehen. Nur
mischen wird er die Kartoffel nie. Kraut, Kartoffel und Bratwurst findet
man auf dem Kubitschek’schen Teller immer ordentlich separiert. Doch jetzt
erst einmal Pflaumenkuchen. Ein Gedicht. Von Ezra Pound. Kubitschek ist
unglaublich intelligent. Lateinische Weisheiten sind für den ehemaligen
Lehramtsstudenten eine conditio sine qua non. Sein IQ liegt mindestens 15
Prozent über dem deutschen Durchschnitt. Es seien die schwäbischen Wurzeln,
schmunzelt Kubitschek: „Der Schiller und der Hegel, der Uhland und der
Hauff, die sind bei uns die Regel, die fallen gar nicht auf, weisch?“ Zur
Höflichkeit kommt ein feiner, irgendwie bescheidener Humor.
Später gibt es Alraunen-Eintopf mit Runen-Nudeln. Kositza ist ebenfalls
sehr intelligent, aber vor allem ist sie ganz Frau. Ihre Gerichte schmecken
himmlerisch. Und dann die Kinder. Sieben an der Zahl. Sie stehen in einer
Reihe und grüßen artig: Alruhn, Brunhilde, Fafnir, Alberich, Friggida,
Nuspli und Skøl. Selbst gezeugt haben die Eheleute diese Kinder nicht.
„Mann und Frau sind grundverschieden“, sagt Kubitschek. „Das ist wie mit
Ethnien: Zu Verschiedenes sollte räumlich getrennt werden und sich nicht
paaren.“
Tatsächlich hat Kositza sechs der Kinder mitgebracht aufs Rittergut. Das
siebte Kind – Skøl – haben die Eheleute in einer rechtsdrehenden
Vollmondnacht mithilfe altnordischer Runenmagie selbst erschaffen. Einzige
Zutat: 100 Prozent Bio-Schlachtabfälle aus der Region.
Kositza liebt die Kinder wie sich selbst, also irgendwie nicht so richtig.
Aber sie bewundert Götz, den Mann ihres Lebens. Kennengelernt hat sie ihn
bei einem Live-Rollenspiel der Deutschen Gildenschaft. Ein echter Mann,
eine falsche Frau, drei geriebene Salamander – der Beginn einer großen
Liebe. Und einer fruchtbaren Zusammenarbeit: Ellen Kositza hat im
Kleinstverlag ihres Mannes den Anti-Gender-Nonseller „Männer sind von Mars,
Frauen von Milky Way“ herausgeben.
Da sind sie wieder: die unüberwindbaren Unterschiede zwischen den
Geschlechtern. Ellen kann gut verstehen, dass Götz einen anderen Trakt auf
dem Rittergut bewohnt als sie und die sieben Zwerge.
## Slawischer Schwabe mit Geschmack
Trotz aller Unkenrufe: Kubi und Kosi – so dürfen Freunde wie Akif und Höcki
sie nennen – sind keine Nazis. Das elegante Ehepaar rechnet sich zur
„konservativen Revolution“, einer stilvollen politischen Komposition, die
das wirre Gewusel von Demokratie, Gleichheit und Liberalismus zugunsten
einer geschmackssicheren Ordnung hinwegfeudeln will. König Kubi weiß, dass
jeder Mensch einen naturgegebenen Platz als Herr, Knecht, Frau oder
Untermensch hat. Er selbst zum Beispiel gehört an die Spitze. Und er weiß,
was er will: König Kubi will ein Deutschland, in dem Deutsche wohnen. Wer
das ist, bestimmt der slawische Schwabe selbst.
Ein weiterer Vordenker der rechten Bewegung, Armin Mohler, wurde einmal im
Jahr 1995 von der Schweizer Wochenzeitung gefragt: „Bewundern Sie heute
Hitler immer noch wie in Ihren Jugendzeiten?“ Seine schneidige Antwort:
„Was heißt bewundern? Er hat immerhin eine richtige Führung geschaffen. Die
Kader, die er heranzog, hatten Stil.“ Stil – eine Tugend, die den
ausgemergelten KZ-Insassen und der vom Krieg zerriebenen Bevölkerung
etlicher Länder leider abhanden kam. Auf Schnellroda weiß man: Auch der
Mensch der sinnentleerten Postmoderne neigt dazu, sich gehen zu lassen.
Dabei ist Stil das Allerwichtigste.
13 Jun 2016
## AUTOREN
Anselm Neft
## TAGS
Nazis
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Religion
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