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# taz.de -- Die Wahrheit: Er hat, sie hat, Dschihad!
> Eine Hamburger Werbeagentur entwickelt eine große Imagekampagne für das
> in Deutschland gerade nicht gut angesehene Saudi-Arabien.
In einem Besprechungsraum der Werbeagentur Young & Dull rauchen die Köpfe.
Vor wenigen Stunden hat ein Sprecher des saudischen Königshauses angerufen
und ein Angebot gemacht, das die Agentur nicht ablehnen kann. Es winken
Millionen von Petro-Euro. Der Sprecher hat eine jahrelange Mega-Kampagne
in Aussicht gestellt. Ihr Ziel: das in den letzten Monaten stark
beschädigte Image von Saudi-Arabien in Deutschland massiv zu verbessern.
Henning von Henckel (46) beendet seine Ansprache als Teamleiter der gerade
gegründeten „Taskforce S-A“ mit den Worten: „Got me?“ Die anderen drei
Anwesenden nicken. „Also: Was spricht für unsere Marke. Wo liegt ihr Unique
Selling Point?“ Schweigen. Das nervöse Klicken eines Kugelschreibers lässt
die Stille noch stiller erscheinen. Schließlich räuspert sich Vanessa
Hartheim (33), die Senior-Creative-Direktorin: „Da unten die People sehen
so gut aus. Junges Fleisch, guter Teint, gute Zähne, kaum Probleme.“
## Die Sexiness der Saudis
Hartheim sieht in die Runde. Keiner reagiert. „Sie arbeiten wenig, shoppen
viel. Ich finde, das hat Sexiness.“ Textchef Gaspar Noel-Niehus (31)
nuschelt aus seinem schwarzen Rollkragenpullover: „Ein echtes
Alleinstellungsmerkmal? Die Saudis unterstützen doch die wahhabitische
Mission weltweit stärker als jedes andere Land.“
Von Henckel leckt sich mit halboffenem Mund die Unterlippe, ein Zeichen,
dass er intensiv nachdenkt. Dann bricht es auch ihm heraus: „,The peaceful
face of Salafism‘ – bäng!“ – „Nee“, erwidert Hartheim genervt. Wie…
wurde ihr Vorschlag unkommentiert übergangen. „Bloß nichts mit Religion.
Das geht gerade gar nicht.“
Dirk Winger (26), genannt „High-Five-Winger“, unterdrückt einen
Kombucha-Schorle-Rülpser. Dann sagt er feixend: „Wir könnten eine Anzeige
in der FAZ schalten. Diesmal mit noch mehr Grammatikfehlern. Das ist
sympathisch. Die Deutschen mögen’s doch, wenn bei Ausländern nicht alles so
perfekt ist. Das ist der Rudi-Carrell-Effekt!“
„Jetzt mal Konzentration, Mädels.“ Von Henckel funkelt manisch in die
Runde. „Wer ist denn überhaupt unsere Zielgruppe?“, fragt Hartheim
professionell. „Ganz Deutschland.“ Von Henckel macht eine fahrige
Handbewegung. „Alle zehn verfickten Sinus-Kartoffeln.“ Winger wagt sich
wieder vor: „,Nichts außer Öl. Nothing but the Oil‘! Das ist kernig und
exklusiv. Das Gegenstück zum mega-erfolgreichen ‚Alles außer Hochdeutsch‘…
Von Henckel leckt wieder seine Lippe.
„Versteht ihr?“, schiebt Winger etwas unsicher nach. „Alles außer
Hochdeutsch. Nichts außer Öl.“ Hartheim schüttelt den Kopf: „Ich finde, …
sollten nichts erwähnen, was man generell mit Saudi-Arabien verbindet. Kein
Öl, keine vollverschleierten Frauen, keinen Salafismus. Was wissen wir noch
über die Marke?“ Winger wackelt mit dem Kopf. „Wüste“, sagt er dann. �…
Öl. Ach nee, das hatten wir schon.“
Hartheim schaut auf ihr iPad. Sie hat den entsprechenden Eintrag bei
Wikipedia aufgerufen und liest vor: „Wusstet ihr das? Fast die Hälfte aller
Ehen wird nach drei Jahren geschieden. Der Lieblingssport der Saudis ist
Fußball, noch vor Pferde- und Kamelrennen und …“ Von Henckel gähnt
animalisch dazwischen. „Stop it! Wir müssen das Kamel von hinten aufzäumen.
Der Sprecher hat mir gesagt, man will topmodernes Business machen, ohne die
radikalen Geistlichen abzufucken. Die tanzen dem Königshaus seit der
Eroberung der Groß-Moschee …“ – „Groß-Muschi?“, ruft Winger fröhli…
nackt! Hihi!“ – „… auf der Nase herum“, beendet von Henckel nachdrüc…
den Satz: „Also: eine Pressekampagne gegen Fracking – zack! Eine
Pro-Kampagne für die total gemäßigten Rebellen in Syrien und die … äh,
Befreier im Jemen – bum! Und dann noch ein Artikel, der belegt, dass die
Drahtzieher des Charlie-Hebdo-Attentates nix mit den Saudis zu tun haben –
wham! That‘s it! Capisce?“
„Hä?“, versteht Winger nur Bahnhof. „Die Kampagnen laufen in den Medien
doch alle längst“, sagt Noel-Niehus kühl. „Jajaja, dann halt so“, bellt…
Henckel gereizt: „,Saudia Arabia – the inventors of hippness‘.“ Es wird
wieder still im Raum. Von Henckel nimmt das als Zeichen, dass er einen
Volltreffer gelandet hat: „Got me? Wer steife Bärte trägt, Falken
dressiert, Hummus mümmelt, Tradition und Moderne verbindet und sich auch
noch eiskalt Geschirrspültücher um den Kopf bindet, der hat doch in Sachen
Hipness die markante Nase ganz weit vorn.“ Alle nicken.
## Feurige Frauenaugen
„Ich sehe eine Plakatreihe mit einem coolen Turnschuh-Scheich vor
Glitzertürmen“, fabuliert Winger. „Und dazu ein Paar feurige Frauenaugen
und der Kracher-Claim: ‚Catch the summer – Gaudi Arabia‘.“ Noel-Niehus
schüttelt den Kopf: „Wir brauchen keine TUI-Reklame aus den Achtzigern,
sondern was wirklich Hippes. Mit einer starken Botschaft, die sich
festsetzt.“
„Der Scheich könnte eine Kombucha-Schorle trinken“, schmollt Winger, „od…
selbstgeschroteten Kaffee.“ – „Und wie bitte erkennt man, dass der Kaffee
selbstgeschrotet ist?“ – „Na, dann eben die Schorle.“ – „Was ist de…
gerade so richtig hip?“, fragt Hartheim. „Netflix“, ruft Winger. „Gar
nicht“, meint Noel-Niehus, „Amazon prime!“ – „Nude-Girl-Volleyball“…
von Henckel. „Jaaa“, winkt Hartheim sarkastisch ab. „Nude-Girl-Volleyball
in Saudi Arabien.“ – „Ganz genau!“, erhitzt sich von Henckel. „Dann h…
wir alle im Boot: Liberale, Sexisten, Rassisten …“
„Und als Slogan vielleicht was gegen den Strich“, freut sich Winger: „Wie
wäre denn: ‚Judenhass mit Augenmaß‘?“ – „Nichts mit Juden“, sagt
Noel-Niehus. „Da sind die Deutschen bei anderen kritisch.“ – „Aber doch
nicht bei Saudi-Arabien!“, sagt von Henckel beinahe empört.
„Nein“, beharrt der Textchef. „Besser was Geradliniges: ‚Saudi-Arabien …
alles, was Sie am Islam lieben‘.“ „Oder einfach ‚Frauenpower!‘“, sa…
Hartheim weiterhin gereizt. „Jajaja“, denkt von Henckel laut. „Wir sind a…
der Spur. Jetzt noch nachlegen. Was geht noch voll ab?“ – „‘Game of
Thrones‘“, weiß Winger.
„Bulls-Eye!!!“, schreit von Henckel. „Wir arbeiten mit positiver Aneignun…
Frauen verpacken, Stockhiebe, Handabhacken, Köpfen – ‚Kunden, die Game of
Thrones mochten, werden Saudi-Arabien lieben‘. Nee, zu hölzern und
altbacken, eher so: ‚Feel the difference!‘ Und dazu ein Auspeitschbild,
haha. ‚Come to where the torture is‘. Oder halt, ich hab’s: „‘Vintage…
hell: Al Saud‘. Got me? Ich glaube ja, die sind der Zeit da einfach nur
voraus. Oder der hier: ‚Saudia Arabia – the true islamic state‘. Kommt
schon! Einfach mal in die Vollen gehen, das Negative als Gaspedal benutzen!
Jetzt hab ich‘s: ‚Er hat, sie hat, Dschihad!‚‘‘
## Ein Claim für alle
Von Henckel scheint sich in einen seiner berüchtigten
Brainstorm-Laberflashs hineinzusteigern. „Moment!“, schnarrt Hartheim so
laut, dass von Henckel innehält. „Ich hab den Markenkern, den Claim, der
bei allen Deutschen zieht. Vom Naidoo-Fan über den AfD-Klatscher und
Lafo-Linken bis hin zum Relativismus-Hipster und dauergenervten
Mummelgreis.“ – „Ja?“ Von Henckel züngelt erregt. „‘Saudi-Arabien …
andere ist Mainstream‘!“ – „Sag ich doch“, meint von Henckel. „Sag …
doch!“
16 Jan 2016
## AUTOREN
Anselm Neft
## TAGS
Saudi-Arabien
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