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# taz.de -- Schlacht um Falludscha im Irak: „Sie wollten Rache“
> Flüchtlinge aus der Stadt Falludscha sprechen von Folter durch
> schiitische Milizionäre. Diese kämpfen für die Regierung in Bagdad.
Bild: Die irakische Armee scheint den schiitischen Milizen militärisch unterle…
KAIRO taz | Seit über zwei Wochen tobt nun die Schlacht um Falludscha.
Meter für Meter arbeitet sich die irakische Armee gegen die Stellungen des
„Islamischen Staats“ (IS) vor. Aber den größten Erfolg feierten bisher die
schiitischen Milizen, die den Regierungstruppen zu Seite stehen. Sie
eroberten vor wenigen Tagen den Vorort Saqlawiya, sieben Kilometer
nordwestlich von Falludscha.
Doch nun tauchen Berichte auf, dass schiitische Milizionäre die von ihnen
auf ihrem Vormarsch gefangengenommen sunnitischen Zivilisten schlagen und
foltern. Eines der Handyvideos, das in den vergangenen Tagen aufgetaucht
ist, zeigt einen schiitischen Milizionär, der auf eine Gruppe am Boden
liegender Männer einprügelt. „Sagt, dass ihr Männer aus Falludscha schwache
Weiber seid“, fordert er. Die Männer rufen es ihm nach. „Lauter“, schreit
der Milizionär und prügelt weiter auf die Gefangenen ein.
Ein anderes Video zeigt eine Gruppe zum Teil verletzter Männer auf einer
Militärbasis östlich von Falludscha. Über 600 harren dort ihres Schicksals,
berichtet Sheikh Raja al-Issawi, ein lokaler sunnitischer Politiker,
gegenüber Journalisten. Vier sollen ihren Verletzungen erlegen sein. „Sie
haben uns regelrecht abgeschlachtet, sie haben behauptet, wir seien
IS-Kämpfer“, sagt einer der Männer. Ein weiterer berichtet: „Wir haben
ihnen gesagt, wir stehen auf ihrer Seite, aber sie haben gesagt, wir seien
vom IS, und sie wollten Rache.“ Ein anderer Mann drängt sich vor: „Die
Milizen sind gekommen, um uns zu töten, nicht um uns zu befreien.“
Lokale sunnitische Politiker fordern eine internationale Untersuchung.
Sunnitische Aktivisten sprechen von 300 Menschen, die in einer Schule in
Saqlawiya von den Milizionären exekutiert worden seien. Überprüfen lässt
sich das nicht. Führer der schiitischen Milizen streiten die Vorwürfe ab.
„Wir sind nicht berechtigt, irgendjemanden gefangen zu nehmen. Wir helfen
nur den Flüchtlingen aus Falludscha“, sagt Haider Mayahii, ein Sprecher der
von Schiiten dominierten „Volksmobilisierungskräfte“.
## 50.000 Zivilisten noch in der Stadt
Es ist schwer, die Wahrheit zu erkunden. Aber eines ist jetzt schon sicher:
Die Videos haben einen verheerenden Effekt. Zwar haben schiitische Milizen
Erfolge bei der Eroberung von Gebieten unter der Kontrolle des IS, aber
dafür zahlt die Regierung in Bagdad einen hohen Preis. Denn je mehr sich
Geschichten von schiitischen Milizen verbreiten, die in den Dörfern rund um
Falludscha wüten sollen, umso mehr geht die Rechnung des IS auf, sich als
Schutzmacht der Sunniten im Irak zu verkaufen.
Die Regierung steckt in einem Dilemma. Die schiitischen Milizen sind
militärisch wesentlich schlagkräftiger als die reguläre irakische Armee,
die allein kaum fähig zu sein scheint, Falludscha zurückzuerobern. Die
Zentralregierung in Bagdad braucht die schiitischen Milizen im Kampf gegen
den IS. Aber schiitische Milizen, die in sunnitische Dörfer und Städte
einfallen, stellen gleichzeitig ein politisches Desaster dar. Bis zu 50.000
Zivilisten sollen sich noch in Falludscha und Umgebung aufhalten, schätzen
humanitäre Organisationen.
Inzwischen scheint es eine Vereinbarung zu geben, derzufolge die
schiitischen Milizen nicht mehr an der direkten Eroberung Falludschas
beteiligt werden sollen. Letztlich wird die Regierung wahrscheinlich einen
militärischen Erfolg in Falludscha erzielen und doch eine politische
Niederlage einstreichen – wenn sich die sunnitische Bevölkerung angesichts
des Einsatzes der schiitischen Milizen noch mehr vom irakischen Staat
entfremdet hat.
8 Jun 2016
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
„Islamischer Staat“ (IS)
Schwerpunkt Syrien
IS-Miliz
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