# taz.de -- IS-Hochburg Falludscha im Irak: Massengrab entdeckt | |
> Der IS tötet offenbar Zivilisten, die aus dem umkämpften Falludscha | |
> fliehen. Derweil wurde nahe der irakischen Stadt ein Massengrab von | |
> Opfern entdeckt. | |
Bild: Irakische Regierungstruppen westlich von Bagdad | |
BAGDAD AFP/rtr | In der Nähe der IS-Hochburg Falludscha haben irakische | |
Sicherheitskräfte ein Massengrab mit schätzungsweise 400 Leichen entdeckt. | |
Ein Polizeivertreter sagte am Sonntag nach dem Fund in der Stadt Saklawija, | |
es handele sich offenbar um Opfer der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat | |
(IS). Die Regierung in Bagdad kündigte derweil an, möglichen Vergehen | |
regierungstreuer Kämpfer gegen Zivilisten rund um Falludscha nachzugehen. | |
Wie ein hochrangiger Polizist der Provinz Anbar mitteilte, waren Angehörige | |
der irakischen Polizei, Armee und dem Kampfbündnis Hasched al-Schaabi auf | |
das Massengrab gestoßen, als sie in der Stadt Saklawija zehn Kilometer | |
nordwestlich von Falludscha Minen räumten. Bei den etwa 400 Toten handele | |
es sich vornehmlich um irakische Soldaten, es seien aber auch „ein paar | |
Zivilisten“ dabei. Die meisten seien erschossen worden. | |
Zu den möglichen Verantwortlichen sagte der Polizist, der IS habe „Ende | |
2014 und Anfang 2015 viele Mitglieder des Militärs ebenso wie Zivilisten in | |
dieser Gegend hingerichtet“. Radscheh Barakat, Mitglied des Provinzrates | |
von Anbar, sagte, in dem Massengrab seien auch die Leichen von Zivilisten | |
gefunden worden, die der IS „wegen Spionage oder Missachtung der Regeln der | |
Organisation“ exekutiert habe. | |
Die irakische Armee hatte vor zwei Wochen eine Offensive gestartet, um die | |
Stadt Falludscha zweieinhalb Jahre nach ihrer Besetzung durch den IS | |
zurückzuerobern. Zunächst brachte sie Gebiete rund um die Stadt unter ihre | |
Kontrolle, darunter Saklawija am Samstag. | |
Bei der Offensive soll es Vergehen der regierungstreuen Truppen gegeben | |
haben. Der irakische Regierungschef Haider al-Abadi habe daher die | |
Schaffung eines Menschenrechtskomitees angeordnet, das „jegliche Verletzung | |
der Vorgaben für den Schutz von Zivilisten“ untersuchen solle, wie Abadis | |
Sprecher Saad al-Hadithi sagte. Für die Ahndung von Vergehen habe Abadi | |
„strikte Befehle“ erteilt. | |
## Sicherheitskräfte missbrauchten ihre Macht | |
Politiker wie Parlamentspräsident Salim al-Dschuburi hatten sich besorgt | |
über Berichte geäußert, wonach die an der Falludscha-Offensive beteiligten | |
Sicherheitskräfte ihre Macht missbrauchten. Es gebe Hinweise, dass | |
„Polizisten und einige Freiwillige“ Verbrechen gegen Zivilisten begangen | |
hätten. Auch der UN-Gesandte für den Irak, Jan Kubis, forderte die | |
irakische Regierung auf, die Vorwürfe „sorfgfältig zu untersuchen“. | |
Falludscha ist eine sunnitische Stadt. Dem Kampfbündnis Hasched al-Schaabi | |
gehören zwar auch sunnitische Stammeskämpfer an, es wird aber von | |
schiitischen Milizen dominiert, die vom Nachbarland Iran unterstützt | |
werden. Offiziell unterstehen sie Regierungschef Abadi, einige ihrer | |
mächtigsten Gruppen werden allerdings direkt aus Teheran befehligt. Diesen | |
Gruppen wird vorgeworfen, die Spaltung der irakischen Bevölkerung | |
voranzutreiben. | |
Abadis Sprecher ging auch auf die rund 50.000 Zivilisten ein, die immer | |
noch in Falludscha eingeschlossen sein sollen. „Der Einsatz zur Befreiung | |
von Falludscha könnte binnen Tagen abgeschlossen werden, aber bei uns kommt | |
die Sicherheit der Zivilisten an erster Stelle“, sagte Hadithi. | |
## Flucht über den Euphrat | |
Der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC), der in der Nähe von Falludscha | |
mehrere Flüchtlingscamps betreibt, erklärte am Sonntag, der IS töte | |
Zivilisten, die aus der Stadt fliehen wollten. Familien hätten geschildert, | |
„dass Zivilisten, die den Euphrat überqueren wollen, um vor den Kämpfen zu | |
fliehen“ beschossen würden. „Unsere größten Sorgen haben sich nun auf | |
tragische Weise bestätigt“, erklärte der NRC-Chef im Irak, Nasr Muflahi. | |
Der Chef des Provinzrates, Schakir al-Essawi, sagte, die aus Falludschas | |
fliehenden Menschen nähmen alle möglichen schwimmenden Gegenstände, um über | |
den Euphrat zu entkommen. Der Fluss ist 250 bis 300 Meter breit, wenn er | |
die Stadt im Süden verlässt. „Sie nutzen leere Kühlschränke, Holzschränke | |
und leere Benzinfässer, um daraus Flöße zu bauen und den Fluss zu | |
überqueren.“ | |
Viele kämen in den Fluten ums Leben. Andere würden durch Scharfschützen des | |
IS getötet, wenn sie ans Ufer kämen, berichtete ein Polizist. Außerdem | |
seien Sprengsätze an Straßen installiert worden. Nach Essawis Worten seien | |
mehr als 1.000 Familien über den Fluss geflohen. | |
6 Jun 2016 | |
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